Führer und Verführer

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Als eine Art „Making of des Dritten Reichs“ möchte Autor und Regisseur Joachim A, Lang seinen Film „Führer und Verführer“ verstanden wissen, ein Anspruch, an dem man nur scheitern kann. Aus dem im Grunde interessanten Ansatz, zu ergründen, wie sehr der Propagandaapparat Joseph Goebbels zum „Erfolg“ des Regimes beitrug wird so ein Film, der vor allem emblematisch zeigt, woran in Deutschland Filme über das Dritte Reich oft kranken.

Deutschland/Slowakei 2023
Regie & Buch: Joachim A. Lang
Darsteller: Robert Stadlober, Fritz Karl, Franziska Weisz, Dominik Maringer, Moritz Führmann, Till Firit

Länge: 135 Minuten
Verleih: Wild Bunch
Kinostart: 9. Mai 2024

FILMKRITIK:

Ohne Propaganda wäre das Dritte Reich nicht möglich gewesen, ohne jahrelange Indoktrination der Bevölkerung, ohne antisemitische Filme, Diffamierungen, Medienberichte. Hauptverantwortlicher für den Erfolg – wenn man es so nennen will – dieser Propaganda war Joseph Goebbels, der nun als Verführer im Zentrum von Joachim A. Langs Film “Führer und Verführer“ steht.

Ungefähr von 1938 bis zum Kriegsende 1945 reicht die Erzählung, die anhand von umfassenden Recherchen versucht, ein möglichst genaues Bild der Ereignisse nachzuzeichnen. Im Mittelpunkt steht dabei Joseph Goebbels (Robert Stadlober), der mit anderen Nazi-Größen um die Aufmerksamkeit von Adolf Hitler (Fritz Karl) buhlt. Mal darf der eine, dann der andere bei Konferenzen den Platz neben dem Führer einnehmen und sich an den neidischen Blicken der Anderen ergötzen.

Gewisse Widersprüche zwischen Goebbels und Hitler belasten das Verhältnis des Duos, besonders dann, wenn die tatsächliche Realität der durch die Propaganda erzeugten vorgetäuschten Realität allzu sehr widerspricht. Inszenierte Siegesparaden, aber auch die berühmt-berüchtigten Propagandafilme „Jud Süss“ oder „Der ewige Jude“ verantwortet Joseph Goebbels in diesen Jahren und versucht bis zum Ende, seinen Führer im besten Licht erscheinen zu lassen.

Wie es vor Jahren schon die Macher des Führerbunker-Dramas „Der Untergang“ taten, behauptet auch Joachim A. Lang, dass ein Großteil der Dialoge authentisch seien oder auf belegbaren Aufzeichnungen beruhen. Ein Ansatz, der zum einen zu oft gestelzt, wenig lebensecht anmutenden Dialogen führt, zum anderen wie eine Form der Selbstversicherung erscheint, die eines der Probleme nicht nur dieses deutschen Films über das Dritte Reich ist.

Denn wirklich künstlerisch zu arbeiten, kreativ zu agieren, verbietet sich gerade in Deutschland beim Thema Nationalsozialismus augenscheinlich. Nazis selbst erfundene Worte in den Mund zu legen, sie in fiktiven Szenen zu zeigen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Möglichst alles soll belegt sein, man möchte sich nicht angreifbar machen. Warum dann nicht gleich einen Dokumentarfilm drehen? Nun, zum Teil ist „Führer und Verführer“ genau das, ein Doku-Drama, das Archivmaterial einsetzt, bei dem immer wieder Aussagen von Zeitzeugen wie Margot Friedländer oder Charlotte Knoblauch eingeblendet werden, die einerseits als Authentizitätsmarker dienen, andererseits den Fluss eines Films, der ja eigentlich ein Spielfilm sein will unterbrechen.

Dieses allzu vorsichtige Herangehen verhindert leider auch, dass die interessanten Ansätze des Themas vertieft werden: Der Konkurrenzkampf innerhalb der Führungsclique der Nazis etwa, die in den Händen eines ambitionierteren Regisseurs wunderbarer Stoff für eine Groteske hätten sein können. Auch die Bedeutung des Themas Propaganda und Fake News und ihre Bezüge zur Gegenwart liegen auf der Hand, werden im ausufernden Ansatz von „Führer und Verführer“ aber nicht wirklich auf den Punkt gebracht.

Viele interessante, diskussionswürdige Aspekte werden angerissen, ein kursorischer Einblick in Aspekte des Dritten Reichs gegeben, die Vertiefung verdienen. Doch die allzu große Vorsicht in der filmischen Umsetzung, die in jedem Moment deutlich zu spürende Sorge, keinen Fehler zu begehen, keine Klischees zu bedienen, nicht noch einmal einen geifernden, wild schreienden Hitler zu zeigen, steht einem künstlerisch ambitionierteren Film im Wege.

 

Michael Meyns