Im Rosengarten

Unweigerlich denkt man momentan an Friedrich Merz’ Begriff vom Stadtbild, wenn man einen Film wie Leis Bagdachs „Im Rosengarten“ anschaut, ein Drama, ein Roadmovie, ein Film über migrantische Deutsche, über Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung, ein später Debütfilm, mit vielen Stärken, aber auch den Schwächen, die das in der deutschen Filmlandschaft bedeutet.

 

Über den Film

Originaltitel

Im Rosengarten

Deutscher Titel

Im Rosengarten

Produktionsland

DEU

Filmdauer

99 min

Produktionsjahr

2024

Regisseur

Bagdach, Leis

Verleih

FOUR GUYS Film Distribution

Starttermin

11.12.2025

 

Eigentlich heißt er Yakub, kurz Yak (Kostja Ullman), aber auf der Bühne ist er FTHR, Star des Deutschrap, aber inzwischen, mit Ende 30, fast so kaputt wie Haftbefehl. Nur mühsam bringt er den letzten Auftritt der Tour zu Ende, da steht sein Manager mit einer schwierigen Nachricht in der Tür: Yaks Vater liegt im Sterben, ein Mann, der vor vielen Jahren aus seinem Leben schied, sich ewig nicht gemeldet hat und nun dem Sohn eine besondere Bürde auflädt: Yak erfährt, dass er eine Halbschwester hat, Latifa (Safinaz Sattar), 15 Jahre, gerade aus Syrien nach Deutschland gekommen.

Begeistert ist er von der Nachricht zwar nicht, wobei: Genau ausmachen lassen sich die Emotionen auf Yaks Gesicht nicht, apathisch wirkt er, fertig mit sich und der Welt, man mag schon von einer etwas verfrühten Midlife-Crisis sprechen. Aber ein gewisses Maß an Verantwortungsgefühl hat Yak und so nimmt er Latifa mit, auch wenn die Kommunikation zwischen den unfreiwilligen Reisegefährten nicht leicht fällt.

Nicht mit einem seiner fetten Sportwagen, sondern mit einem alten Ford, der ihn wohl an seine Jugend erinnert, machen sich Yak und Latifa auf zu einer winterlichen Reise. Sein alter Freund Art (Tom Lass) in der Eifel wird besucht, doch es wird noch heimeliger: Die Großeltern mütterlicherseits leben in der bayerischen Provinz, stehen dem Enkel mit Migrationshintergrund auch nach Jahrzehnten immer noch skeptisch gegenüber.

Ob er will oder nicht beginnt Yak, sich mit seiner Vergangenheit, seiner Herkunft auseinanderzusetzen, er, der in Deutschland geboren wurde, aber meist als Ausländer wahrgenommen wurde, er, der mit dem Beherrschen der Sprache reich und berühmt wurde, der nun aber sprachlos wirkt.

Gerade auch in einer Flüchtlingsunterkunft, mitten in Bayern, in der sich Latifa warmherzig aufgenommen sieht, Yak aber ein wenig neben sich steht. Hat er mit diesen Flüchtlingen aus Syrien irgendwelche Gemeinsamkeiten? In den Augen vieler Deutschen unbedingt, da ist er als Star zwar durchaus gern gesehener Gast, wenn er aber beklagt, dass Latifa nicht respektvoll behandelt wird, ist es mit der Gastfreundschaft schnell vorbei.

Was bedeutet Heimat? Diese Frage schwingt durch einen Film, den Autor und Regisseur Leis Bagdach, selbst in Köln geborener Sohn eines syrischen Vaters und einer deutschen Mutter, seit sehr vielen Jahren im Kopf hat. Und das merkt man seinem späten Debütfilm, den er nun, mit gut Mitte 40 doch noch realisieren konnte, auch an. Einerseits profitiert „Im Rosengarten“ dabei von der langen Genese, dem über die Jahre gewachsenen komplexen Blick auf Fragen der Zugehörigkeit, der Migration und vielem anderen.

Aber genau dieses viele andere ist dann auch der Nachteil eines sehr, sehr lange gärenden Entstehungsprozesses: Manche Dialoge wirken, als wären sie im Lauf von 20 Jahren immer wieder überarbeitet worden, manche Szenen drohen unter der Last der vielfachen Bedeutung zu ersticken, es ist, wie so oft bei deutschen Debütfilmen, alles ein wenig viel.

Sehenswert bleibt „Im Rosengarten“ dennoch, nicht nur wegen seiner immer noch viel zu selten zu sehenden Perspektive, sondern auch wegen Kostja Ullmann, dessen überraschende Besetzung ein gelungenes Wagnis darstellt. Dass auch Ullmann als Sohn eines singhalesisch-indischen Vaters das hat, was als Migrationshintergrund gilt, wurde in vielen seiner bisherigen Rollen kaum oder gar nicht wahrgenommen. Hier, mit dunklem Bart wirkt er bewusst so, wie sich die Allgemeinheit vermutlich einen irgendwie arabisch gelesenen Mann vorstellt. Am Ende bleibt also die Erkenntnis, dass es immer auch ein bisschen Zufall ist, ob man als dies oder das durchgeht, ob man es leicht oder schwer hat, als Deutscher wahrgenommen zu werden. Auch um diese Frage kreist Leis Bagdachs ambitionierter, ein wenig überfrachteter Film, dem man ein breites Publikum wünschen würde.

 

Michael Meyns

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