Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs

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Achtung, Überraschung: Der lang erwartete und von zahllosen Skandälchen umwitterte Wiedereinstieg von Johnny Depp ins Kino ist ein sehenswerter, ambitionierter und unterhaltsamer Kostümfilm – die profilierte Darstellerin und Regisseurin Maïwenn spielt die Titelrolle, und Johnny Depp bietet als Ludwig XV. unter Schminke, Puder und Perücke eine darstellerische Glanzleistung.

Webseite: https://www.wildbunch-germany.de/
Frankreich, Großbritannien 2023
Regie: Maïwenn
Drehbuch: Teddy Lussi-Modeste, Maïwenn, Nicolas Livecchi
Darsteller: Maïwenn, Johnny Depp, Benjamin Lavernhe, Pierre Richard, Melvil Poupaud, Pascal Greggory
Kamera: Laurent Dailland
Musik: Stephen Warbeck
Länge: 116 Minuten
Verleih: Wild Bunch
Start: 24. August 2023

FILMKRITIK:

Als uneheliches Kind einer Schlossbediensteten im frühen 18. Jahrhundert geboren, trägt Jeanne zwar schon früh ein Stigma, aber ihre Kindheit startet einigermaßen erfreulich: Sie ist ungewöhnlich wissbegierig, liest gern und entwickelt sich zu einem selbstbewussten Mädchen. Doch als ihr Förderer stirbt, der vermutlich auch ihr Vater war, werden Jeanne und ihre Mutter aus dem Schloss geworfen. Ihr Weg – ohne Geld und ohne Wohnung – führt sie nach Paris, schon damals eine tonangebende Metropole, in der mittellose Frauen nur auf eine einzige Art überleben können: wenn sie ihren Körper verkaufen. Als Jeanne einige Jahre später nach Versailles kommt, ist sie bereits eine bekannte Kurtisane mit gutem Ruf und ein paar gutbetuchten Männern, die sie unterstützen und ihr ein relativ sorgenfreies Leben ermöglichen.

Ihr Ruf dringt bis ins Königsschloss nach Versailles, wo ein paar Höflinge, die sich ansonsten hauptsächlich als Tratschbrüder und Speichellecker betätigen, die charmante Edelhure Jeanne mit dem König bekannt machen wollen, der mittlerweile lethargisch und freudlos in den Tag hineinlebt. Zumindest ist das der Plan, den die opportunistischen und intriganten Adligen unter Führung von Herzog Richelieu (Pierre Richard) ausgeheckt haben, um sich bei Ludwig XV. beliebt zu machen und ihre Pfründe zu sichern. Doch bevor sie dem König vorgeführt wird, muss sich Jeanne diversen erniedrigenden Prozeduren unterziehen, die sie souverän meistert. Dann läuft alles wie am Schnürchen: Es funkt sofort zwischen den beiden, die kesse Jeanne und der melancholische König verstehen sich blendend, sie wird seine Maitresse, aber nicht nur das: Louis besteht darauf, dass sie als seine Favoritin nach Versailles kommt. Damit macht sich Jeanne viele Feinde innerhalb des Hofstaats. Vor allem aber ist ihr Schicksal komplett von der Gunst des Königs abhängig – die kluge Jeanne weiß das und will das ändern.

In ruhigen, leicht melancholisch angehauchten Bildern erzählt Maïwenns opulentes Kostümdrama die beinahe wahre Geschichte einer warmherzigen Frau, die ihre Reize einsetzt, um zu überleben – eine ehrgeizige Frau, die alles andere als skrupellos ist. Die Titelrolle spielt, wie so oft in ihren Filmen, Maïwenn selbst: als clevere Kurtisane, die nur diskret mit dem kleinen Finger winken muss, um praktisch jeden Mann drumherum zu wickeln. Das schafft sie mit Witz, Intelligenz und Natürlichkeit – drei Eigenschaften, die im höfischen Versailles nicht gerade typisch sind für eine Dame von Welt. Schnell wird Jeanne stilgebend: Was sie heute trägt, ist morgen groß in Mode. Aber sie wird nicht anerkannt, weder von den Prinzessinnen – eine kleine Hommage an die bösen Stiefschwestern aus „Cinderella“ – noch von der intriganten Schickeria bei Hof, die sich darüber mokiert, dass der König ausgerechnet ein Mädchen aus dem Volk liebt und mit Reichtümern überschüttet.

Maïwenn nimmt die Biografie der Madame du Barry als lockere Vorlage, sie schert sich wenig um chronologische Details und interpretiert fröhlich vor sich hin, was insgesamt ein wenig an Sofia Coppolas „Marie Antoinette“ (2006) erinnert. Sie macht aus Jeanne eine sympathische, fortschrittliche Frau, die mit ihrer humanistischen Einstellung Zeichen setzt. So nimmt Maïwenn einen kleinen afrikanischen Waisen bei sich auf, der für sie mehr ist als ein Diener, sondern eher kleiner Bruder oder Sohn. Das historische Detail stimmt tatsächlich. Doch im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen Jeanne und dem König. Dabei verzichtet Maïwenn auf nahezu sämtliche erotischen Aspekte und betont stattdessen die innige freundschaftliche Beziehung zwischen dem vormals sexuell hyperaktiven Monarchen und seiner Geliebten, die sich gemeinsam einen Spaß daraus machen, ihre Umgebung vor den Kopf zu stoßen, indem sie Hofrituale und Etiketteregeln ad absurdum führen. Johnny Depp erweist sich dabei als passender Partner in Maïwenn´s One-Woman-Show, und das nicht nur, weil er die komplette Rolle in französischer Sprache spricht: Er spielt Louis XV. zunächst als abgetörnten und gelangweilten Herrscher. Das macht Johnny Depp mit hübsch diskreter Ironie – er ist ein beinahe depressiver König, nur noch genervt vom starren Hofzeremoniell und von seinen öligen Vasallen. Dank Jeanne findet er das Lachen wieder, er entdeckt sein Herz und findet zu einer Art frühem Humanismus. Insgesamt also ein gelungenes royales Comeback für Johnny Depp und ein echtes Vergnügen fürs Publikum.

Gaby Sikorski