Hemel

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Der mit dem Fipresci Award der Berlinale 2012 ausgezeichnete Film erzählt von einer jungen Niederländerin, die ziemlich gut darin ist, frech und gemein zu sein und täglich neue Männer aufzureißen. Kein „Feuchtgebiete“ auf Niederländisch, eher eine weibliche Version von „Shame“ mit einer intensiven Vater-Tochter-Geschichte und einer starken Hauptdarstellerin.

Webseite: www.hemel.wfilm.de

NL 2012
Regie: Sacha Polak
Buch: Eva Duijvestein, Helena van der Meulen
Darsteller: Hannah Hoekstra, Hans Dagelet, Rifka Lodeizen Länge: 83 Min.
Verleih: W-Film
Kinostart: 14.11.2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Hemel (Hannah Hoekstra) ist eine junge, zierliche, rot-blonde Niederländerin. Wir lernen sie provokant und spöttisch im Bett kennen, wo sie seinem Geschlechtsteil niedliche Kosenamen gibt, was die Stimmung prompt knickt. Die Frau, deren Namen auf deutsch Himmel bedeutet, ist teuflisch gut darin, hart und gemein zu sein. Zur enthaltsamen, religiösen Freundin des Stiefbruders, zur neuen Frau des Vaters und zu fast allen Männern, die sie Nacht für Nacht aufreißt. Aber wenn Hemel nackt, rasiert und ungeschützt auf dem Rücken liegt, wirkt sie auch sehr verletzlich.

Hemel sucht sich immer wieder neue Männer und schmeißt sie danach schnell aus dem Bett. Treu bleibt sie nur ihrem Vater Gijs (Hans Dagelet) in einem sehr innigen Verhältnis von Freundschaft, von Komplizenschaft bei schnell wechselnden Beziehungen. Dazu verbinden beide viele Berührungen, einmal trägt er sie auch nachts auf die Toilette. Hemels Mutter starb früh.

„Hemel“ zeigt sich direkt und un-verschämt wie seine Hauptfigur, ist zwar im Ausdruck vergleichbar, aber doch nicht „Feuchtgebiete“ auf Niederländisch. Außerdem kam der Arthouse-Erfolg schon mehr als ein Jahr früher heraus. „Hemel“ könnte man eher als weibliche Version von „Shame“ mit einer intensiven Vater-Tochter-Geschichte sehen.

Das Debüt von Sacha Polak erzählt bruchstückhaft in durch Zwischentitel getrennte Episoden, aber das sehr, sehr intensiv. Das in kaltes Licht getauchte Drama eines Himmels ohne Mutterliebe bleibt fragmentarisch und offen für Verbindungen, die der Zuschauer selbst ziehen kann. Etwa zwischen dem Selbstmord der Mutter und einer einsamen, wortlosen Szene auf einem Dach in Sevilla, nachdem Hemel von einer neuen Freundin des Vaters gehört hat und von einem Jungen erzählte, der sich (wirklich?) ein paar Stunden vorher vom Dach gestürzt hatte.

Die starke Wirkung des Films basiert vor allem auf dem Spiel der 1987 geborenen Hannah Hoekstra, die für ihre erste Rolle in einem Spielfilm direkt mit dem „Golden Calf“, dem niederländischen Filmpreis als „Beste Darstellerin“ 2012 gefeiert wurde. Hoekstra haut regelrecht um, sei es in einer kleinen Playback-Show zu einem niederländischen Schlager, die in eine brutale SM-Szene übergeht. Oder bei einem Flamenco-Moment in Sevilla und vielen anderen Facetten von Unsicherheit und Verletzung. Hemels Verhalten wurde interpretiert als das von Heranwachsenden, „die ihre Sexualität als Betäubung gegen Wachstums-Schmerzen gebrauchen, als Waffe und Panzer gegen all des Komplizierte und Bedrohende des Erwachsenen-Lebens“. Selbstverständlich kann Hemel im Gespräch mit der frischen Ex des Vaters nicht bestätigen, dass Sex nicht das Wichtigste ist. Nur dass die älteren Männer wissen, was gut für Hemel ist und was die echten Gefühle sind, ist ein etwas einfaches Element in diesem faszinierenden, ästhetisch wie psychologisch gelungenen Erstlingswerk mit einer besonderen Schauspielentdeckung.

Günter H. Jekubzik