Ganz nah bei dir

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Eigenbrötler Philipp trifft auf die kesse, blinde Cellistin Lina. Wie daraus eine romantische Liebesgeschichte und gleichzeitig ein Neuanfang entsteht, davon erzählt der neue Film von "Fickende Fische"-Regisseurin Almut Getto, die dafür auf dem Max Ophüls-Filmfestival in Saarbrücken 2009 den Publikumspreis erhielt.

Webseite: www.filmlichter.de

Deutschland 2008, 88 Minuten
Regie: Almut Getto
Drehbuch: Speedy Defteros, Hendrik Hölzemann, Almut Getto
Kamera: Michael Wiesweg
Schnitt: Sebastian Thümler
Musik: Jakob Ilja
Darsteller: Katharina Schüttler, Bastian Trost, Andreas Patton, Traute Hoess, Heiko Pinkowski, Jürgen Rissmann
Verleih: Timebandits films/Filmlichter, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 12. November 2009
 

PRESSESTIMMEN:

Almut Getto hat sich mit „Ganz nah bei dir“ wieder an eine Liebesgeschichte zweier Außenseiter gewagt. Und erneut schafft sie es, uns diese Romanze auf eine leichte und doch sehr poetische Weise zu erzählen. ...perfekte Kinounterhaltung für alle, die romantische Komödien lieben. 
Saarländischer Rundfunk

FILMKRITIK:

Viel ist in diesen Tagen von den Mauscheleien innerhalb der Gremien der Fernsehsender die Rede. „Ganz nah bei dir“ ging durch die Mühlen des NDR und auch wenn Doris Heinze ihre Finger (wahrscheinlich) nicht im Spiel hatte, zeigt die Geschichte um einen verkrampften, metaphorisch blinden Einzelgänger, dem von einer blinden Cellisten das Sehen beigebracht wird all das, was mit der deutschen Filmförderung im Argen liegt.

„Ganz nah bei dir“ startet zwar im Kino, ist aber durch und durch ein Fernsehfilm, schon die ersten Minuten machen das schmerzhaft deutlich. Da sieht man eine penibel aufgeräumte, um nicht zu sagen seelenlose, kalte Wohnung. Kein persönlicher Gegenstand, kein Leben, dunkle Farben, Linoleum. Hier lebt Philip (Bastian Trost), der einer dieser verkrampften, introvertierten Figuren ist, die Filmemacher seit Kaurismäki und Jarmusch allzu gerne in den Mittelpunkt ihrer Erzählungen stellen. In dieser Wohnung lebt eine Schildkröte, über die Philip seinem Psychiater, der sein einziger halbwegs menschlicher Kontakt ist, folgendes berichtet: Die Schildkröte habe einen Panzer, damit sie sich vor der Welt verstecken kann, damit sie bei jeglicher Irritation in ihre eigene Welt zurückziehen kann. Die Metaphorik ist offensichtlich: Philip ist die Schildkröte, er lebt zurückgezogen und wird natürlich im Laufe des Films, natürlich von einem weiblichen Wesen, aus seinem Panzer befreit. Soweit so konventionell, doch damit geben sich Regisseurin Almut Getto und ihr Drehbuchautor Speedy Defteros nicht zufrieden. Philip arbeitet in einer Bank, natürlich nicht am Schalter, sondern im Keller. Dort prüft er Tag für Tag Geldscheine auf ihre Echtheit, hat aber auch, man ahnt es, Zugang zu viel Geld, was noch wichtig werden wird.

Eines Tages lernt er auf seine, freundlich gesagt, schusselige Weise die Cellistin Lina (Katharina Schüttler) kennen. Die blind ist. Kein Witz. Man muss sich diesen „Einfall“ auf der Zunge zergehen lassen. Einen Einfall, der offenbar in sämtlichen Gremien als furchtbar originell empfunden wurde. Da hat man also einen metaphorisch Blinden, der die Schönheit des Lebens nicht sehen will und eine blinde Musikerin voller Lebensfreude, die dem Blinden das Sehen beibringt. Mehr muss man über diesen Film eigentlich nicht sagen, man kann sich nur wundern. Über die Geschichte, die für den Rest der Spieldauer in exakt der Weise abläuft, die nach 20 Minuten klar ist. Über betont manierierte, lakonisch anmutende Bilder, die in jedem Moment die großen Vorbilder verraten, deren Kopieren aber einmal mehr scheitert. Über Schauspieler, die weniger spielen als chargieren, aber was sollen sie mit einem solchen Drehbuch auch anfangen. Über eine Regisseurin, die vor einigen Jahren immerhin das schöne Debüt „Fickende Fische“ vorgelegt hat und sich nun im vollends Banalen verliert. Und schließlich über Fördergremien, die eine solch hanebüchene, überkonstruierte Geschichte finanzieren und dazu beitragen, dass ein Film wie dieser ins Kino kommt und das ohnehin immer überbordender werdende Kinoprogramm noch mehr verstopft.

Michael Meyns

Phillip muss bei der Bank Falschgeld aussortieren. Und so eigenartig wie sein Beruf ist auch sein Privatleben. Nur die genaue Ordnung und Kleidung, die Bügelmaschine mit Zeitschaltuhr, der Multivitaminsaft und die Schildkröte Paul zählen. Einen geheimen Wunsch hegt Phillip freilich schon: Er wäre gerne Comedian – ist aber zu scheu und zu reserviert dazu. Also nur diskrete Barbesuche.

Dort stolpert er über Lina. Die ist zwar blind, hat aber Durchsetzungsvermögen. Da in Phillips Wohnung eingebrochen und diese ausgeräumt wurde, verbringt er die Nacht auf dem Sofa bei Lina.

Ein gescheitertes Abendessen, falsche Geschenke – der charakterliche und verhaltensmäßige Unterschied zwischen den beiden ist doch relativ groß. „Weißt du was, du und ich, das kann gar nicht gut gehen“, sagt sie.

Der Bank fehlen 60 000 Euro. Dass sie per Zufall in Phillips Hände geraten, dafür kann er nun wirklich nichts. Und vor weiteren Überraschungen ist er auch nicht sicher, vor allem wenn sie von Lina ausgelöst werden.

Was an dem Film gefallen könnte, ist die Zeichnung der Charaktere der beiden Hauptpersonen: Phillips minutiöse Einhaltung der von ihm gewählten Lebensform, seine Verklemmtheit, seine tollpatschigen Versuche, sein Zurückgreifen auf den Zufall, seine Verwunderung darüber, wozu eine Blinde fähig ist.

Und Linas Überwindung des körperlichen Mangels, ihr Geradeheraus, ihre Einsicht, lieber auf einen Mann zu verzichten, als an den Falschen zu geraten.

Die Schlussidee mit dem vielen Geld hätte allerdings, mit Verlaub, viel besser ausfallen müssen.

Ein besseres Händchen hätte die Regisseurin Almut Getto mit den beiden Protagonisten nicht haben können. Bastian Trost agiert sparsamst und damit für seine Rolle passend. Gut gemacht. Katharina Schüttler ist eine leidtragende, aber resolute und dazu noch reizende Lina. Ebenfalls gut gemacht.

Thomas Engel