Kedi – Von Katzen und Menschen

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Katzen-Videos garantieren in den sozialen Netzwerken stets beste Quoten. Nun sollen die Samtpfoten auch die Leinwand erobern - was in den US-Kinos bereits erfolgreich gelang. Die Doku-Idee ist so schlicht wie genial: Die Kamera folgt sieben verschiedenen Katzen in ihrem Biotop Istanbul. Es handelt sich dabei um keine Stuben-, sondern Straßen-Tiger, schließlich gilt die türkische Metropole als El Dorado solcher schnurrenden Streuner. Bei den Einwohnern sind die freiheitsliebenden Vierbeiner traditionell beliebt. Dank der unterschiedlichen Charaktere dieser pelzigen glorreichen Sieben entwickeln sich hübsche, kleine Geschichten aus der Großstadt. Präsentiert werden sie mit putzigen Bildern der anmutigen Tiere, die auf der großen Leinwand einen ganz besonderen Charme entwickeln, dem Internet-Videos kaum Konkurrenz bieten können.

Webseite: www.weltkino.de

Türkei, USA 2016
Regie: Ceyda Torun
Filmlänge: 79 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 10.8.2017

FILMKRITIK:

„In Istanbul ist die Katze mehr als nur eine Katze. Die Katze verkörpert das unbeschreibliche Chaos, die Kultur und die Einzigartigkeit, die Istanbul ausmacht“, heißt es in dieser Doku einmal. Tatsächlich genießen die Tiere in der türkischen Metropole einen ganz besonderen Stellenwert. Sie führen als Streuner ein Leben in völliger Freiheit und können sich darauf verlassen, von den Bewohnern ihre Streicheleinheiten und Futter zu bekommen. Selbst Fischhändler zeigen sich nachsichtig beim regelmäßigen Ladendiebstahl durch die selbstbewussten Vierbeiner.  
 
Sieben Miezen macht die Doku zu ihren Stars. Weil jede einen ausgesprochen eigenwilligen Charakter besitzt, entsteht ein amüsantes Figurenkarussell mir reichlich Potenzial für kleine Geschichten. Da wäre Sari, die Gaunerin. Eine weiß-gelb gescheckte Katze, die als hartnäckige Bettlerin in den Cafés erfolgreich ist. Die grau-braun gefärbte Bengü setzt auf schnurrenden Charme, ebenso wie Kuschel-Kater Deniz, auch Schmetterling genannt. Der schwarz-weiße Kater Aslan macht sich als Rattenjäger in einem berühmten Fisch-Lokal beliebt. Selbst von den Hunden gefürchtet ist die resolute Kurzhaar-Katze Psikopat, die ihren Namen nicht zu Unrecht trägt. Als König des Künstler-Viertels genießt Gamsiz, der Spieler, sein sorgenfreies Leben, derweil der grau-weiße, etwas pummelige Duman seinem Beinamen Gentleman alle Ehre macht und sich auf die regelmäßigen Leckerbissen eines Feinkost-Ladens verlässt, die eine in ihn vernarrte Besitzerin bereitstellt. Jeder der pelzigen Streuner hat Einwohner gefunden, die sich um ihn kümmern - wobei die Regeln der Zuneigung allein von den Vierbeinern aufgestellt werden. Die Katze kauft den Menschen nicht im Sack, sondern gibt sich wählerisch, wen sie als Dienstleister zulässt. Die wiederum bieten ihren Service überaus willig an. Für die einen wirkte bereits die bloße Beobachtung der Samtpfoten wie Balsam in der Großstadt-Hektik. Für die anderen taugen Füttern und Streicheln sogar als wirksame Therapie gegen Depressionen.      
 
Die in Istanbul aufgewachsene und mittlerweile in den USA lebende Regisseurin Ceyda Torun versteht ihren Film als „Liebesbrief an die Katzen und die Stadt“. Kaum verwunderlich, dass sie ihre tierische Helden mit niedlichen Namen versieht, während die Menschen lediglich als unbekannte Erzähler, gleichsam als Statisten, ihre Begeisterung äußern dürfen. Ebenso konsequent bewegt sich die Kamera häufig auf Augenhöhe der streunenden Stars. Die Katzenperspektive ermöglicht ganz neue Ansichten auf die Stadt und ihre Bewohner. Der Zuschauer ist mittendrin, statt nur dabei. Vor allem aber bieten sich Chancen zu eindrucksvollen Großaufnahmen der geschmeidigen Schönheiten auf vier Pfoten.
 
Katzenhasser mögen bemängeln, dass die Story-Substanz kaum ganz abendfüllend ist. Für Fans jedoch dürfte das verspielte Konzept absolut funktionieren und eine süchtig machende Wirkung wie Katzenminze haben. Die Hoffnung der Regisseurin scheint allemal aufzugehen, wonach ihre flauschige Doku „sich für den Zuschauer anfühlt, als hätte sich gerade unerwartet eine inbrünstig schnurrende Katze auf seinen Schoß gekuschelt.“
 
Dieter Oßwald