Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin

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In ihrem Abschlussfilm an der Kunsthochschule für Medien in Köln liefert die junge Regisseurin Anna Ditges ein sehr persönliches Portrait der im letzten Jahr verstorbenen Dichterin Hilde Domin am. Es ist ein sehr intimer Film, der von der Nähe Ditges zu Domin enorm profitiert, aber auch die Frage aufwirft, wie sehr ein Dokumentarfilm die Intimsphäre seines Subjekts verletzen darf.

Webseite: www.ichwilldich-derfilm.de

Deutschland 2007
Regie, Buch, Kamera, Schnitt: Anna Ditges
95 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Kinostart: 8.11.2007

PRESSESTIMMEN:

 

Beeindruckendes Porträt der 95-jährigen deutschen Lyrikerin Hilde Domin, das sich weitgehend an der Chronologie ihres bewegten Lebens orientiert und abwechslungsreiche Gespräche mit der humorvollen Dichterin ins Zentrum stellt.
film-dienst

Anna Ditges präsentiert die Dichterin ungeglättet und gewissermaßen unplugged, man erlebt Domin pur.
Rhein-Neckar-Zeitung

Ein behutsames, aber konsequentes Porträt.
Münchner Merkur

Die Aufregende Begegnung zweier Frauen. ... mit Vertrauen und Respekt findet Anna Ditges eine äußerst erfrischende Art der Annäherung, mit der sie ... den Menschen Hilde Domin auf wundervolle Weise näher bringt.
choices Köln 

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FILMKRITIK:

Schon die erste Einstellung macht deutlich, wie die folgenden 90 Minuten aussehen werden: Eine wackelige Handkamera bewegt sich auf ein Haus in Heidelberg zu, in dem Hilde Domin seit Jahren lebt. Die Kamera führt Anna Ditges, die in einem kurzen, einleitenden Voice Over erklärt, wie sie auf die Dichterin gestoßen ist. Aus Versehen fiel ihr ein Buch Domins in die Hände, die Gedichte berührten sie ungemein und so kontaktierte sie die betagte Dame, um sie kennen zu lernen und zum Sujet ihres ersten langen Films zu machen. 

Über Monate besuchte Ditges Domin, lebte augenscheinlich mit ihr zusammen und entwickelte somit eine Nähe zu Domin, die den Film erst möglich machte. Denn die 90jährige Domin hatte den Ruf gerade Journalisten gegenüber sehr zurückhaltend, um nicht zu sagen abweisend zu sein. Die Nähe zu Ditges, die ihr mit offensichtlicher Bewunderung gegenüber tritt, hat nun die Dichterin offenbar dazu bewegt, ausführlich über ihr langes, reiches Leben zu berichten. Lose bewegt sich der Film am Lebenslauf Domins entlang, unterlegt Erzählungen über ihre Kindheit in Köln, die Studienzeit in Heidelberg, die Jahre im Exil nach der Flucht aus Nazi-Deutschland und schließlich die Rückkehr in das geliebte Heidelberg mit historischen Aufnahmen und Fotos. 

Durchzogen ist der Film von Rezitationen einiger der bekanntesten Gedichte Domins, vorgetragen von Anna Thalbach. Noch wichtiger als ihre Arbeit aber, war für Domin ihr Mann Erwin, mit dem sie über 50 Jahre verheiratet war. Seit seinem Tod 1988 ist er mit einem Foto in Domins Wohnung, vor allem aber in ihren Gedanken präsent. Immer wieder führen die Gespräche zu Erwin, in dem Ditges das Zentrum von Domins Denken und Fühlen ausgemacht hat.

Dass sich Domin so ausführlich wie selten über ihr Leben und ihre Arbeit äußert ist ein Verdienst, das man der jungen Regisseurin hoch anrechnen muss. Dennoch wirft die Art und Weise wie dies erreicht wurde Fragen auf. Zum einen ist da Ditges Umgang mit der Kamera. Immer wieder geht sie so nah an Domin heran, dass diese ungehalten die Linse verdeckt und bisweilen offensichtlich verärgert über die Impertinenz Ditges ist, die die Wünsche Domins immer wieder ignoriert. Vor allem aber ist es die offensichtliche, vielleicht auch nur vorgetäuschte Naivität mit der Ditges ihre Fragen stellt. Mit ihrer an ein junges Mädchen erinnernden Stimme fragt sie dann scheinbar so banales und nicht beantwortbares wie „Wie schreibt man denn ein Gedicht.“ Eigentlich an Naivität nicht zu überbieten, führt diese Fragetechnik (wenn es denn eine Technik und nicht einfach das Wesen Ditges ist) bisweilen zu erstaunlichen Ergebnissen.

Ein ums andere Mal aber fasst man sich angesichts einer weiteren vollkommen indiskreten, ja geradezu unverschämten Frage an den Kopf und wundert sich, dass Domin dies so lange mitgemacht hat. Einige Male jedoch wird es selbst Domin zu bunt. Reagiert sie auf unpassende Fragen gewöhnlich nur unwirsch und verweigernd, weißt sie Ditges nach der bodenlosen Frage „War denn Erwin ein guter Liebhaber“ barsch zurück und wirft ihr ihre Instinktlosigkeit vor. So bleibt „Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin“ in vielerlei Hinsicht ein fragwürdiges Portrait, das allerdings gerade wegen seiner Naivität und oftmals vorhandenen Indiskretion bemerkenswerte Einblicke in das Leben einer schillernden Dichterin und Frau gibt.

Michael Meyns
 
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Portrait von Hilde Domin, einer der bekanntesten deutschen Lyrikerinnen des vergangenen Jahrhunderts. 1909 ist sie geboren, 2006 gestorben.

Sie war jüdischer Abstammung und musste deshalb bereits Anfang der dreißiger Jahre emigrieren. Zuerst Florenz und Rom, dann zwölf Jahre Dominikanische Republik. Als Übersetzerin und Deutschlehrerin schlug sie sich durch. Seit 1936 war sie mit dem Kunsthistoriker Erwin Walter Palm verheiratet, ihrer großen und einzigen Liebe. Palm starb 1988.

1951 begann Hilde Domin Gedichte zu schreiben. Die deutsche Sprache ist ihre Heimat, ihre hoch entwickelte Kunstform, ihre Herzensangelegenheit. Keine Frage, dass sie auch deshalb aus dem Exil zurückkehren musste. Die letzten Jahrzehnte lebte die Kölnerin Domin (mit Palm) in Heidelberg.

Eine junge Filmemacherin, Anna Ditges, stieß in einer Buchhandlung auf Hilde Domins Gedichte. „Nur eine Rose als Stütze“ hieß der Titel des Bandes. Diese schöne Idee elektrisierte die Filmemacherin. Sie suchte die damals über 90 Jahre alte Dichterin auf.

Jetzt entstanden eine Freundschaft und ein Film. Hilde Domin im Haushalt, beim Spazierengehen, beim Betrachten alter Photos, beim Erzählen von ihrer Kindheit, beim intensiven Erinnern an ihren Mann, bei öffentlichen Lesungen, beim Modellieren ihrer Büste, beim beschwerlichen Suchen des Grabes ihres Erwin, das sie wegen der Vergesslichkeit in ihrem hohen Alter nicht mehr findet.

Und Hilde Domin die Kapriziöse, die das Filmen Abwehrende, die Eigensinnige, die Verstockte (wenn ihr ein Thema nicht passt), aber auch die wunderschön Formulierende, die Philosophierende, die Leidende, die Einsame, die Freundin.

Anna Ditges hat ein teilweise rührendes menschliches, für die Nachwelt festzuhaltendes, auch literaturgeschichtlich einzuordnendes Dokument erstellt. Ein interessantes Stück Dokumentarfilm. Ein deshalb begrüßenswertes Unterfangen.

Thomas Engel