Im Namen des…

Zum Vergrößern klicken

Ein schwuler Priester in der konservativen polnischen Provinz - davon erzählt Malgorzata Szumowska in ihrem Film „Im Namen des…“, der 2013 im Wettbewerb der Berlinale uraufgeführt wurde. Ohne Vorurteile schildert die Regisseurin die Versuche des Priesters, seine Neigung zu verbergen, und entwickelt daraus das Bild einer Gesellschaft, die Teile ihrer Identität verleugnet.

Webseite: www.salzgeber.de

Polen 2012
Regie: Malgorzata Szumowska
Buch: Malgoska Szumowska, Michal Englert
Darsteller: Andrzej Chyra, Mateusz Kosciukiewicz, Lukasz Simlat, Maja Ostaszewska, Tomasz Schuchardt
Länge: 96 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 15. Mai 2014

FILMKRITIK:

Adam (Andrzej Chyra) heißt er, der Priester, der in eine kleine Gemeinde in der polnischen Provinz versetzt wird. Mit seinem Dreitagebart, seiner gelassenen Art, seinen liberalen Vorstellungen ist der Mann in den Dreißigern schnell der Mittelpunkt des Provinzkaffs, in dem das Leben wenig zu bieten hat. Zusammen mit dem Lehrer Michal (Lukasz Simlat) leitet Adam ein Gemeindezentrum für schwer erziehbare Jungs. Höchst raubeinig ist die Atmosphäre dort, von ständigem verbalen und körperlichen Kräftemessen geprägt.

Allein der junge Lukasz (Mateusz Kosciukiewicz) ist anders: Introvertiert, interessiert an mehr als Bier und Fußball, beschützt er seinen geistig behinderten Bruder und weckt bald das Interesse Adams. Denn Adam ist schwul, ist vielleicht auch deswegen erst im recht hohen Alter von 21 Jahren in die Kirche eingetreten und kämpft nun mit seiner Aufgabe und seinen Neigungen.

Viele Versuchungen stellen ihm Regisseurin Malgorzata Szumowska und ihr Co-Autor und Kameramann Michal Englert in den Weg, der die ländliche, sommerliche Welt in leuchtende Gegenlichtaufnahmen taucht, flirrende Bilder einfängt, in denen die sich halbnackt raufenden oder schwimmenden jungen Männer fast zu Ikonen stilisiert werden. Die Frauen des Dorfes dagegen, allen voran die arg eindeutig heißende Ewa (Maja Ostaszewska), interessieren Adam nicht. Spätestens wenn Ewa da einmal in BH auf Adams Bett sitzt, sich unzweideutig anbietet und dennoch zurückgewiesen wird, beginnt auch sie zu ahnen, dass der Priester andere Vorlieben hat.

In doppelter Hinsicht muss Adam seine Neigung verbergen: Vor der Kirche, in der schwule Priester ein Thema sind, das bekannt ist, aber ignoriert wird, aber auch vor der polnischen Gesellschaft, in der Homosexualität verpönt ist und „Schwuchtel“ ein ebenso gebräuchliches Schimpfwort ist wie „Jude.“ So zumindest schildert Malgorzata Szumowska die Kleinstadtwelt, in der ihr Film spielt, eine Sichtweise, die ihr in ihrer polnischen Heimat noch mehr Kritik eingetragen hat als die Tabuthemen Kirche und Homosexualität.

Doch „Im Namen des..:“ ist kein plakatives Pamphlet, keine moralinsaure Anklage eines Teiles der Gesellschaft: So poetisch manche Bilder auch sind, letztlich wirft Szumowska einen betont neutralen Blick auf die Welt, so wie sie sie wahrnimmt. Sehr distanziert meistens, was die wenigen Ausbrüche höchster Emotionalität umso ergreifender macht: Wenn da Adam einmal seine aufgestaute Aggression nicht mehr zurückhalten kann, sich betrinkt und zu Rockmusik eine Art Duett mit einem Bild von Pabst Benedikt tanzt, kann man sich kein eindringlicheres Bild für die Selbstverleugnung der katholischen Kirche vorstellen.
 
Michael Meyns