How to Have Sex

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Zwischen feuchtfröhlicher Urlaubsstimmung und beklemmender Verlorenheit: In ihrem Spielfilmdebüt „How to Have Sex“ folgt die bislang vor allem als Kamerafrau in Erscheinung getretene Molly Manning Walker einer jungen Britin auf einen Ferientrip nach Griechenland, bei dem die Teenagerin ihre ersten sexuellen Erfahrungen sammeln will. Was als beschwingte Partysause beginnt, entwickelt sich zu einem aufwühlend-tiefschürfenden Drama über gesellschaftlichen Druck, toxische Verhaltensweisen und weibliches Empfinden. Mittendrin: Eine famos aufspielende Mia McKenna-Bruce, deren Darbietung allein einen Kinobesuch wert ist.

Webseite: https://www.capelight.de/how-to-have-sex

Regie: Molly Manning Walker
Drehbuch: Molly Manning Walker
Darsteller: Mia McKenna-Bruce, Lara Peake, Enva Lewis, Shaun Thomas, Samuel Bottomley, Laura Ambler, Anna Antoniades, Daisy Jelley u.a.

Länge: 91 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Verleih/Vertrieb: capelight pictures
Kinostart: 07.12.2023

FILMKRITIK:

Alles super, alles toll! Die 16-jährige Tara (Mia McKenna-Bruce) und ihre Freundinnen Skye (Lara Peake) und Em (Enva Lewis) können sich nach ihrer Ankunft auf Kreta vor lauter Vorfreude überhaupt nicht einkriegen. Die Sonne brennt vom Himmel, das Hotelzimmer mit Poolblick feiern die Mädels ab, und so schnell wie möglich wollen sie sich ins hochprozentige Nachtleben stürzen. Immerhin soll Tara endlich ihr erstes Mal erleben. Bei aller Ausgelassenheit fällt jedoch schon früh ein kleiner Schatten auf den Sommerurlaub, mit dem das Trio den Stress der letzten Schulprüfungen abschütteln will. Die Bekanntgabe der Abschlussnoten steht noch aus, und vor allem Tara fürchtet sich vor einer Zukunft ohne große Perspektiven. Einer Zukunft ohne ihre Buddys Skye und Em.

„How to Have Sex“ hätte leicht ins Fahrwasser von Teenager-lassen-die-Sau-raus-Filmen à la „American Pie“ geraten können. Molly Manning Walker, die auch das Drehbuch schrieb, zeigt aber kein Interesse für eine eskalierende Zotenparade, sondern konzentriert sich ganz auf das Empfinden und die Entwicklung ihrer Protagonistin. Eine oft nah an die Figuren heranrückende Handkamera, zuckende Lichter und Technobeats laden das Geschehen mit enormer Energie auf, transportieren das Gefühl des Taumels, der Entfesslung in den Kinosaal. Gleichzeitig findet die Regisseurin viele ausdrucksstarke Bilder für Taras wachsende Verlorenheit. Inmitten der enthemmten Vergnügungsmeute wirkt die Jugendliche manchmal komplett entrückt. Haften bleibt besonders der trostlose Anblick, wie sie am frühen Morgen durch die zugemüllte, menschenleere Partymeile von Malia stapft.

Möglichkeiten, ihren ersten Sex zu haben, tun sich für Tara nach dem Kennenlernen einer anderen britischen Urlaubsgruppe zügig auf. Immer stärker treten jedoch ihre Zerrissenheit, ihr Schwanken zwischen Lust und Unbehagen hervor. Das, was sie beim Feiern zu sehen bekommt, widert sie teilweise an, während die sich abgeklärt gebende Skye Tara ständig neckt und ihr Verhalten kommentiert. Nicht kleiner wird die Verwirrung, als es mit Neubekanntschaft Paddy (Samuel Bottomley) tatsächlich zum Geschlechtsverkehr kommt. Sehr eindringlich beschreibt Molly Manning Walker in dieser Szene, wie sich Tara windet, ohne dass ihr Gegenüber darauf achten würde. Paddy zieht seinen Stiefel durch, tritt das Gebot der Einvernehmlichkeit mit Füßen. Mia McKenna-Bruce demonstriert spätestens hier ihre ganze Klasse, macht das Unwohlsein in ihrem Blick und ihrer Gestik deutlich. Überhaupt schafft es die Hauptdarstellerin eindrucksvoll, über kleine Veränderungen in ihrer Mimik oder Körperhaltung den inneren Aufruhr ihrer Figur zu vermitteln.

Mit einem Gespür für Feinheiten beobachtet der Film auch die Entfremdung zwischen Tara und ihren Freundinnen. Das Verhältnis, das nicht zuletzt dank der Leistungen von Lara Peake und Enva Lewis überaus natürlich erscheint, soll der Urlaub eigentlich noch einmal festigen. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall. Denn Skye und Em blenden Taras Bedrückung aus, können oder wollen schlichtweg nicht auf sie eingehen. Verflogen wäre dann womöglich die ach so tolle Partystimmung. In der Abhandlung eben dieses Konfliktes macht es sich das Drehbuch auf den letzten Metern vielleicht etwas zu einfach. Erneut ist es aber Mia McKenna-Bruce, die uns mit ihrer emotionalen Untiefen nuanciert auslotenden Performance in den Bann zieht. Wahrlich große Schauspielkunst!

 

Christopher Diekhaus