Im Himmel, unter der Erde

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Eine Dokumentation um den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee. Eine zauberhafte, wunderbar spannende Reise in eine fremde Welt – gab es jemals einen so leichten, lebensfrohen Film über ein so ernsthaftes Thema?

Webseite: www.imhimmelunterdererde.de

Deutschland 2011
Regie und Buch: Britta Wauer
Kamera: Kaspar Köpke
Musik: Karim Sebastian Elias
Länge: 90 Minuten
Verleih: Edition Salzgeber
Kinostart: 7.4.2011

PRESSESTIMMEN:

Jeder Grabstein erzählt hier eine Geschichte.
BERLINER ZEITUNG

Ein Friedhofsfilm, wie er lebendiger nicht sein kann.
DER TAGESSPIEGEL

Ein schöner, oft sogar heiterer Film.
FRANKFURTER RUNDSCHAU

FILMKRITIK:

Es geht um einen Friedhof, genauer gesagt: um den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee. Das hört sich erst einmal heikel und kompliziert an, aber nichts da: Dies ist zwar ein Dokumentarfilm, aber einer von der allerbesten Sorte. Nicht belehrend, sondern spannend. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Witz und einem kleinen Augenzwinkern, das auch manchmal dazu dienen mag, eine Träne zu verscheuchen.

Vollkommen zu Recht wurde dieser Film umjubelt und erhielt den Publikumspreis der diesjährigen Berlinale. Denn hier stimmt alles: Manchmal wirken die Bilder wie verwunschene Gemälde vom Lauf der Jahreszeiten, manchmal sind sie schlichte Illustrationen des Alltags und der Menschen, die ihn erleben. Keines der Bilder ist überflüssig, jedes scheint den genau richtigen Platz für sich gefunden zu haben. Dem Kameramann Kaspar Köpke ist die famose Bildgestaltung zu danken. Begleitet werden die Bilder von leise wehmütigen Klängen, die im Walzertakt durch Zeit und Raum führen. Karim Sebastian Elias hat den wunderschönen Soundtrack komponiert, der auf CD erhältlich ist.

Neben den Bildern und der Musik sind es vor allem die Menschen, die im Gedächtnis bleiben. Sie alle erzählen ganz unpathetisch und dennoch bewegend von sich selbst. Damit schaffen sie im Kino die angenehme Atmosphäre eines Familientreffens, bei dem man lang vermisste Cousinen, Onkel und Großeltern wiedertrifft. Man lernt diese fremden Menschen kennen und lieben, man wünscht sich, sie wiederzusehen. Von nun an und dank dieses Filmes gehören sie zu unserem Leben.

Da ist der Rabbiner, der mit chevaleresker Weisheit über Religion und Tod philosophiert. Oder der Rentner mit dem gepflegten Berliner Akzent, der auf dem Friedhof seine große Liebe fand. Man trifft eine Schweizerin auf der Suche nach ihren Vorfahren, aber auch eine Familie, die auf dem Friedhof wohnt, mit einem Kind, das zwischen den Grabsteinen laufen lernt. Dazu gibt es Touristen, Ornithologen, einen Verwalter mit wenig Geld und viel Mumm, einen russischen Sargtischler und jede Menge Besucher, die Leben und Lebenslust in die Totenstadt bringen. Seit 1880 wurden hier mehr als 115.000 Menschen beerdigt, eine ganze Großstadt.

Und noch immer wird hier bestattet. Der Schriftsteller Stefan Heym liegt hier begraben, Kurt Tucholskys Eltern, die Erfolgsautorin Else Ury, die Schöpferin des „Nesthäkchens“, viel Prominenz aus Kunst, Wissenschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft und viele Tausend Unbekannte. Schicksal neben Schicksal. Wie durch ein Wunder blieb alles erhalten, auch wenn das Unkraut wuchert und der Zahn der Zeit an den Grabstätten nagt. Jeder Stein erzählt seine eigene Geschichte. Manches ist atemstockend spannend, einiges hinreißend komisch oder einfach traurig.

Dieser Film ist ein Glücksfall, genial konzipiert und umgesetzt von Britta Wauer. Sie hat es geschafft hat, eine der lebendigsten Dokumentationen aller Zeiten ausgerechnet über Tote und Gräber zu schaffen. Doch das ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Der Jüdische Friedhof in Berlin-Weißensee birgt offenbar unendlich viele erstaunliche und spannende Geschichten. Und Britta Wauer hat Archivmaterial, aktuelle Bilder und Zeitzeugenkommentare zu einem rundum gelungenen, überaus unterhaltsamen Gesamtkunstwerk verbunden. Himmlisch!

Gaby Sikorski

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