Khadak

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Das belgisch-amerikanischen Regisseursduo Peter Brosens & Jessica Woodworth begibt sich in seinem Film „Khadak“ auf eine Reise in die Mongolei. Weniger das alltägliche, traditionelle Leben steht hier im Vordergrund, sondern die Mythen und Geschichten eines Volkes, das von der Moderne eingenommen wird. Vor allem visuell überzeugt der Film, der sich zwar bemüht nicht den gleichen von westlichen Vorstellungen beeinflussten Blick auf die Mongolei zu werfen, wie es so viele Filme der letzten Zeit getan haben, dabei allerdings nur bedingt erfolgreich ist.

Webseite: farbfilm-verleih.de

Deutschland 2006
Buch & Regie: Peter Brosens & Jessica Woodworth
Darsteller: Batzul Khayankhyarvaa, Tsetsegee Byamba, Damchaa Banzar, Tserendarizav Dashnyam, Dugarsuren Dagvadorj
104 Minuten, Format 1:1,85
Verleih: farbfilm Verleih
Kinostart: 17. April 2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Auch  „Khadak“ beginnt in den Steppen der Mongolei, zeigt jene typischen Jurtenzelte und Nomadenfamilien, in denen der „typische“ Mongolei-Film dieser Tage angesiedelt ist. Doch bald schon entwickelt dich die Erzählung in andere Richtung, geht über ein bloßes Darstellen des malerischen, kargen Lebens der Steppennomaden hinaus. Hauptfigur ist Bagi, ein 17 jähriger Junge, der mit Mutter und Großvater in den einsamen Weiten der Steppe lebt und die Herde der Familie hütet. Nach einem epileptischen Anfall erklärt der Großvater ihm, dass er eine besondere Gabe besitzt. Er hat schamanische Kräfte und kann andere Lebewesen über weite Entfernung wahrnehmen. Doch Bagi will davon nichts wissen, er verweigert sich seinem Schicksal und damit den Traditionen.

Kurz darauf trifft ein Militärconvoy ein, der die Bewohner zum Umzug auffordert. Ihre Herden seien von einer Seuche befallen, die Gegend müsse daher geräumt werden. Neues zu Hause ist eine triste Wohnsiedlung in einem Bergbaudorf, wo die Mutter einen riesigen Bagger bedient und der Großvater mit seinem Schicksal hadert. Bagi wiederum lernt eine Gruppe Jugendlicher kennen, die ebenso wie er gegen die Umstände ihres Daseins aufbegehren. Langsam beginnt Bagi nun seine Fähigkeiten zu akzeptieren, begibt sich immer häufiger in bizarre Traumwelten und wird zum Anführer einer Revolte gegen das System.

Gleich mit ihrem ersten Spielfilm wollen Peter Brosens & Jessica Woodworth ganz hoch hinaus. Stilistisch könnte man Khadak zwischen den starren Bildern des asiatischen Kinos und den makellosen Bildkompositionen eines Theo Angelopoulos verorten. Inhaltlich bewegt man sich in Traumwelten unergründlicher Herkunft, die eine zeitlose Aura zu evozieren suchen, die oft stark von den surrealen Bildern Andrej Tarkovsky inspiriert wirkt. 

Doch der Versuch, eine Geschichte in erster Linie über Bilder, Andeutungen, enigmatische Bilder zu erzählen, gelingt nicht immer. Im besten Fall, gerade in den Visionen Bagis, entstehen da mysteriöse Bilder zeitloser Welten, denen etwas futuristisches, aber gleichzeitig Verfallenes anhaftet. In solchen Momenten spürt man die Intention der Autoren, über den unaufhaltsamen Einzug der Moderne in die Mongolei zu erzählen, vom Konflikt zwischen der schamanischen Tradition und den Einflusssphären Russlands. Doch allein, das manche Bilder direkt aus Tarkovsky-Filmen übernommen zu sein scheinen, führt zum größten Problem. Es gelingt den Autoren nur bedingt eine eigene Welt zu schaffen, die Leerstellen zwischen den Bildern mit Inhalten zu füllen. Oft greift man dann doch auf langatmige Dialogpassagen zurück, die den Kontext herstellen sollen, den eigentlich die Bilder erzeugt müssten. Allein der Versuch einen „anderen“ Film über die Mongolei zu drehen ist fraglos aller Ehren wert, dass man dabei etwas über die erzählerischen Fähigkeiten hinausgeschossen ist, bedauerlich.
 

Michael Meyns

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Mongolei. Tiefster Winter. In der schneebedeckten Steppe lebt der junge Nomade Bagi mit der Mutter und dem Großvater. Der Vater ist tot. Als Bagi ein verirrtes Schaf sucht, bekommt er einen epileptischen Anfall. Eine Schamanin, die ihn heilen will, prophezeit ihm, dass er einst Schamane sein werde. Bagi will davon nichts wissen, obwohl er übernatürliche Kräfte spürt. Er kann zum Beispiel Tiere aus weiter Entfernung wahrnehmen.

Soldaten tauchen auf. Angeblich geht eine Seuche um. Alle Tiere müssten in Gewahrsam genommen, eventuell getötet werden. 

Bagi und seine Familie sollen die Steppe verlassen. Sie werden in eine Bergwerksiedung gebracht, eine Art Ghetto. Die Mutter wird Baggerführerin. Bagi fährt mit dem Motorrad die Post aus. Der Großvater ist zuhause. 

Bagi rettet eine attraktive Kohlediebin davor, verschüttet zu werden. Er zieht mit ihr davon. Beide werden entdeckt und in ein Gefangenenlager gesteckt. Bagi erleidet erneut einen epileptischen Anfall. Er wird in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht. Die Ärzte wollen ihn mit Methoden der Schulmedizin heilen. Doch jetzt ist die Schamanin wieder zugegen, und nun bricht bei dem jungen Mann sein Schamanentum durch. Es kommt zu Traumreisen, zu „Schamanenreisen auf Wasserwegen“, zur Wahrnehmung von Tieren, die angeblich tot sind, zur Erscheinung von Parallelwelten, zum Widerstand gegen die Zerstörung der Umwelt und die Vertreibung der Nomaden.

Beileibe keine einfache Sache. Ein Film mit ziemlich unberechenbaren Handlungssprüngen; voller Traumbilder und irrealer Bezüge; mit einprägsamen Situations- und Landschaftstableaux; mit dem Versuch, unsichtbare Welten sichtbar zu machen und sinnbildlich zu erklären; das Schamanentum darzustellen, in dem der Himmel oberste Gewalt über das Handeln der Menschen ist und in dem es nicht um gut oder böse geht, sondern um Ungleichgewicht und Gleichgewicht zwischen den Energien und Welten, zwischen den Elementen Feuer, Luft und Wasser, zwischen den Heilkräften der Natur, zwischen den Tieren, den Pflanzen, ja sogar zwischen den Steinen.

Wie gesagt ein Film voller Rätsel, einer der Anforderungen stellt.

Thomas Engel