Jupiter

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In seinem Debütfilm verknüpft Benjamin Pfohl Science-Fiction-Fantasy, Coming-of-Age-Drama und die Machenschaften einer Endzeit-Sekte. Trotz der sehr reduzierten Mittel der kleinen Produktion gelingt Pfohl ein atmosphärisch und stilistisch überzeugendes Drama in dem die Newcomerin Mariella Aumann überzeugend eine Teenagerin spielt, die beginnt, ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt.

Jupiter
Deutschland 2023
Regie: Benjamin Pfohl
Buch: Benjamin Pfohl & Silvia Wolkan
Darsteller: Mariella Aumann, Laura Tonke, Andreas Döhler, Ulrich Matthes, Paula Kober

Länge: 101 Minuten
Verleih: missingFILMs
Kinostart: 23. Januar 2025

FILMKRITIK:

Die Stimmung im Land ist schlecht, Krisen von Corona, über hohe Inflation, bis hin zu Kriegen drücken auf die Stimmung und da war noch gar nicht von der scheinbar unaufhaltsamen Klimakatastrophe die Rede. Man mag es also verstehen, dass Barbara (Laura Tonke) und Thomas (Andreas Döhler) nicht mehr so recht wissen, wie das alles weiter gehen soll, zumal ihr zehnjähriger Sohn Paul seit Geburt schwer autistisch ist und in seiner eigenen Welt zu leben scheint.
Allein seine vier Jahre ältere Schwester Lea (Mariella Aumann) hat einen guten Draht zu ihrem Bruder, kann ihn beruhigen, auch wenn um ihn herum das Chaos ausbricht. Doch Lea hat mit eigenen Problemen zu kämpfen, die weit über das hinausgehen, was ein gewöhnliches Mädchen im Teenager-Alter durchzustehen hat.
Denn ihre Eltern haben sich schon vor Jahren einer seltsamen Endzeit-Sekte und ihrem Guru Wolf (Ulrich Matthes) angeschlossen, die den Ursprung der Menschheit auf dem Jupiter vermutet. Angesichts der scheinbar unaufhaltsamen Katastrophen, die sich nun auf der Erde zusammenbrauen, sehen die Sektenmitglieder nur einen Ausweg: Eine Rückkehr zum Heimatplaneten. Quasi als Raumschiff soll dabei ein Komet dienen, der bald nah an der Erde vorbeifliegen wird.
Aus diesem Grund brechen Barbara und Thomas sämtliche Brücken zur Zivilisation ab und finden sich in einer Art Zeltlager tief im bayerischen Wald ein. Sehr zum Unwillen von Lea, die deswegen unsanft von einer Party geholt wurde und erst langsam realisiert, dass es in den Augen ihrer Eltern kein Zurück mehr gibt.
Als „Mädchen vom Jupiter“ wird Lea von ihren Mitschülern verlacht, wenn sie in der Schule einmal mehr von drohenden Katastrophen spricht, die Menschheit für die Zerstörung ihres Planeten verantwortlich macht. Womit sie natürlich recht hat, was die meisten ihrer Mitschüler allerdings im Angesicht drängenderer Fragen, wie etwa der, was man zur Party anzieht oder ob einen dieser Junge oder Mädchen nun gut findet, herzlich wenig interessiert.
Doch auch wenn Lea anders tickt als ihre Altersgenossinnen: Sterben möchte sie deswegen noch lange nicht. Trotz ihrer 14 Jahre wirkt sie im Kreis der Sektenmitglieder wie die vernünftigste, scheint als einzige zu durchschauen, dass es sich hier um einen Massenselbstmord handelt, der an amerikanische Vorbilder wie die von Benjamin Roden gegründeten Branch Davidians oder Jim Jones Peoples Temple angelehnt wirkt.
Schon in seinem erfolgreichen Kurzfilm gleichen Namens hatte Benjamin Pfohl sich mit diesem Thema beschäftigt, 2019 wohlgemerkt, also noch bevor im Zuge der Corona-Pandemie zunehmend auch in Deutschland bizarre Verschwörungstheorien seltsame Blüten schlugen. 2022, als die Pandemie also noch aktiv war, drehte Pfohl nun eine lange Version, in der mache Dialoge unweigerlich an das Verhalten von Querdenkern und Schwurblern denken lassen: Von „denen da oben“ ist immer wieder als Feindbild und Ursache allen Elends die Rede, doch angesichts ihrer Verzweiflung empfindet man fast ein wenig Mitleid mit den Eltern.
Im Mittelpunkt steht jedoch immer Lea, aus deren Perspektive Benjamin Pfohl erzählt, um die herum er sein ambitioniertes Coming-of-Age-Drama aufbaut, das von einer Emanzipation der etwas radikaleren Art erzählt.

Michael Meyns