Hotel Very Welcome

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Fünf Rucksacktouristen reisen durch Asien auf der Suche nach sich selbst, der ultimativen Party, Liebe und dem richtigen Anschlussflug...
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Die als Rucksacktouristen durch Südostasien und Indien reisenden jungen Menschen in Sonja Heiss’ beobachtendem Film erleben dabei vor allem sich selbst. Fern der Heimat sind sie mit der Wirklichkeit ihres eigenen Lebens konfrontiert – und sich plötzlich ihrer Hilf- und Ratlosigkeit bewusst. Obwohl die geschilderten Ereignisse von „Hotel Very Welcome“ wie Klischees erscheinen, dank seines ironischen Blicks auf die Suche einer globalisierten Jugend nach sich und ihrem Platz in dieser Welt nimmt einen dieser Film auch im heimischen Kinosessel mit auf eine ähnliche Reise.

Webseite: www.hotelverywelcome.de

Deutschland 2007
Regie: Sonja Heiss
Darsteller: Eva Löbau, Svenja Steinfelder, Chris O’Dowd, Ricky Champ, Gareth Llewelyn
90 Minuten
Verleih: Kinowelt
Kinostart am 29.11.07

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Man könnte sich „Hotel Very Welcome“ durchaus als Dokumentarfilm vorstellen. Die gespielten und teils auch improvisierten Situationen und Erlebensmuster der fünf gezielt ausgewählten Darsteller sind so was von typisch für das Low-Budget-Reisen in fremden Kulturkreisen. Wer selbst schon mit dem Rucksack von Backpacker-Hostel zu Hostel gezogen ist, wer Flüge umbuchen musste, sich bei der Suche nach dem richtigen Bus fortwährend Missverständnissen ausgesetzt sah, in der Begegnung mit anderen Reisenden auf einen netten Urlaubsflirt hoffte oder der ständigen Anwesenheit des besten Freundes überdrüssig wurde – kann die Ereignisse von „Hotel Very Welcome“ sehr gut nachvollziehen.
Sonja Heiss ging es in ihrem Abschlussfilm für die HFF München nicht um möglichst exotische und somit schön zu filmende Urlaubsansichten (die es gleichwohl aber trotzdem gibt). Es ging ihr auch nicht darum, das bunte Reisevolk vor die Kamera zu bitten und von dessen jeweiliger Motivation eines solchen, oft mehrere Monate dauernden Trips zu erzählen. Ganz im Geist des Sich-Treiben-Lassens entwickeln sich die vier Stränge dieses Films, von denen zwei am Ende zusammenlaufen, ganz von alleine und bringen dabei sehr präzise das Typische dieses Individualtourismus-Phänomens mit eingebauter Sinnsuche auf den Punkt.

Reisen kann vieles sein. Den einen ist es Entspannung vom Alltag, auf andere Gedanken kommen, die Freiheit genießen. Andere wiederum suchen das Abenteuer, den Kick des Ungewöhnlichen, vielleicht gar jenen Moment, der ihr Leben verändern könnte – oder diesem zumindest neue Impulse gibt. Auch die Protagonisten von „Hotel Very Welcome“ sind, so weit das überhaupt zur Sprache kommt, aus ähnlichen Gründen unterwegs. Den Iren Liam (Chris O’Dowd) etwa treibt eine bevorstehende Vaterschaft nach einem One-Night-Stand zu Hause in Irland um, seine Art zu Reisen gleicht hingegen mehr einer Hatz von Ort zu Ort, wobei nur wichtig scheint, dass es jeweils etwas zu Kiffen gibt. Die Deutsche Marion (Eva Löbau, bekannt aus „Der Wald vor lauter Bäumen“) sucht in einem indischen Meditationszentrum nach Klarheit in Beziehungsfragen, kann aber offenbar nicht loslassen und hängt immer wieder am Telefon mit dem Freund.

In der sich am köstlichsten entwickelnden Geschichte spielt ebenfalls das Telefon eine wichtige Rolle. Greift Svenja (Svenja Steinfelder) anfänglich noch wegen eines verpassten Anschlussflugs zum Hörer, ist das Telefonat mit dem Reisevermittler bald schon ihr einziger Kontakt während des unfreiwilligen Aufenthalts in Bangkok – und zudem noch ein treffliches Beispiel für die Schwierigkeit einer einwandfreien Kommunikation in fremden Ländern. Zwischenmenschliche Spannungen thematisiert die Episode der beiden durch Thailand reisenden Engländer Joshua (Ricky Champ) und Adam (Gareth Llewelyn). Dass der eine offenbar ohne Reisekasse aufgebrochen und nun vom Reisegefährten abhängig ist, führt zu kleinen Machtspielchen, die die Freude am Urlaub und Partytreiben trüben und die Freundschaft belasten.

Deutlich wird in diesen Geschichten auch, dass längst nicht mehr überall von Individualtourismus die Rede sein kann. Selbst Liam, der sich für ein paar Tage mit einem Kamelführer in die Wüste wagt, ist doch nur ein Kunde einer touristischen Dienstleistung, die Exotik und Abenteuer vermitteln soll. Dank einer gekonnten Kameraarbeit, die auch eine gezielte Farbgebung je nach Seelenzustand der Figuren mit einschließt, wird immer wieder auch das Gefühl des Alleinseins in der Masse offenbar – bei der Raveparty am Strand etwa.

Obwohl die Protagonisten als Charaktere mit einer entsprechenden Hintergrundbiografie angelegt sind, sie sich aber ausschließlich über die wenigen gesprochenen Worte und Handlungsweisen definieren, bieten sie doch ausreichend Identifikations-, bzw. Wiedererkennungspotenzial. Die Leichtigkeit und der Witz, mit der die teils problembelasteten und mosaikartig zusammengesetzten Geschichten von Sonja Heiss erzählt werden, beschreiben den Kosmos des Reisens auf eine nachdenklich heitere Weise.

Thomas Volkmann

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Der Rucksacktourismus ist ein modernes Massenphänomen. Man will die Welt sehen, man will etwas zu erzählen haben, die billigen Flugpreise nutzen, Urlaub, Urlaub, Urlaub unter allen Umständen herausholen, mehr erlebt haben als andere oder auch innere Erfahrungen sammeln, Einsamkeit ausprobieren.

Sonja Heiss hat sich selbst so auf den Weg gemacht und einen dokumentarischen Spielfilm heimgebracht. Er handelt von Liam, der deshalb in die Wüste abgehauen ist, weil er bei einem One-Night-Stand ein Kind zeugte, das er eigentlich nicht will. Von Svenja, die in einem Hotelzimmer irgendwo in Thailand oder Indien dringend einen Weiterflug sucht, aber über einen Telefonflirt mit dem einheimischen Reisebüroangestellten am anderen Ende der Leitung nicht hinauskommt. Von Marion, die eine Auszeit von ihrem Freund erlebt und in Poona einen esoterischen Ausweg sucht – mit Meditation, Aussprache, Tanzen und Schwimmen. Von Adam und Ricky, die eine Fernost-Tour gemeinsam versuchen, aber nicht viel mehr zustande bringen als Entfremdung.

Typische Backpacker-Begebenheiten, von der Regisseurin nachvollziehbar, humorvoll, ziemlich echt geschildert. Die Erlebnisse der Fünf werden nicht dramaturgisch zusammengeführt, sondern separat erzählt, aber doch durch eine geschickte Montage irgendwie verbunden.

Ein ständig wachsender Teilaspekt des Lebens der modernen Jugendlichen oder Aussteiger, den man mit einem gewissen Interesse zur Kenntnis nimmt. Größtenteils lebendig und ziemlich originell.

Thomas Engel