Home Entertainment

Ein Paar plant einen entspannten Filmabend zu zweit – doch aus dem gemütlichen Chillen auf dem Sofa wird ein unerwartet kompliziertes Unterfangen. Die Beiden stolpern in ein Labyrinth aus Streaming-Müdigkeit, Reizüberfluss und technischer Pannen – nur um festzustellen, dass das Problem eigentlich sie selbst sind. Die mit Mini-Budget realisierte Indie-Dramödie „Home Entertainment“ ist eine geistreiche, kluge Abhandlung über Paardynamiken und zeigt auf pfiffige Art die Auswirkungen von Entscheidungsstress, Überangebot und Bequemlichkeit.

 

Über den Film

Originaltitel

Home Entertainment

Deutscher Titel

Home Entertainment

Produktionsland

DEU

Filmdauer

85 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Brüggemann, Dietrich

Verleih

Zorro Medien GmbH

Starttermin

15.01.2026

 

Florian (Joseph Konrad Bundschuh) und Marie (Nadine Dubois) wollen den Abend gemütlich zusammen verbringen. Doch das Paar verliert in der digitalen Welt der überfüllten Streaming-Kataloge und virtueller Bezahlhürden bald den Überblick. Und schließlich gibt die Fernbedienung noch den Geist auf. Immer planloser und konfuser wird es, als plötzlich die Nachbarin vorbeikommt, ein befreundetes Paar aufkreuzt und spät in der Nacht auch noch die Polizei auf der Matte steht.

„Home Entertainment“ ist die meiste Zeit ein Zwei-Personen-Stück, das mit Sicherheit auf einer Theaterbühne ebenso gut funktionieren würde wie im Kino. Oder, anders formuliert: Der über weitreichende Kino- und TV-Erfahrung verfügende Regisseur Dietrich Brüggemann („Tatort“, „3 Zimmer/Küche/Bad“) schafft es hervorragend, in „Home Entertainment“ echtes Bühnen-Feeling aufkommen zu lassen. Gründe dafür sind das reduzierte, kammerspielartige Setting (Hauptschauplatz ist das Wohnzimmer) und die vordergründig simple Handlung, die bei genauerem Hinsehen allerdings gar nicht so simpel ist – doch dazu später mehr.

Hinzu kommt die Tatsache, dass weite Teile der Handlung in Echtzeit ablaufen und die – ohnehin geringen – Zeitsprünge überschaubar sind. Das gesamte Szenario spielt sich vermutlich innerhalb weniger Stunden, zumindest aber an einem Tag, ab. Und dann wäre da noch der Fokus auf die beiden Hauptdarsteller Bundschuh und Dubois, die unmittelbar und glaubhaft wie auf einer Bühne agieren. Nur dass sie hier die meiste Zeit auf einem riesigen, beigen Sofa liegen. Sie manövrieren den Zuschauer mitten hinein in ihren Mikrokosmos aus Missverständnissen und divergierenden Vorstellungen hinsichtlich der Abendgestaltung.

Florian und Marie verlieren sich dabei vollends in repetitiven Auseinandersetzungen und Problemen, die eigentlich keine sind. First-World- oder Wohlstands-Probleme könnte man dazu sagen. Aber sie sind nun einmal Bestandteil oder vielmehr das Thema dieser ganzen oberflächlichen, zwischenmenschlichen Meinungsverschiedenheiten – im digitalen Zeitalter mehr denn je. Bei Brüggemann ist es der mediale Überfluss, der den Stein ins Rollen bringt.

Wer kennt es nicht: Vor dem Film steht die Wahl des Essens. Die in „Home Entertainment“ thematisierte und sich durch das gesamte Werk ziehende „Entscheidungsproblematik“ zeigt sich erstmals so richtig bei der Frage nach dem „richtigen Abendmahl“. Lieber Kochen oder Bestellen? Lieber Pizza, Thai, vietnamesisch, libanesisch oder doch eher Sushi? Die Qual der Wahl.

Hat man sich endlich entschieden, geht es munter weiter mit der Unfähigkeit der Protagonisten, schnell und gemeinschaftlich zu einem Urteil zu gelangen. Die Google-Bewertungen der Anbieter werden verglichen, ebenso die Entfernung zum eigenen Wohnort. Zwischen unsinnigen, zeitfressenden Abwägungen und Vergleichen, in denen Gutscheincodes, Dating-Börsen und instabile Lieferservice-Apps weitere Rollen spielen, zieht die Zeit ins Land. Die eigentliche Hürde ist dann aber die Suche nach dem passenden Film. Florian und Marie durchforsten etliche Streaming-Portale, lesen sich die Handlungen (halb) durch, fangen einen Film an – nur um doch wieder abzubrechen.

Hinzu kommen technische Probleme wie instabiles Internet oder ein fehlender Login für einen bestimmten Streaming-Dienst. Am Ende landet man, kein Witz, beim antiquierten Medium DVD – doch auch dabei wird es nicht bleiben. Man kommt nicht um ein verschmitztes Lächeln umhin, wenn man diese belanglosen, aber so nahbaren und heiteren, alltäglichen Kontroversen dieses deutschen Durchschnittspaares beobachtet. Den meisten von uns dürfte einiges davon ziemlich bekannt vorkommen.

Bundschuh und Dubois gelingt es, auf wahrhaftige und sensible Weise die Gefühle ihrer Figuren darzustellen. Denn hinter all diese kleinen Reibereien und harmlosen Scharmützeln stehen tieferliegende, lange unausgesprochene Themen und Ängste. Und damit wären wir bei der zu Beginn angesprochenen Vielschichtigkeit hinter der nur scheinbaren Simplizität und Einfachheit des Films. Denn „Home Entertainment“ ist nicht zuletzt deshalb ein extrem menschlicher Film, da er die inneren Befindlichkeiten und Konflikte eines im Kern miteinander unzufriedenen Paares langsam offenlegt. Es geht um tief sitzende Verlustängste, Eifersucht, Routinen, (vermutlich) einen Mangel an gemeinsamer Zeit. Die ziemlich große emotionale Entfremdung zwischen den Beteiligten ist jedenfalls deutlich spürbar.

 

Björn Schneider

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