Hippie Masala

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Der Dokumentarfilm von Ulrich Grossenbacher und Damaris Lüthi zeigt sechs Aussteiger, die vor über 30 Jahren nach Indien auswanderten. Ob Asket, Bauer, Maler oder Schneiderin – so unterschiedlich und vielfältig die Lebenswege der Protagonisten sind, so  abwechslungsreich ist auch der Film, der eine Gruppe von charismatischen Personen vor der Kamera versammelt, die durchaus selbstkritisch von ihrem Aussteigerdasein erzählen.

Webseite: koolfilm.de

Schweiz 2006
Regie: Ulrich Grossenbacher & Damaris Lüthi
93 Minuten
Verleih: Koolfilm
Start: 30.8.2007

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Langsam, bedächtig und mit gebeugtem Körper watet der Asket durch den kleinen Fluss. Um die Hüften spannt locker ein rosafarbenes Tuch, seinen sehnigen Kö rper taucht er kurz unter, die turmhoch geflochtenen Dreadlocks sollen nicht nass werden. Als er nach dem kurzen und erfrischenden Bad aus dem Wasser steigt, schicken seine Hände  einen kurzen Gruß  gen Himmel an Shiva, den Gott der Hindus. Der Mann sieht aus wie ein indischer Guru, dabei heißt er Cesare und kommt aus Italien – seit über 30 Jahren lebt er mittlerweile in Indien.  
 
„Dahinten unter dem Baum habe ich zwei Jahre verbracht“, sagt er und zeigt mit dem Zeigefinger in den Garten, „und in dem Gebüsch daneben hab ich auch ein Jahr gelebt.“  Cesare wurde als asketischer Yogi in einer Höhle zum Inder, jetzt verbringt er seine Zeit in einer kleinen Hütte mitten im Wald. Tagsüber pflückt er Blüten, meditiert oder raucht erlesene Gräser. „ Alle großen Hindu-Gurus waren auch exzellente Kiffer“, beteuert er mit einem Lächeln. Seine Meditationsfreunde lachen ebenso, einer von ihnen sieht Johnny Depp alias Jack Sparrow aus den „Fluch der Karibik“ -Filmen erstaunlic ähnlich. Cesare wird nicht wieder nach Italien zurückkehren, doch auf seinen kleinen Espresso am Nachmittag kann er dennoch nicht verzichten.  

Der Italiener ist einer von sechs Aussteigern, die sich vor vielen Jahren in Indien niedergelassen haben und von den beiden Schweizer Regisseuren Ulrich Grossenbacher und Damaris Lüthi für ihrem Film „Hippie Masala – Für immer in Indien“ porträtiert werden. Wie viele andere sind sie im Zuge der Hippiebewegung Ende der Sechsziger und Anfang der Siebziger ausgewandert, doch während die meisten irgendwann wieder zurü ckkehrten, fanden sie hier eine neue Heimat. Wer die Bilder auf der Leinwand sieht, versteht schnell warum. Abseits des Großstadtlärms von Mumbai oder Neu-Delhi  folgen die Zuschauer den Aussteigern in den indischen Dschungel, hinauf auf pittoreske schneebedeckte Berglandschaften und bis an die Traumsträ 8ande von Goa. Dort verkaufen die sü dafrikanischen Zwillinge Erica und Gillian einmal die Woche selbst entworfene Kleidung auf dem Hippiemarkt fü r die vielen Traveller und Touristen. In jeder Szene sieht man sie entspannt Wein oder Bier trinken, sie scheinen zufrieden mit ihrem Leben zu sein. Hanspeter aus Emmental hat sich dagegen in den Bergen seine eigene kleine Schweiz gebaut –  am Chalet wird noch gewerkelt, auf dem kleinen Bauernhof hat er Kühe, Hunde und Katzen, gesponsert wird er vom wohlhabenden Vater in der alten Heimat. Doch trotzdem ist er mü rrisch, denn er beklagt, dass ihn die Inder selbst nach 30 Jahren immer noch nicht vollständig akzeptiert haben: „Freundlich sind sie, aber nicht gastfreundlich“. 

Robert, ein Maler aus Holland, lebt bereits in zweiter Ehe in Indien. Früher experimentierte er viel mit Drogen und fand hier das Paradies, bis er Schwierigkeiten mit der Polize i und der Regierung bekam, ausgewiesen wurde und schließ lich ohne Papiere wieder illegal einreiste. Seinen Frieden scheint er gefunden zu haben. 

Ulrich Grossenbachers und Damaris Lüthis Film ist dennoch keine verklärte Romantisierung früherer Hippie-Aussteigerträume und keine Heraufbeschwörung vergangener Ideale. Ihre Beobachtungen sind sehr nü chtern und fangen viele selbstkritische Äußerungen ein, so als ob der Traum von ewiger Freiheit schon lange ausgeträumt sei. Diese Aussteiger trauer n zweifellos ihren vergangenen Tagen hinterher, und niemand scheint das ersehnte, vollkommene Glück gefunden zu haben. Ein sehenswerter Film mit sehr charismatischen Protagonisten, denen man gerne bei ihren Geschichten zuhört.  

David Siems