Im August in Osage County

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Bereits die Besetzung lässt großes Schauspielkino erwarten: Meryl Streep, Julia Roberts, Chris Cooper, Benedict Cumberbatch und Abigail Breslin sind nur einige der prominenten Namen in dieser im ländlichen Oklahoma angesiedelten Tragikomödie über eine ziemlich schreckliche Familie. Diese kommt nach dem Selbstmord des Vaters im elterlichen Haus zusammen. Prompt brechen alte Konflikte wieder auf. Basierend auf dem preisgekrönten Bühnenstück von Tracy Letts entwickelt „Im August in Osage County“ vor allem dank seiner Darsteller berechtigte Award-Ambitionen. Sie alle adeln „Im August in Osage County“ zu einem kleinen, stillen Glücksfall für das Kino.

Webseite: www.imaugustinosagecounty.de

OT: August: Osage County
USA 2013
Regie: John Wells
Drehbuch: Tracy Letts nach seinem gleichnamigen Bühnenstück
Produktion: George Clooney, Grant Heslov, Steve Traxler, Jean Doumanian
Darsteller: Meryl Streep, Julia Roberts, Ewan McGregor, Margo Martindale, Chris Cooper, Juliette Lewis, Benedict Cumberbatch, Abigail Breslin, Misty Upham, Julianne Nicholson
Laufzeit: 119 Minuten
Kinostart: 6.3.2014
Verleih: Tobis

FILMKRITIK:

Manchmal führt erst ein Schicksalsschlag eine Familie wieder zusammen. Im Fall der Westons stellt sich jedoch die Frage, ob diese Zusammenkunft wirklich das Beste für alle Beteiligten ist. Denn nach dem Tod des Vaters (Sam Shepard), bei dem zunächst nicht ganz sicher ist, ob es sich um einen Unfall oder Selbstmord handelte, kehren dessen drei Töchter Barbara (Julia Roberts), Karen (Juliette Lweis) und Ivy (Julianne Nicholson) zur Trauerfeier in das elterliche Haus im ländlichen Oklahoma zurück. Dort wartet bereits ihre krebskranke, von Schmerz- und Beruhigungsmittel schwer abhängige Mutter Violet (Meryl Streep). Schnell brechen alte Wunden und Verletzungen wieder auf. Vor den bösen Beschimpfungen und Vorwürfen der trauernden Witwe scheint nichts und niemand sicher. Selbst die Männer ihrer Töchter (Ewan McGregor, Chris Cooper) und ihr Neffe (Benedict Cumberbatch), den alle trotz seines erwachsenen Alters weiterhin „Little Charles“ nennen, werden zur Zielscheibe von Violets Verbitterung.
 
Der Erfolg von Tracy Letts Bühnenstück „August: Osage County“ führte es von Chicago an den New Yorker Broadway und von dort an renommierte Spielstätten in der ganzen Welt. Nicht erst seit dem Gewinn des Pulitzer Prize interessierte sich Hollywood für die anatomische Inspektion einer dysfunktionalen Familie, aus der sich vermutlich ein herausragender Ensemblefilm entwickeln ließe. Produziert und protégiert von den letztjährigen Oscar-Preisträgern George Clooney und Grant Heslov atmet „Im August in Osage County“ dann auch wie erwartet Award-Luft. Sowohl Letts Drehbuch, das gleich mit einer Vielzahl geschliffener Wortgefechte und widersprüchlicher Figuren aufwartet, als auch die erstklassige Besetzung zeichnet diese so uramerikanische „Dramedy“ aus. Letts schickt seinen zerbrechlichen Familienclan auf eine packende Reise. Er spart nicht an bitteren, meist laut ausgesprochenen Wahrheiten und leisen Zwischentönen, an emotionalen Ausbrüchen und tragikomischen Verwicklungen.
 
Sein Film erkundet mit großer Lust die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle. Dabei erstaunt, wieviel Humor – wenn auch meist ein sehr schwarzer – sich hinter den vielen kleinen bis größeren Tragödien verbirgt. Mit seinem von William Friedkin inszenierten Texas-Film noir „Killer Joe“ hatte Letts zuvor bereits für Aufsehen gesorgt. Und tatsächlich lassen sich gerade in den dunklen Ecken beider Geschichten so manche Gemeinsamkeiten entdecken. Er zeigt das andere Amerika, die unendliche Weite des Südens und Mittleren Westens, dessen raue Ödnis und Leere, die in den Sommermonaten von einer nicht selten erdrückenden Hitze ausgefüllt wird. Gleichzeitig kann das in Ort und Zeit stark konzentrierte Stück seine Bühnenvergangenheit nicht verleugnen. So merkt man Letts’ besondere Vorliebe für lange Szenen und noch längere Dialoge auch seinem angenehm kitschfreien Familientreffen gelegentlich an. Wo in anderen Filmen der Regisseur längst einen Umschnitt oder Szenenwechsel eingefügt hätte, läuft die Kamera hier einfach weiter.
 
Dass sich die Längen dennoch in Grenzen halten und man stets mit großer Aufmerksamkeit dem Weston-Clan bei seinem tragikomischen Seelen-Striptease zusieht, ist nicht zuletzt das Verdienst der durchweg erstklassigen Darsteller. Es fällt schwer, sich hier auf nur einen oder zwei Namen zu beschränken. Natürlich standen in den meisten Kommentaren bislang vor allem Julia Roberts und Meryl Streep im Fokus. Für Roberts ist ihr stärkster Auftritt seit dem Gewinn des Oscars für „Erin Brockovich“. Ebenso wie Streep hat sie keinerlei Angst davor, dem Zuschauer einen nur bedingt sympathischen Charakter zu präsentieren. Ihre Barbara wirkt hart, verschlossen und manchmal auch ungerecht. Während jedoch Meryl Streeps Spiel bisweilen die Grenze zur Karikatur streift, schwingt bei Roberts in jedem Blick und jedem Wort etwas Wahrhaftiges mit. Nicht minder überzeugend agieren Margo Martindale als Violets Schwester Mattie Fae und die junge Abigail Breslin („Little Miss Shunshine“). Sie alle adeln „Im August in Osage County“ zu einem kleinen, stillen Glücksfall für das Kino.
 
Marcus Wessel