Ich Capitano

Zum Vergrößern klicken

Mit seinem neuen Film erzählt Matteo Garrone („Pinocchio“) die Geschichte zweier junger Senegalesen, die von einem besseren Leben in Europa träumen, aber sich nicht vorstellen können, wie gefährlich die Reise dorthin ist. Der Film lebt von seinem realistischen Flair, auch von den natürlichen Darstellern, und hier vor allem Seydou Sarr und Moustapha Fall, die Figuren mit ihren eigenen Namen spielen.

Website: https://www.x-verleih.de/filme/ich-capitano/

Ich Capitano
Italien 2023
Regie: Matteo Garrone
Buch: Matteo Garrone, Massimo Cecherini, Massimo Gaudioso, Andrea Tagliaferri
Darsteller: Seydou Sarr, Moustapha Fall, Issaka Sawadogo
Länge: 121 Minuten
Verleih: X Verleih
Kinostart: 4. April 2024

FILMKRITIK:

Seydou und Moussa träumen davon, nach Europa zu gehen und dort als Musiker durchzustarten. Sie wollen Stars werden und sparen seit Monaten Geld für die Reise nach Europa. Ihren Müttern sagen sie nichts davon, dann geht es los, aber die Reise ist beschwerlicher und gefährlicher, als sie erwartet hatten. Sie müssen zu Fuß die Wüste durchqueren, kommen in ein Foltergefängnis und schließlich wartet eine besondere Herausforderung auf Seydou, die er meisten muss, will er seinem Cousin das Leben retten.

Der Film wurde komplett in der senegalesischen Sprache Wolof bzw. in Französisch gedreht. Für Regisseur Matteo Garrone war das eine besondere Herausforderung, da er zwar dem Spiel seiner Schauspieler lauschen und es sehen, aber nicht beurteilen konnte, wie die Texte gesprochen werden. Darum brauchte er zwei Jungdarsteller mit großem natürlichem Talent, den von ihnen hing ab, ob „Ich, Capitano“ filmisch ein Erfolg sein würde oder nicht. Er hat das richtige Händchen bewiesen und zwei sehr gute Schauspieler gefunden, die sich ein Stückweit einfach selbst spielen.

Garrones Ziel war, dem westlichen Publikum zu zeigen, wie beschwerlich eine Reise nach Europa ist. Und wie gefährlich, ja, wie menschenverachtend. Bei der Fahrt durch die Wüste wird es holprig und einer der Passagiere fällt hinunter, aber der Fahrer hält nicht an. „Ich habe euch gesagt, dass ihr euch festhalten müsst“, sagt er nur. Danach geht es zu Fuß weiter durch die Wüste, auch hier mit einem Führer, der nicht darauf achtet, ob ihm die anderen folgen können. Das Sterben auf dieser Route ist Normalität, Überleben fast schon ein Wunder.

Die weiteren Stationen, die Garrone abarbeitet, sind Überfälle lybischer Soldaten, die den Flüchtlingen Geld abnehmen, die Einkerkerung in Foltergefängnissen, in denen Menschen gequält werden, damit deren Angehörige für ihre Freilassung zahlen, und natürlich die Bootsüberfahrt, bei der keine Hilfe zu erwarten ist – zumindest nicht von den Europäern.

Garrone lässt seine Hauptfiguren nicht aus purer Not, sondern einem Traum folgend diese Reise antreten. Es war ihm wohl wichtig, zu zeigen, dass sich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen auf den Weg machen. Ebenso wichtig war ihm aber zu zeigen, wie sie ausgebeutet und zum Sterben zurückgelassen werden – in der Wüste, in den arabischen Ländern, auf dem Meer. Es ist keine Anklage, die er hier filmisch aufbereitet, es ist eine Bestandsaufnahme, ohne Wertung, aber mit Sympathie für seine beiden Hauptfiguren. Der Film erzählt einzig und allein von der Reise, was den Flüchtlingen danach in Italien widerfährt, klammert es aus. Wohl, weil Garrone sich sicher ist, dass sich das sein Publikum vorstellen kann, aber was eine solche Reise nach Europa bedeutet, das kann es sich nicht vorstellen, aber nach diesem Film kann es die Augen nicht mehr verschließen.

Peter Osteried