Gran Torino

Zum Vergrößern klicken

In „Gran Torino“ kehrt Clint Eastwood als gealterter “Dirty Harry” auf die Leinwand zurück. Zumindest scheint die Figur des grantelnden Misanthrops Walt Kowalski von Eastwoods Paraderolle spürbar beeinflusst worden zu sein. Der ganz auf ihn zugeschnittene Film entwickelt aus einer zunächst alltäglichen Nachbarschaftssituation ein kraftvolles und überzeugendes Plädoyer für Verständigung und Zivilcourage.

Webseite: www.grantorino-derfilm.de

Gran Torino
USA 2008
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Nick Schenk
Kamera: Tom Stern
Musik: Kyle Eastwood
Mit Clint Eastwood, Bee Vang, Ahney Her, Christopher Carley, Brian Haley, Geraldine Hughes
Laufzeit 115 Minuten
Kinostart: neu 5.3.2009
Verleih: Warner

PRESSESTIMMEN:

...


FILMKRITIK:

Sollte die Rolle des raubeinigen, misanthropischen Korea-Veterans Walt Kowalski tatsächlich Clint Eastwoods letzter Auftritt vor einer Filmkamera gewesen sein? Man kann diese Entscheidung wehmütig beklagen oder sich ganz einfach freuen, den alten Haudegen nochmals in „Dirty Harry“-Manier zu erleben. Denn auch der gute Walt ist anfangs alles andere als ein Anhänger der Political Correctness. Selbst wenn dieser nicht gleich zur Waffe greift und das Gesetz in die eigene Hand nimmt, so macht er doch aus seinen – vorsichtig formuliert – verqueren Ansichten nie ein Geheimnis. Vor allem der beständige Zuzug von Nicht-Weißen in die einst nur von Weißen bewohnte Nachbarschaft ist ihm ein Dorn im Auge.
Mit Argwohn beobachtet er daher, wie im Haus nebenan eine asiatische Großfamilie einzieht. Deren liebste Freizeitbeschäftigung scheinen ausladende Familienfeste zu sein. Obwohl er von ihnen auch dazu eingeladen wird, bleiben sie für Walt nur einige Wilde ohne Kultur und Manieren. Seine Aversion gegen alles Fremde resultiert nicht zuletzt aus Erfahrungen, die er seit dem Krieg in Korea mit sich herumträgt und über die er nur ungern spricht. Noch heute verfolgen ihn die Erinnerungen an das grausame Sterben auf dem Schlachtfeld. „Sie haben mehr über den Tod als über das Leben zu sagen“ bringt der junge Gemeindepfarrer (Christopher Carley) Walts emotionales Dilemma in einer Szene auf den Punkt. Die Situation spitzt sich zu, als er den Nachbarsjungen (Bee Vang) dabei erwischt, wie dieser Walts Heiligtum, den 1972er Gran Torino, zu entwenden versucht. Thao ist sichtlich eingeschüchtert von der Entschlossenheit des alten Herrn, der ihm unmissverständlich klar macht, dass die Sache mit dem Autoklau keine allzu gute Idee war.

„Gran Torino“ folgt wie schon Eastwoods letzte Arbeiten „Million Dollar Baby“ und „Der fremde Sohn“ den Regeln eines ruhigen, angenehm altmodischen Erzählkinos. Den gediegenen, atmosphärischen Bildern von Kameramann Tom Stern entgeht nichts. Und auch Eastwoods Spiel bleibt bei allen Anleihen an den bisweilen karikaturistischen Prototyp eines rassistischen Nörglers überaus nuancenreich und vielschichtig. Während seine Mimik meist an einen gewissen Harry Callahan erinnert, sind es die Augen, die verraten, was tatsächlich in ihm vorgeht. Nachdem Thaos ältere Schwester Sue (Ahney Her) ihn aus Dankbarkeit für seine Hilfe in einer misslichen Lage zu einer Familienfeier einlädt, bleibt Walt äußerlich gefasst. Doch in seinen Augen erkennt man, dass ihn der enge Zusammenhalt und das liebevolle Miteinander von Alt und Jung tief bewegt, gerade weil er etwas Vergleichbares in der eigenen Familie nie selber erfahren durfte.

An der Richtung, die „Gran Torino“ einschlägt, lässt der Film nie einen Zweifel aufkommen. Spätestens als Walt den unsicheren Thao unter seine Fittiche nimmt und so etwas wie väterliche Gefühle für den Jungen entwickelt, gerät sein aus unzähligen Vorurteilen zusammen gesetztes Weltbild ins Wanken. Am Ende ist es gar ganz eingestürzt, ohne dass Walt gleich ein vollkommen neuer Mensch wäre. Nach wie vor tut er das, was er für richtig erachtet – unbeirrbar und kompromisslos. Das führt zu einer sicherlich kontroversen Klimax, die auf elegante Art unsere eigenen Erwartungen unterläuft und gleichzeitig zutiefst berührt.

An Eastwoods Seite geben die beiden Nachwuchsdarsteller Bee Vang und Ahney Her in „Gran Torino“ ihr Filmdebüt. Dass es ihnen gelingt, neben Eastwood nicht wie bloße Stichwortgeber zu wirken, sagt viel über ihr Talent und ihren schauspielerischen Qualitäten aus. „Gran Torino“  ist ein kleiner, fokussierter Film mit einer klaren Agenda. Dabei ist er keinesfalls frei von Schwächen. Insbesondere Walts vergleichweise schneller Sinneswandel, sein plötzlicher Bruch mit rassistischen Ressentiments, erscheint nur bedingt glaubwürdig. Letztlich werden aber auch diese Kritikpunkte von Eastwoods Präsenz und der seiner jungen Mitstreiter aufgefangen. Harry mag in die Jahre gekommen sein. Er mag manches nun anders sehen. Ganz sicher schlägt sein Herz aber auch weiterhin für die Schwachen und Unterdrückten.

Marcus Wessel

Eine Trauerfeier in der Kirche. Walt Kowalski muss seine Frau zu Grabe tragen. Jetzt ist der betagte Kriegsveteran mit seinem Hund allein. Er bewohnt ein kleines Vorstadthaus. Amerikaner gibt es in der Gegend nicht mehr viele. Meist Fremde, Asiaten zum Beispiel. Aus dem früheren Indochina stammen auch Kowalskis Nachbarn, Angehörige des Hmong-Volkes. Es ist eine ganze Sippe, die sich da breit gemacht hat, mehrere Generationen, unter ihnen der junge Thao Lor und seine Schwester Sue Lor.

Kowalski tut nicht mehr viel. Rasen mähen, Bier trinken, ab und zu etwas reparieren, zum Friseur gehen, seinen Hund pflegen. Auf die Nachbarn ist der mürrische Alte nicht gut zu sprechen.

Thao wird von einer Gang, der auch sein Cousin angehört, animiert, Kowalskis herrlichen Oldtimer, einen „Gran Torino“, zu stehlen. Das wäre Thaos Initiation, um in die Bande aufgenommen zu werden. Der Versuch schlägt fehl. Kowalski ist auf der Hut.

Sein misanthropisches Verhalten steht in einem krassen Gegensatz zum Gastfreundschafts- und Nachbarschaftsgefühl der Hmongs. Ganz langsam nur entwickelt sich eine Beziehung, eine Freundschaft. Kowalski ist bereit, Thao eine Arbeit zu verschaffen und ihn vor allem vor der Bande zu schützen, die es auf den Jungen abgesehen hat. Er erteilt einigen der bösen Buben eine Lektion.

Die Rache lässt nicht lange auf sich warten. Sie wird sowohl an Thao als auch an Sue auf grausame Weise vorgenommen.

Kowalski muss und wird reagieren. Doch er tut es – noch immer von traumatischen Tötungserlebnissen aus seiner Teilnahme am Korea-Krieg verfolgt – im Verein mit einem jungen Priester ganz anders, als es gemeinhin zu erwarten gewesen wäre. Man ist konsterniert und berührt.

Kowalski ist vom Krieg gezeichnet, hat seine Frau verloren und ist alt. Kein Wunder, dass er einen eher depressiven Eindruck macht. Man meint längere Zeit, nur einen verbitterten Greis vor sich zu haben, der nur noch reklamiert und zudem seine Nachbarn nicht leiden kann. Clint Eastwood, der den Kowalski spielt, macht das sehr deutlich, oft mimisch zu deutlich.

Doch die Geschichte nimmt menschlich eine Wendung, die tief bewegt. Und so ist es letztlich ein sehr schöner Film geworden, auch wegen der erfrischenden Mitwirkung der Geschwister Sue (Ahney Her) und Thao (Bee Vang). „Das Opfer“ könnte der Film heißen.

Thomas Engel