Zumindest kann man Robert Zemeckis zugestehen, dass er den Mut hat, mit der Form zu brechen, und das in praktisch jeder Hinsicht. Er erzählt mit statischer Kamera von einem Ort – von der Zeit der Dinosaurier bis in die Jetztzeit, mit einem Haus, das an diesem Platz errichtet wird und den Menschen, die darin leben. Nur leider ist das vollkommen belanglos.
Webseite: https://dcmstories.com/movie/here/
USA 2024
Regie: Robert Zemeckis
Buch: Eric Roth, Robert Zemeckis
Darsteller: Kelly Reilly, Tom Hanks, Robin Wright
Länge: 104 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 12. Dezember 2024
FILMKRITIK:
Ein Fleckchen Erde. Anfangs sieht man die Dinosaurier und wie der Meteoreinschlag sie vernichtet, dann, wie sich die Vegetation erholt, schließlich, wie amerikanische Ureinwohner in diesem Wald ihre Liebe füreinander entdecken, wie William Franklins Haus gebaut wird, wie das Haus gebaut wird, von dem aus man Franklins Haus sehen kann, und wie die Menschen darin leben – von Anfang des 20. bis Anfang des 21. Jahrhunderts. Es wird geliebt, gestorben, gelebt. Aber das ist das eigentliche Problem: Die meisten Leben sind einfach eher langweilig, wenn man nur einen Blick auf das Innere eines Hauses, und hier eines Wohnzimmers, werfen kann.
Der Film basiert auf einer Graphic Novel. Dem trägt Robert Zemeckis insofern Rechnung, weil er technisch mit der Form spielt. Er zeigt ein Bild, dann macht er ein „Panel“ auf und zeigt das Geschehen lange davor oder danach. Immer wieder wechselt er und wirft einen Blick auf das Leben dieser Menschen. Die meisten bekommen nicht mal Namen, etwas mehr im Fokus stehen die Figuren von Tom Hanks und Robin Wright, deren Leben von der Teenager-Zeit bis zum Rentenalter nachgezeichnet wird. Mit Vignetten und Zeitsprüngen, die zwar Dramatik vorgaukeln, aber keine liefern.
Die Kamera ist immer statisch. Es ist so, als würde man einem Theaterstück zusehen. Entsprechend sind die Figuren auch immer im Fokus und die Gesichter nicht gar so gut zu erkennen. Mit Ausnahme der beiden großen Stars Hanks und Wright, die Zemeckis häufig im Vordergrund und damit direkt vor der Kamera positioniert. Es gibt das ganze menschliche Drama. Liebe, Krankheit, Streitigkeiten, große und kleine Momente und den Tod. Das auch gerne mehrmals. Manche Vignetten sind ausgesprochen plakativ – etwa die Alzheimer- und Corona-Episödchen –, andere bleiben unter ihren Möglichkeiten.
Dieser kurze Blick auf verschiedene Leben über viele Jahre hinweg wartet nur mit der Erkenntnis auf, dass das Leben der meisten Menschen eigentlich langweilig ist. Wer möchte schon freiwillig zusehen, was zwei x-beliebige Menschen in ihrem Wohnzimmer zu besprechen haben?
Die grundsätzliche Idee mag ja sogar gut sein, die Umsetzung wird ihr dann aber nicht gerecht. Weil keine Geschichte erzählt wird. Es geht um Belanglosigkeiten, am Ende gibt es keine Aussage, die Zemeckis treffen will. Was soll man aus diesem Film mitnehmen? Dass sich die Gesellschaft ändert, dass aber die grundsätzlichen Elemente doch immer gleichbleiben? Dass zu viele Menschen ihre Träume aufgeben (müssen), um ihre Brötchen zu erwerben? Dass im Grunde am Ende alles sinnlos ist? Das Einzige, was bleibt, ist ein Ort. Das Haus. Das Wohnzimmer. Im Verlauf von gut 100 Minuten beginnt man es zu hassen.
Im Jahr 1978 veröffentlichte Jim Morrison mit den Doors seinen Song „The Movie“. Darin heißt es: „The program for this evening is not new. You've seen this entertainment through and through. You've seen your birth your life and death. You might recall all of the rest. Did you have a good world when you died? Enough to base a movie on?“ Daran muss man unweigerlich denken, wenn man „Here“ sieht. Die Leben, die hier porträtiert werden, waren sie groß genug, um als Grundlage für einen Film zu dienen. Nicht mal im Ansatz.
Peter Osteried