I Origins

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Zwischen rationaler Wissenschaft und spirituellem Glauben bewegen sich die Figuren in Mike Cahills sehenswertem Drama „I Origins“, das einen Wissenschaftler mit der Frage konfrontiert, ob es vielleicht doch Reinkarnation gibt. Auf geschickte Weise hält Cahill die Entscheidung zwischen Ratio und Glaube offen, schickt seine Figuren durch eine Achterbahn der Gefühle und überlässt es am Ende dem Zuschauer selbst, was er glauben will.

Webseite: www.fox.de

USA 2013
Regie, Buch: Mike Cahill
Darsteller: Michael Pitt, Brit Marling, Astrid Bergès-Frisbey, Steven Yuen, Archie Penjabi, William Mapother
Länge: 113 Minuten
Verleih: Fox
Kinostart: 25. September 2014

FILMKRITIK:

Der junge Molekularbiologe Ian Gray (Michael Pitt) forscht an der Evolutionsgeschichte des Auges. Wieso, fragt er, hat sich das menschliche Auge so entwickelt, wie es ist? Viele Tiere und Insektenarten haben in gewisser Weise „bessere“ Augen als der Mensch, Augen, die in fast völliger Dunkelheit sehen können, Augen, die schärfer sehen, Augen, die einen viel größeren Blickwinkel ermöglichen. Laut Evolutionstheorie macht es aber keinen Sinn, dass sich eine Form durchsetzt, die schlechter ist als vorhergehende.

Wo liegen also die Ursprünge der Entwicklung des Auges, die Origins, wie es auf Englisch heißt? Um dies herauszufinden, experimentiert Ian zusammen mit seiner Laborpartnerin Karen (Brit Marling) an Tieren. Doch seine Faszination für das Auge geht noch weiter: Er hat eine riesige Sammlung an Fotos von Augen angelegt, besonders der Iris, die mit ihrer faszinierenden Form und Gestalt die Menschen so einzigartig macht wie ein Fingerabdruck.

Besonders bemerkenswerte Augen hat die junge, mysteriöse Sofi (Astrid Bergès-Frisbey), mit der Ian eine intensive Affäre hat, bevor sie bei einem Unfall ums Leben kommt. Doch einige Jahre später – Ian und Karen sind inzwischen verheiratet – macht das Forscher-Paar eine merkwürdige Entdeckung: Die Iris ihres neugeborenen Kindes entspricht laut einer Datenbank exakt der Iris eines vor wenigen Monaten gestorbenen Mannes. Aus wissenschaftlicher Hinsicht ein Ding der Unmöglichkeit, doch Ians Neugier ist geweckt. Und schließlich taucht in der Iris-Datenbank noch eine Merkwürdigkeit auf: Die Iris von Sofi, aufgenommen in einem Kinderkrankenhaus in Indien.

Mit seinem Erstling „Another Earth“ hatte Mike Cahill vor drei Jahren auf sich aufmerksam gemacht und gezeigt, wie man auch mit geringen Mitteln einen intelligenten Science-Fiction-Film drehen kann. „I Origins“ geht nun weniger in Richtung Science-Fiction als ins Phantastische, ins Ungewisse der menschlichen Seele. Aus europäischer Sicht wirkt Cahills Fragestellung und damit die seiner Hauptfigur Ian Gray sehr esoterisch und streift den Bereich des gerade in Amerika viel diskutierten und höchst umstrittenen so genannten Kreationismus, des Glaubens an einen intelligenten Designer, der das Universum formte.

Doch die Themen, die Cahill in „I Origins“ beschäftigen, sind nicht auf die einfache Frage nach der Existenz eines Gottes zu reduzieren. Spätestens dann wenn sich die Geschichte nach Indien verlagert, das Geburtsland Buddhas, aber auch eine Gesellschaft, in der der Glaube an Reinkarnation stark verbreitet ist, wird deutlich welche Richtung Cahill einschlägt. Dieses letzte Drittel seines etwas überlangen Films ist dann auch das interessanteste. Brauchte er anfangs sehr viel Zeit, um die Figuren zu etablieren, Ians Affäre mit Sofi zu beschreiben, die doch nur Aufhänger für die eigentliche Geschichte ist, führt er seine Hauptfigur, die möglicherweise auch eine Art Alter Ego ist, am Ende auf eine spirituelle Sinnsuche. Inwieweit man Cahill bzw. Ian auf diesem Weg folgen will, wie man die Ereignisse interpretiert, dass hängt letztlich vor allem vom persönlichen Glauben ab. Doch „I Origins“ zeigt auch, dass es durchaus möglich ist, Rationalität und Spiritualität zu verbinden.
 
Michael Meyns