Ich habe sie geliebt

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Vor allem die beiden Hauptdarsteller Daniel Auteuil und Marie-Josée Croze retten Zabou Breitmans melancholischen Liebesfilm über seine allzu literarische Struktur hinweg. Basierend auf einem Roman von Anna Gavalda (Autorin von „Zusammen ist man weniger allein“) erzählt der Film von einem Mann, der seine große Liebe verließ, um für seine Familie da zu sein, und diese Entscheidung bitter bereut.

Webseite: www.concorde-film.de

OT: Je l’aimais
Frankreich 2009
Regie: Zabou Breitman
Buch: Zabou Breitman & Agnès de Sacy, nach dem Roman von Anna Gavalda
Darsteller: Daniel Auteuil, Marie-Josée Croze, Florence Loiret Caille, Christiane Millet, Geneviève Mnich, Winston Ong
Format: 1:1,85
Verleih: Concorde
Kinostart: 30. Juli 2009
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Vordergründiger Schauplatz von „Ich habe sie geliebt“ ist ein Landhaus in den Bergen, auf das Pierre (Daniel Auteuil) seine Schwiegertochter Chloé (Florence Loiret Caille) und ihre beiden Kinder einlädt. Gerade hat sich Pierres Sohn von Chloé getrennt, hat sich für eine langjährige Affäre und gegen seine Familie entschieden. Chloé versteht die Welt nicht mehr, Pierres Verständnis für das Verhalten seines Sohnes erscheint ihr unerträglich, bis sie versteht, wo es herrührt.

Mit Pierres Erzählung beginnt die eigentliche Erzählebene des Films und gleichzeitig sein größtes Problem: In langen, viele Jahre umspannenden Rückblenden erzählt Pierre von seiner großen Liebe, womit die erzählte Zeit gravierend von der Erzählzeit abweicht. Eigentlich vergeht nur eine Nacht, im Morgengrauen endet der Film, doch erzählt wird von einer langen Affäre, deren Bruchstücke immer wieder von Szenen im Landhaus, im Heute unterbrochen werden und dadurch den dramatischen Fluss unterbrechen. In einem Roman mag eine solche Struktur funktionieren, für einen Film ist sie denkbar ungeeignet, wie sich immer wieder zeigt.

Zum Glück für den Film lässt die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern meist über die dramaturgischen Probleme hinwegsehen. Vor allem Daniel Auteuil – inzwischen offenbar alt genug, um als Großvater durchzugehen – variiert auf interessante Weise einen Typ Mann, den er schon oft gespielt hat: Sein Pierre, ein erfolgreicher Geschäftsmann, ist zurückhaltend bis zur Selbstverleugnung, würde nie laut werden und drückt Missfallen mit kleinsten Gesten aus. Vor allem aber hat er seine Gefühle fast komplett unter Kontrolle, läßt kaum eine Erregung zu. Erst als er bei einem Termin in Hong Kong die Dolmetscherin Mathilde (Marie-Josée Croze) kennenlernt, entfacht die Liebe in ihm Emotionen, die er lange vergessen hatte. Eine leidenschaftliche Affäre beginnt, die jedoch bald von der Realität des Alltags eingeholt wird. Pierre kann sich nicht von seiner Frau lösen und muss hinnehmen, dass ihn Mathilde nur selten sehen will. Auch wenn Pierre weiß, dass sie die Liebe seines Lebens ist, bringt er es nicht über sich, seine Frau und mit ihr sein sicheres Leben zu verlassen.

Nicht zuletzt die Kulisse Hong Kongs, vor der etliche Passagen spielen, lassen an die Filme Wong Kar Wais denken, deren Thema stets die unerfüllte Liebe, das Verpassen von Chancen ist. Regisseurin Zabou Breitman dekliniert etliche Phasen des Verhältnisses zwischen Pierre und Mathilde durch, von der großen Lust des Beginns, über Skepsis und Zweifel, bis hin zum Bruch, verursacht durch eine gedankenlose Bemerkung Pierres. Das ist meist hübsch anzusehen, Auteuil und Croze entwickeln viel Chemie (auch wenn es etwas befremdet, wie sehr ausgerechnet eine Regisseurin die konventionellen Rollenmuster einer Mann-Frau Konstellation derart untermauert) und machen aus einer unglücklichen Struktur einen akzeptablen Film.

Michael Meyns

Ein Liebesdrama, das starke Gefühle in einem hervorrufen kann, weil es eindringlich gestaltet und weil es gleichermaßen anziehend-leidenschaftlich und ausweglos-tragisch ist.

Pierre Houdard war erfolgreicher Pariser Geschäftsmann. Im Augenblick fährt er seine Schwiegertochter Chloe mit ihren beiden kleinen Mädchen in eine Berghütte. Es ist eine noch kalte Jahreszeit. Chloe hat sich mit ihrem Mann, ja mit dessen ganzer Familie zerstritten, ist quasi auf der Flucht. Verzweifelt weint sie nur noch. Soll sie zurückkehren oder nicht?

Pierre und Chloe leben ein paar Tage in der Abgeschiedenheit – und kommen ins Gespräch. Pierres Erzählung handelt vom Wichtigsten in seinem Leben. Einst führte er in Hongkong Verkaufsverhandlungen. Seine Dolmetscherin hieß Mathilde. Beide fanden sofort Gefallen aneinander. Aber noch war ihre Beziehung eher zufällig, offen, unverbindlich.

Eines Tages steht Mathilde in Paris vor Pierres Büro. Jetzt ist es um beide geschehen. Tage untrennbaren Zusammenseins.

Pierres Frau Susanne ertrug lange die totale „Selbständigkeit“ ihres Mannes. Jetzt kann sie nicht mehr, sie packt aus. Aber sie kann sich auch nicht trennen: von der Familie, den Kindern Adrien und Christine, von der Nachbarschaft, dem Haus am Meer, dem gewohnten Leben.

Eines Tages wird auch für Mathilde und Pierre dessen Ehe zum Problem. Aber sie lieben sich doch, sagen sich, dass sie zueinander passen, treffen sich an den verschiedensten Orten der Welt, „mögen sich aus der Ferne“, schließen einen „aufregenden Spezialpakt“.

Pierre muss sich entscheiden. Er bleibt bei der Familie, der Nachbarschaft, dem Haus am Meer usw.

Mathilde beginnt ein freies Leben zu führen – mit Billy beispielsweise. Sie ist schwanger, gebiert Tom. Viele Jahre später sehen sich Pierre und Mathilde zufällig. Doch es kann keine Berührungspunkte mehr geben. Pierre weint bitterlich.

Er sagt er lebe, doch in Wirklichkeit sei er tot. Seine Entscheidung muss falsch gewesen sein. Es hatte keinen Sinn, aus Verantwortungsbewusstsein, Sentimentalität oder um Susannes Leids willen im alten Leben zu bleiben. Pierre und Mathilde, das wäre das Leben gewesen. Hat Pierres Sekretärin es ihm nicht vorgemacht? Aber: Ein bedenkenloses Leben gibt es eben nicht.

Chloe hat aus dieser Erzählung gelernt. Ihrem geheimnisvollen Lächeln am Schluss sieht man es an. Wird sie zu ihrem Mann zurückkehren oder jenes neue Leben beginnen, das Pierre mit Mathilde versäumt hat? Jeder Zuschauer muss selbst entscheiden.

Ein Drama – mehr: eine tragische Verstrickung. Logisch, konsequent und unentrinnbar, dramaturgisch korrekt wird sie gezeigt – genauso wie der winterliche Bergschauplatz, das sprühende Hongkong und das geschäftlich nüchterne Paris.

Eindruck hinterlassen auch die drei Protagonisten: Daniel Auteuil als leidenschaftlicher, aber dann resignierender Pierre, Marie Josee Croze als zärtliche, aber schließlich enttäuschte Mathilde und Florence Loiret Caille als leidende, aber letzten Endes entschlossene Chloe.

Anregendes, jedoch tragisches Liebesdrama.

Thomas Engel