Hochzeitspolka

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Ein deutscher Geschäftsführer mit Rocker-Vergangenheit verliebt sich in der polnischen Provinz in eine junge Frau. Als die Hochzeit des Paares unmittelbar bevorsteht, schauen die alten Bandkollegen plötzlich vorbei. „Hochzeitspolka“ handelt davon, was passiert, wenn unterschiedliche Mentalitäten, Ansichten und Vorurteile aufeinander prallen. Gleichzeitig schildert die deutsch-polnische Co-Produktion in amüsanter Weise das Gefühls- und Identitätschaos eines unsicheren Mittdreißigers. Christian Ulmen füllt die ihm zugedachte Rolle einmal mehr mit Bravour aus.

Webseite: www.x-verleih.de

Deutschland 2010
Regie: Lars Jessen
Darsteller: Christian Ulmen, Katrzyna Maciag, Fabian Hinrichs, Waldemar Kobus, Lucas Gregorowicz, Jens Münchow
Verleih: X Verleih
Kinostart: 30. September 2010
90 Minuten
 

PRESSESTIMMEN:

Sehr sehenswert.
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Das Verhältnis von Deutschen und Polen, so entspannt es inzwischen sicherlich ist, wäre ohne die gegenseitigen Vorurteile und Klischees kaum vorstellbar. Jede Seite glaubt ganz genau zu wissen, was sie von der jeweils anderen zu halten hat. Dabei sieht die Realität meist anders aus. Ausgehend von dieser Beobachtung lässt die deutsch-polnische Co-Produktion „Hochzeitspolka“ in der polnischen Provinz Deutsche und Polen aufeinander treffen – mit zumindest für uns Zuschauer amüsanten Folgen. Die Begegnung verläuft nämlich turbulenter, als sich das der heiratswillige Frieder (Christian Ulmen) im Vorfeld so vorgestellt hatte. Eigentlich hoffte er sogar, es würde nie zu einem derartigen nachbarschaftlichen „Clash of Cultures“ kommen.

Frieder selbst stammt aus der norddeutschen Einöde. Zusammen mit seinen Kumpels hat er als Sänger der legendären „Heide Hurricanes“ einst jeden Festsaal und jede Kaschemme nördlich von Itzehoe zum Kochen gebracht. Doch dann verschlägt es ihn nach Polen, wo ihm der Posten des Geschäftsführers einer kleinen Fabrik übertragen wird. Drei Jahre später ist aus dem Rocker fast schon ein Vorzeige-Spießer geworden. Seine Hochzeit mit der schönen Polin Gosia (Katarzyna Maciag) steht unmittelbar bevor, da soll er seinen Angestellten verkünden, dass die Fabrik geschlossen und die Produktion aus Kostengründen in die Ukraine verlegt wird. Als wäre diese Aufgabe nicht schon unangenehm genug, schauen just in diesem Moment auch noch seine alten Bandkollegen unangemeldet in Polen vorbei.

Für Christian Ulmen bietet dieser Frieder eine perfekte Spiel- und Projektionsfläche. Der Schauspieler stellt hier einmal mehr sein Talent für tragikomische, dabei aber stets glaubhafte Charaktere unter Beweis. Frieder ist hin- und hergerissen zwischen seiner bewegten Vergangenheit und seiner neuen Aufgabe als Ehemann, bei der er einem durchaus konservativen Rollenbild zu entsprechen hat. Jedenfalls erwartet seine polnische Verwandtschaft, dass er den Job als Familienoberhaupt wie selbstverständlich annimmt. Die vorgezogene Midlife-Crises eines Ü-Dreißigjährigen ist jedoch nicht das einzige Problem, das er dabei zu managen hat. Auch die zahlreichen Missverständnisse zwischen der polnischen und der deutschen Seite halten Frieder auf Trab.

Das Autoren-Trio aus Ingo Haeb, Przemyslaw Nowakowski und Regisseur Lars Jessen nimmt sich des Nachbarschaftsthemas wunderbar unverkrampft an. So finden sich viele durchaus böse Pointen, die bis heute weit verbreitete Vorurteile aufs Korn nehmen und diese offen ansprechen. Die Deutschen müssen sich mit Nazi-Anspielungen herumschlagen, die Polen mit dem von Frieders Eltern erhobenen Vorwurf der Kulturlosigkeit. Dass beide Seiten somit gleichermaßen ihr Fett wegbekommen, ist sicherlich auch einer gewissen politischen Korrektheit geschuldet.

Auch wenn „Hochzeitspolka“ immer mit mehr als nur einem Auge auf die deutsch-polnischen Befindlichkeiten schielt, so lässt sich der Film doch nicht auf dieses eine Thema reduzieren. Die anfangs abgekühlte Männerfreundschaft zwischen dem Auswanderer und seinen alten Kumpels ist ebenso wie Frieders jederzeit spürbare Verunsicherung von Bedeutung. Zum Ende hin fahren Jessen und sein Co-Regisseur Przemyslaw Nowakowski dann auch den Comedy-Anteil merklich zurück. Ihren Helden entlassen sie mit einer gewissen Zuversicht in eine ungewisse Zukunft und uns Zuschauer mit dem Gefühl, etwas mehr über einen doch gar nicht so anderen Nachbar erfahren zu haben.

Marcus Wessel

Bislang war Lars Jessen in erster Linie als Spezialist für norddeutsche Befindlichkeiten bekannt. In seinem neuen Film versucht er seinen Blick zu erweitern und zwar ins dörfliche Polen. Dort entwickelt sich um den Norddeutschen Exilanten Frieder ein Clash der Kulturen, der Vorurteile auf beiden Seiten entlarvt, angesichts der für Jessen ungewohnten Kultur aber auch manches Mal in Klischees abdriftet.

Backstage bei einem Konzert: Jonas (Fabian Hinrichs) beschreibt seinem Kumpel Frieder (Christian Ulmen) das Jobangebot: Eigenes Auto, Sekretär, ein unbeschwertes Leben in Polen. Doch es ist nicht Jonas, der die Musik an den Nagel hängt und zum biederen Geschäftsmann wird, sondern Frieder. Dieser kurze Moment zu Beginn von Lars Jessens „Hochzeitspolka“ soll als Charakterisierung genügen, im Laufe des Films wird jedoch deutlich, dass schon hier die Anlage für die Leere im Zentrum der Geschichte liegt. Warum Frieder tut was er tut, wie er in Polen an eine unfassbar hübsche Braut kommt, wieso seine alten Bandkollegen am Tag seiner Hochzeit vor der Tür stehen, vor allem aber warum Jonas so eine Wut auf Frieder hat, all das bleibt im Dunkeln. Sicher, es geht um Entfremdung zwischen Freunden, unterschiedlichen Lebenswege, vielleicht auch um Neid und Eifersucht. Aber wirklich schlüssig sind die Figuren ebenso wenig wie die befremdlichen Vorurteile, die sowohl die deutschen Besucher in Polen, als auch die Polen selbst mit sich rum schleppen. Zumal der gewählte Tonfall weniger der einer überdrehten Satire ist, als der einer nachdenklichen Komödie mit allegorischen Momenten.

So entwickelt sich die Geschichte eher schleppend. Frieder steht kurz vor der Hochzeit mit der reizenden Gosia, ist im Dorf, nahe der polnischen Ostgrenze, heimisch geworden und Geschäftsführer einer mehr oder weniger erfolgreichen Fabrik. Doch das Glück steht kurz vor dem Ende: Selbst die polnischen Arbeiter sind nicht mehr billig genug, weswegen die Fabrik in die Ukraine verlegt werden soll. Das aber will Frieder erst nach der Hochzeit bekannt geben, nichts soll den Festtag stören. Doch dem machen die alten Freunde einen Strich durch die Rechnung, dank viel Alkohol, Übersetzungsproblemen und allerlei anderen Problemen.

In seinen besten Momenten ist „Hochzeitspolka“ eine gelungene Klamotte, mit viel physischer Komik, vor allem aber einem pointierten Aufeinanderprallen zweier Kulturen, die durch ihre gemeinsame Geschichte untrennbar verbunden sind. Doch letztlich laufen die satirischen Ansätze ins Leere, ebenso wie manche Volten, die das Drehbuch schlagen muss, um Konflikte zu kreieren und wieder zu lösen. Allein die Schauspieler können durchweg überzeugen, allen voran Christian Ulmen, der einmal mehr den leicht verunsicherten Helden spielt, der weniger durch eigene Aktivität, als betonte Passivität in chaotische Situationen gerät. Bleibt nur zu hoffen, dass „Hochzeitspolka“ nicht der letzte Versuch ist, sich auf komödiantische Weise mit dem schwierigen deutsch-polnischen Verhältnis zu beschäftigen. Trotz mancher interessanter Ansätze und schöner Momente ist in diesem Feld jedenfalls noch einige Luft nach oben.

Michael Meyns

Frieder Schulz ist seit langem Mitglied einer Provinz-Rockband in Norddeutschland. Der Rock, der Alkohol und die Mädchen, das waren – in dieser Reihenfolge – bisher die Fixpunkte in seinem Leben.

Jetzt erhält er vom Chef der Firma, in der er arbeitet, den Auftrag, die Geschäftsstelle eines Zweigwerkes in Polen zu leiten. Immerhin die Möglichkeit, aus dem doch eintönigen Landleben auszusteigen.

Der Haken an der Sache: Das Zweigwerk soll in absehbarer Zeit geschlossen werden – was Frieder jedoch niemandem verrät, auch den betroffenen Arbeitern nicht.

Drei Jahre sind vergangen. Frieder Schulz ist ein anderer geworden, ein Firmenchef beispielsweise. Er liebt Gosia. Sie liebt ihn. Die beiden wollen heiraten. Das Haus, das sie beziehen werden, ist zumindest halb fertig. Es ist der Vorabend des Hochzeitstages. Die Verwandten und Bekannten sitzen gemütlich beieinander.

Da stehen zu allem Unglück die früheren Band-Kumpels Jonas (Sohn des Chefs von Frieder), Paul, Knack und Manni vor der Tür. Sie sind 1000 Kilometer gefahren und haben eine alte Freundin mitgebracht, die auf einem ausgelassenen Polterabend für Frieder einen Strip hinlegen soll.

Höchste Gefahr. Die polnischen Gäste werden durch die deutschen Saufbrüder verdrängt; Autos werden zu Schrott gefahren; die Bandmitglieder stören grölend die Trauungszeremonie; die Polen geraten an die Deutschen; die Deutschen geraten an die Polen; alte Vorurteile werden hervorgeholt; Gosia bekommt Zweifel; der Plan, dass das polnische Zweigwerk bald geschlossen werden soll, fliegt beinahe auf; zwischen Jonas und Frieder bricht ein Streit aus; es kommt zu einer Schlägerei; Gosia flüchtet zu einem Freund; fast wären die Abschiedsszenen endgültig – aber natürlich nur fast.

Ein gut geschriebenes Drehbuch und eine ebenfalls flott inszenierte Komödie mit einigem Witz, mit passenden Handlungsfäden, mit etwas Skurrilität, mit einer gehörigen Portion Klamauk auch, mit Derbheit und manchen pointierten Dialogen. Das ist die eine Seite.

Die andere: das Spiel mit den Vorurteilen und Klischees, die seit Urzeiten zwischen Deutschen und Polen herrschen. Diese Themenstellung und deren Abhandlung sind auf meist ironische Weise geglückt.

Sowohl die deutsche als auch die polnische Seite stellten Schauspieler, die ihr Handwerk beherrschen, zum Beispiel Christian Ulmen (Frieder Schulz), Katarzyna Maciag (Gosia) oder Fabian Hinrichs (Jonas).

Thomas Engel