Religion und Feminismus, geht das zusammen? Das ist – sehr verkürzt – die Frage, die die österreichischen Filmemacher Arash T. Riahi und Verena Soltiz in ihrem Dokumentarfilm „Girls & Gods“ stellen. Als Protagonistin haben sie dafür eine interessante, streitbare Person gefunden, die Femen-Aktivistin Inna Schewtschenko, die jedoch offen genug ist, ihre Haltung zumindest in Frage zu stellen.
Über den Film
Originaltitel
Girls & Gods
Deutscher Titel
Girls & Gods
Produktionsland
AUT,CHE
Filmdauer
92 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Riahi, T. Arash / Solitz, Verena
Verleih
mindjazz pictures UG
Starttermin
23.10.2025
Bekannt wurde die ukrainische Femen-Aktivistin Inna Schewtschenko nicht zuletzt durch einen ikonischen, besser gesagt ikonoklastischen Moment: in Kyjiw sägte sie ein meterhohes Holzkreuz durch, das vor einer orthodoxen Kirche stand. Es verwundert also nicht, dass sich Schewtschenko als Atheistin bezeichnet, die gegen viele Formen der Unterdrückung kämpft und damit geradezu zwangsläufig auch gegen die Unterdrückung, die Frauen von Seiten der Kirche, der organisierten Religion erfahren.
Und hier liegt vielleicht schon die wichtigste Erkenntnis, die neben Schewtschenko auch die Zuschauer des Dokumentarfilms machen können: Ein Unterschied zwischen Glauben und der organisierten Religion, wie sie durch die katholische Kirche, aber auch das quasi offizielle Judentum, den offiziellen Islam verkörpert wird.
Beim Versuch, die Frage zu beantworten, wie eine Frau gleichzeitig Feministin sein und sich als religiös bezeichnen kann, beobachten die Regisseure Schewtschenko (die auch das Drehbuch zum Film schrieb), bei Begegnungen mit Vertretern, meist Vertreterinnen unterschiedlicher Gruppen: Eine jüdisch-orthodoxe Perückenmacherin in New York, Mitgliederinnen der internationalen Vereinigung römisch-katholischer Priesterinnen in Linz, Vertreter der amerikanischen Vereinigung Catholics for Choice, aber auch von Feminists for Life.
Letztere versuchen etwa zu erklären, wieso Schwangerschaftsabbrüche in ihren Augen feministisch seien, ein Argument, mit dem sich Schewtschenko schwer anfreunden kann. Aber allein, dass sie es versucht, dass sie das Gespräch und die Diskussion mit Vertretern von Gruppen annimmt, die ihren eigenen Positionen oft diametral entgegenstehen, ist die große Stärke des Films.
Weder Schewtschenko noch die Filmemacher haben den Anspruch, eine eindeutige Antwort zu geben, vielmehr geht es um ein Zuhören, ein Suchen nach Argumenten und Meinungen. Widersprüche und Ambivalenzen werden angedeutet, ohne dabei allzu dogmatisch zu urteilen, den betreffenden Frauen ihre individuelle Meinung abzusprechen.
Unterbrochen werden die Gesprächspassagen mit künstlerischen Momenten, Spoken Word Performances, Bildern von berühmten Werken der Kunstgeschichte, auf denen bekannterweise nackte oder kaum bekleidete Frauen um ein vielfaches häufiger abgebildet sind, als nackte Männer. Auch auf Demonstrationen wurde bisweilen gefilmt, wo sich dann doch die Grenzen von Inna Schewtschenkos Toleranz zeigen. Die Frage, ob Schwangerschaftsabbrüche gegen das ja auch unabhängig von Religion durchaus vertretbare Gebot, nicht zu töten, verstößt, ist eine komplizierte Frage, über die nicht nur Gläubige, sondern auch Ethiker seit langem streiten.
Schewtschenko hat hier eine klare Position, die gerade in der Diskussion mit amerikanischen Feministinnen auf eine harte Probe gestellt wird. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Femen-Aktivistin kaum an sich halten kann, aber sie hört zu, auch wenn sie eine in ihren Augen besonderes kontroverse Position offensichtlich kaum ertragen kann. Und allein die Auseinandersetzung mit Positionen, die man (oder frau) eigentlich ablehnt ist eine Haltung, die in unserer polarisierten Zeit ein Wert an sich ist.
Michael Meyns