Im Osten was Neues

Ein früherer Rechtsradikaler, der sich heute für die Jugendlichen seines Ortes in der ostdeutschen Provinz einsetzt und für Werte wie Toleranz, Verantwortung und Gerechtigkeit steht. Das ist das inhaltliche Grundgerüst der bewegenden, lebensnahen Doku „Im Osten was Neues“. Unaufgeregt und zurückgenommen zeichnet der Film das Bild eines geläuterten Mannes, der neue Wege beschreitet und als Paradebeispiel für Selbstreflexion und Wandel fungiert.

 

Über den Film

Originaltitel

Im Osten was Neues

Deutscher Titel

Im Osten was Neues

Produktionsland

DEU

Filmdauer

82 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Blumenthal, Loraine

Verleih

Drop-Out Cinema eG

Starttermin

13.11.2025

 

Der Dokumentarfilm begleitet Thomas „Eichi“ Eichstätt, der in der Kleinstadt Torgelow (Mecklenburg-Vorpommern) die Fußballmannschaft FC Pio ehrenamtlich trainiert. Die jungen Spieler, meist aus ihren Heimatländern geflohen und viele von ihnen traumatisiert, kämpfen um Akzeptanz und eine Zukunft mit sicherem Job und sozialer Integration. „Eichi“ versucht, Brücken zwischen seinen Spielern und den Einheimischen in Torgelow zu bauen. Und dabei muss er sich immer wieder selbst hinterfragen und aus der Vergangenheit lernen: Denn er blickt auf eine düstere Zeit als Rechtsextremist zurück.

Eichstätt ist schon optisch eine beeindruckende Erscheinung. Mit seiner Glatze, den Tattoos und markanten Gesichtszügen fällt er schnell auf. Steht er dann noch auf dem Platz und feuert seine Spieler von der Seitenlinie aus mit seiner durchdringenden Stimme lautstark an, dann ist ihm die Aufmerksamkeit sicher – ob er will oder nicht. Loraine Blumenthals Doku begleitet Eichstätt durch seinen Alltag, beim Training, zu Fußballturnieren und in die heimischen vier Wände. Wie schwierig sich die finanzielle Situation von Eichstätt und seiner Familie gestaltet, zeigt sich anhand einer Szene exemplarisch.

Blumenthal ist mit ihrer Kamera anwesend, als Eichstätt telefonisch einen Friseurtermin für eines seiner Kinder vereinbaren will. Eichstätt und seine Frau sitzen am Schreibtisch, umringt von geöffneten Briefen (Rechnungen, Zahlungserinnerungen, Behördenschreiben). Als sie vom Friseur den Preis für den Haarschnitt erfahren, sieht man den Frust und die Enttäuschung darüber unmittelbar in Eichstätts Gesicht. Denn er weiß: Er wird die knapp 60 Euro wohl nicht aufbringen können. Ein Preisnachlass wird nicht gewährt.

Zu einem späteren Zeitpunkt dokumentiert der Film ein Gespräch zwischen Eichstätt und der Torgelower Bürgermeisterin. Es geht unter anderem um das Thema der beruflichen Perspektiven und die Frage, ob die Kommune Eichstätt womöglich eine Tätigkeit, und wenn es nur ein Mini-Job ist, anbieten kann. Doch auch dieses Gespräch wird für ihn nicht den gewünschten Erfolg bringen. Trotz seines unermüdlichen Einsatzes im Fußballverein und in einem Jugendclub bleibt seine Arbeit unentgeltlich, da die Kommune kein Geld zur Verfügung hat.

„Im Osten was Neues“ verfügt über etliche dieser fein beobachteten Alltagsmomente. Es wird nachdrücklich deutlich, wie oft es in unserem hektischen, schnelllebigen Alltag doch zu solchen Ereignissen, Augenblicken oder Gesprächen kommt, in denen sich unsere Desillusion und Ernüchterung manifestieren. Und wie mitunter auch die Unzufriedenheit über die gegenwärtige (in diesem Fall: finanzielle) Lebenssituation immer wieder aufs Neue Bestätigung erfährt – mit Folgen für die emotionale Stabilität und das Selbstvertrauen. Dass sich Blumenthal auf diese kleinen, oft übersehenen Details konzentriert, macht „Im Osten was Neues“ so lebensecht, glaubwürdig und authentisch.

Eichstätt ist eindeutig das erzählerische Zentrum der Doku, doch der Film rückt ferner einige der jungen Fußballspieler in den Mittelpunkt, von denen wir vor allem einen näher kennenlernen. Was den bulligen Trainer und die Heranwachsenden eint: Sie alle sehnen sich nach Anerkennung und sie alle haben mit Vorurteilen sowie Ablehnung zu kämpfen. Gleichzeitig kommen Zukunftsängste und finanzielle Sorgen hinzu.

Doch Blumenthal lässt daneben viel Raum für Ausgelassenheit, Positivität und Hoffnung. Dafür nutzt sie in erster Linie die frenetischen, intensiven Szenen auf dem Fußballplatz. Der Sport dient hier mehr denn je als gelungene metaphorische Entsprechung und Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Herausforderungen. Denn auf dem Fußballfeld wie auch im „echten Leben“ entstehen Zusammenhalt und Teamgeist nur durch Respekt und gegenseitige Wertschätzung.

 

Björn Schneider

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