Fucking Bornholm

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Zumindest im Kino kann ein Familienurlaub nur zu Problemen führen, mal zu komischen, mal zu tragischen oder wie im Fall des polnischen Films „Fucking Bornholm“ zu tragikomischen. Anna Kazejak zeigt zwei Paare und drei Kinder, die sich in die Haare bekommen und dabei Rollenbilder und Vorstellungen von Männlichkeit verhandeln.

Polen 2022
Regie: Anna Kazejak
Buch: Filip K. Kasperaszek & Anna Kazejak
Darsteller: Agnieszka Grochowska, Maciej Stuhr, Grzegorz Damiecki, Jasmina Polak, Magnus Krepper

Länge: 99 Minuten
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 1. Juni 2023

FILMKRITIK:

Seit Jahren fahren sie um den 1. Mai gemeinsam auf eine Insel: Das etwa 40jährige Paar Maja (Agnieszka Grochowska) und Hubert (Maciej Stuhr) und ihr langjähriger Freund Dawid (Grzegorz Damiecki). Der ist frisch geschieden und hat nun zum ersten Mal seine deutlich jüngere Freundin Nina (Jasmina Polak) mitgebracht. Mit dabei ist Dawids Sohn Kaj (Borys Bartlomiejczyk) und Majas und Huberts Kinder Eryk (Oliwier Grzegorzewski) und Wiktor (Marceli Sikora).
Ziel der Reise ist die dänische Insel Bornholm, wo die Paare in Campern am Strand ein paar unbeschwerte Tage verbringen wollen. Doch die Ruhe wird schnell gestört, erst durch andere Urlauber, die ihnen den angestammten Platz weggenommen haben, bald darauf jedoch durch kindliche Doktorspiele, die besonders Maja irritieren.

Hubert dagegen ist mehr an den teuer erworbenen neuen Fahrrädern interessiert, dazu am morgendlichen Joggen, kurz gesagt, an allem, nur nicht an Maja. Die Psychologiestudentin Nina wiederum versucht mit Küchenpsychologischen Ratschlägen die Situation zu begradigen, während Dawid schon seit langem Gefühle für Maja hegt, die jedoch während eines alkohollastigen Abend einen Einheimischen kennenlernt.

Nicht nur die Ausgangskonstellation von Anna Kazejaks „Fucking Bornholm“ erinnert deutlich an die moralischen Versuchsanordnungen, mit denen der schwedische Regisseur Ruben Östlund in den letzten Jahren große Erfolge feierte. Besonders sein „Force Majeure“, in dem ebenfalls eine Familie im Urlaub mit männlicher Schwäche konfrontiert wurde, scheint Vorbild gewesen zu sein, mit einem großen Unterschied: Kazejak wirft einen dezidiert feministischen Blick auf ihre Figuren, wobei besonders Maja im Mittelpunkt steht.

In pointierten Dialogen entfaltet sich ein komplexes Figurengeflecht, bei dem immer wieder angedeutet wird, wie sehr sich Maja in den Dienst ihrer Familie, ihres Mannes und ihrer Kinder stellt und ihre eigenen Wünsche dabei zurückstellt. Während sie sich um die Kinder kümmert, geht Hubert seinen Hobbys nach. Ganz selbstverständlich mutet diese Aufgabenverteilung an, ein Ausbruch aus diesen traditionellen Konventionen scheint kaum möglich.

Dementsprechend wird auch die Situation zwischen den Kindern bald vergessen, scheinen die unterschwelligen Konflikte immer wieder auszubrechen, nur um dann doch wieder zu verschwinden. Eine Katharsis bleibt somit aus, ein versöhnliches oder anderweitig zugespitztes Ende sucht man vergebens. Man mag das unbefriedigend finden, aber es passt zu einem genau beobachteten Film, der auf überzeugende Weise zwischen komödiantischen und dramatischeren Momenten changiert und dabei viel über Geschlechterrollen und Vorstellungen von Männlichkeit erzählt.

Michael Meyns