Geschwister Savage, Die

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Das Thema Menschen im Alter und wie die jüngere Generation damit umgeht wird mehr und mehr auch fürs Kino entdeckt. Nach Sarah Polleys nachdenklichem „An ihrer Seite“ beweist nun Tamara Jenkins ein gutes Gespür für die plötzliche Situation zweier erwachsener Geschwister, deren Vater zum Pflegefall wird. Der ernsten aber nicht zu ändernden Thematik begegnet Jenkins mit humorvollen Momenten. Philip Seymour Hoffman und Laura Linney überzeugen als die Geschwister Savage.

Webseite: www.DieGeschwisterSavage-derfilm.de

(OT: The Savages)
USA 2007
Regie: Tamara Jenkins
Darsteller: Laura Linney, Philip Seymour Hoffman, Philip Bosco, Peter Friedman, Cara Seymour
114 Minuten
Verleih: Fox, www.foxfilm.de
Start: 24.4.2008

PRESSESTIMMEN:

Eine famose, lakonische und bittersüß-sarkastische Familientragödie. Völlig zu Recht mehrfach preisgekrönt, dazu Oscar-Nominierungen für Laura Linney und das Drehbuch.
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Ob Tamara Jenkins die Fotoserien des in Stuttgart lebenden Österreichers Peter Granser mit den Titeln „Sun City“ und „Alzheimer“ kennt? Wie auch immer. Auch sie zeigt die zu den beliebtesten Rentnersiedlungen Amerikas zählende Stadt zu Beginn ihres Films in hellen, blassen, sachlich eine kühle Ästhetik vermittelnden Einstellungen, hinter denen aber dennoch ein morbider, fast surrealer Charme hervorblitzt. Hier, in Sun City, lebt Lenny Savage (Philip Bosco) mit seiner Lebensgefährtin Doris. Dass es um den alten Herrn nicht gut bestellt ist, bekommen ein junger Pfleger und die bald darauf mit Kot beschmierte Badezimmerwand zu spüren.  
Die Kacke ist also am Dampfen, mehr noch, als kurz darauf Doris stirbt und deren Angehörige Lennys Kindern nahe legen, sich nun doch bitte selber um den an fortschreitender Demenz leidenden Vater zu kümmern. Nachdem sie Jahre lang aufgrund schlechter Kindheitserinnerungen keinen Kontakt mehr zu ihm hatten, sind Jon (Philip Seymour Hoffman) und Wendy (Laura Linney) aber dennoch bereit, diese Verantwortung zu übernehmen. „Vielleicht hat er uns ja nicht im Stich gelassen, sondern nur vergessen“, witzelt Wendy.

Während der Suche nach einem geeigneten Pflege- und Altersheim wird beiden klar, dass es im Grunde doch nur darum geht, einen Platz für die letzte Etappe eines Lebens zu finden – da können Werbeversprechen von körperlichem wie seelischem Wohlbefinden den Gedanken an den Tod noch so sehr vertuschen. Die Konfrontation mit diesen Dingen macht den Geschwistern bewusst, dass sie selbst ein Leben lang Weltmeister im Verdrängen waren, sich aus Verbitterung zurückgezogen, voneinander entfremdet und Gefühle für sich und andere unterdrückt haben. Das macht sich auch im Beziehungsleben der beiden Theaterwissenschaftler bemerkbar, in denen sowohl Jon wie auch Wendy doch nur einsame Herzen geblieben sind. Plötzlich wird auch ihnen klar, dass auch ihnen eines Tages ein Schicksal wie das ihres Vaters blühen könnte.

Dem ernsten Ton des Films verstehen Philip Seymour Hoffman und auch Laura Linney immer wieder auch kleine befreiende, mit trockenem, humorvollem Witz vorgebrachte Momente beizumengen. Gerade Hoffman, der jüngst mit sehenswerten Auftritten in Sidney Lumets „Before the devil knows you’re dead“ (Tödliche Entscheidung) und an der Seite von Tom Hanks in „Der Krieg des Charlie Wilson“ glänzte, zeigt wieder eine Facette seines Könnens, indem er in seiner Figur sowohl das eigene Scheitern wie auch die Bewusstwerdung eines ihm selber noch bevorstehenden Lebensabschnitts sichtbar macht. Trotz seines traurig stimmenden Themas und den unangenehmen Fragen über den Umgang mit dem Tod bleibt Jenkins leiser und berührender Film jedoch nicht ganz ohne Hoffnung. Dies auch, weil ihr mit immer wieder kleinen und gut beobachteten Momenten eine sehr menschliche Annäherung an das Leben gelungen ist.

Thomas Volkmann

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Wendy und Jon sind Geschwister. Er ist Literaturprofessor, beschäftigt mit einer Arbeit über Brecht. Sie arbeitet free lance, versucht Theaterstücke zu schreiben, hat beruflich keine allzu großen Chancen und ist mit dem verheirateten Nachbarn Larry liiert. Wichtig in ihr beider Leben ist, dass sie sich vom Vater mental entfernen konnten, der in ihrer Kindheit und Jugend ein überaus strenges Regiment führte.

Doch jetzt klingelt das Telefon. Der Vater, Lenny, ist alt, hat seine Lebensgefährtin verloren, leidet zunehmend an Demenz und bedarf der Hilfe. 

Jon und Wendy sind gefordert. Sie haben eigentlich genug zu tun, um mit ihrem Leben zurecht zu kommen, doch jetzt kommt diese zusätzliche Belastung hinzu. Wohin mit dem Alten? Ist er nicht mehr bei Verstand, oder geht es mit der Krankheit rapide voran? Hat er noch immer seine cholerischen Anfälle? Wie lange kann er noch leben? 

Der Verlauf der Monate nach der Einweisung Lennys in ein Pflegeheim bestimmt die Filmhandlung. Ein Blick auf das Leben der drei: Wendys existentielle Unsicherheit; ihre Gewissensbisse, den Vater in ein Heim abgeschoben zu haben; das banale Sexverhältnis mit ihrem Larry; ein Lichtblick durch ein Gespräch mit einem farbigen Pfleger; das Warten – auf was? Auf Besseres oder auf das Schlimmste?

Jons Aufbegehren wegen des Dilemmas zwischen der Sohnespflicht und dem zu bewältigenden Arbeitsleben; die nüchterne Auseinandersetzung mit der Krankheit und dem Tod.

Lennys Resignation; Lennys Wutausbrüche; Lennys abzusehendes Schicksal.

Man ist geneigt zu sagen, es sei kein Zufall, dass der Streifen von einer Frau gedreht wurde. Hier wird kein sensationelles „Kino“ vorgeführt, keine Schau, kein Pseudo-Leben sondern alltägliches, realistisches, bitteres, nur selten ein wenig aufgehelltes Dasein. So läuft es, denkt man unwillkürlich. Aber es muss immer weitergehen. Dann kommt das Ende – Lennys und des Films.

Lebens- und Todesbilder. Ein Stück Wahrheit. Plausible Episoden – von Tamara Jenkins flüssig inszeniert und von Laura Linnley (Wendy), Philip Seymour Hoffman (Jon) sowie Philip Bosco (Vater)  und Peter Friedman (Larry) ziemlich treffend dargestellt.

Thomas Engel