Bei der Weltpremiere auf dem Filmfest Zürich wurde dieses Debüt gefeiert und prämiert. In der österreichischen Heimat gab es gleichfalls prominente Preise für das bewegende Drama. Erzählt wird von einem sensiblen Außenseiter in einem Bergdorf in Tirol. Als wäre es nicht schon schwer, seine sexuelle Orientierung auszuleben, wird der junge Held zum Zeugen eines Terroranschlags mit fatalen Folgen. Spannend erzählt. Sehr überzeugend gespielt. Atmosphärisch dicht inszeniert sowie exzellent fotografiert: So geht Heimatfilm anno 2021!
Webseite: http://salzgeber.de/film
Österreich 2020
Regie und Drehbuch: Evi Romen
Darsteller: Thomas Prenn, Noah Saavedra, Josef Mohamed, Ursula Scribano-Ofner, Elisabeth Kanettis, Katja Lechthaler, Helmuth Häusler,
Filmlänge: 108 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 7.10.2021
AUSZEICHNUNGEN:
Zürich Film Festival 2020: Goldenes Auge für den besten Film in der Sektion Fokus
Großer Diagonale-Preis des Landes Steiermark: Bester Spielfilm
FILMKRITIK:
„In Wien sind alle schwul!“ - „Aber bei uns hier nicht“, so unterhalten sich Mario und Lenz kichernd und kiffend im verschneiten Auto vor der jährlichen Weihnachtsfeier im beschaulichen Bergdorf. Die beiden sind Jugendfreunde. Während Lenz (Noah Saavedra) als Sohn adeliger Weinbauern sein Glück als Schauspieler in der Großstadt versucht, muss Mario (Thomas Prenn) sich mit diversen Jobs im Dorf über Wasser halten. Beim Metzger bekommt er Lohnzuschlag, wenn er ihm nach der Arbeit noch sexuell gefügig ist. Sein kleines Glück findet der sensible Mann beim ekstatischen Disco-Tanz allein, da kann er sich samt schriller Klamotten in der Turnhalle voll ausleben. Im Dorf wird der Außenseiter geduldet, von manchen mehr, von anderen weniger.
Der spontane Besuch bei Lenz in Rom endet im Fiasko: Mario wird Zeuge eines Terroranschlags durch Islamisten. Das fatale Ereignis hat gravierende Folgen. Die Dorfbewohner reagieren zunehmend misstrauisch auf den Außenseiter. Dass Mario drunten im Tal sich ausgerechnet mit einem Moslem anfreundet, bleibt auf dem Berg nicht lange verborgen. Die Stimmung droht bedrohlich zu kippen…
Die österreichische Produktionsfirma „Amour Fou“ („Styx“, „Angelo“) wird ihrem Ruf als rigorose Filmkunstschmiede einmal mehr gerecht. Mit einem komfortablen Drehbuchpreis im Rücken, präsentiert Evi Romen in ihrem Regie-Debüt einen Heimatfilm, bei dem nicht viel übrig bleibt von der Idylle in den Alpen. Mehr und mehr bröckeln da die Fassaden, allerlei Geheimnisse und diverse Tabus kommen ans Tageslicht. „Die Doppeldeutigkeit ist die wichtigste Sprache in einem Dorf. Sie ist der Code, mit dem man sich in solchen Gemeinschaften bewegt“, erläutert die Regisseurin. „Jeder weiß es und keiner sagt etwas. Natürlich weiß man, dass Homosexualität im Raum steht, aber es bleibt ein Tabu.“
Bildgewaltig geht es zu in dieser mosaikhaften Dorfstudie und schwulen Lovestory voller Hindernisse. Atmosphärisch dicht und mit psychologischer Präzision entwickelt sich ein bewegendes Drama voller Überraschungen. Noah Saavedra aus „O Beautiful Night“ gibt einmal mehr das coole Model, das allemal gut für Parfümreklame taugte. Derweil Thomas Prenn aus „Biohackers“ weitaus emotionaler als charismatisches Sensibelchen mit allerlei Geheimnispotenzial auftritt. Der Trophäen-Regen für dieses außergewöhnlich gelungene Debüt dürfte weitergehen: Neun Nominierungen gibt es bereits für den Österreichischen Filmpreis - mehr geht kaum!
Dieter Oßwald