Kirschblüten & Dämonen

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Ein gutes Jahrzehnt nach ihrem Erfolg mit dem rührenden Trauerdrama „Kirschblüten - Hanami“ knüpft die Filmemacherin Doris Dörrie an die Geschichte des Films an. In „Kirschblüten & Dämonen“ steht der von Golo Euler gespielte und bereits im Vorgänger präsente Karl im Mittelpunkt, dem seine toten Eltern nun als Geister erscheinen. Dörrie gelingt ein ästhetisch bebildertes und sehr stimmungsvolles, geradezu meditatives Drama, das vom Leben, vom Tod, der Liebe und dem Unbekannten zwischen Himmel und Erde erzählt.

Webseite: www.constantin-film.de/kino/kirschblueten-daemonen

Deutschland 2019
Regie: Doris Dörrie
Drehbuch: Doris Dörrie
Darsteller/innen: Golo Euler, Aya Irizuki, Felix Eitner, Floriane Daniel, Birgit Minichmayr, Sophie Rogall, Elmar Wepper, Hannelore Elsner
Laufzeit: 110 Min.
Verleih: Constantin Film
Kinostart: 7. März 2019

FILMKRITIK:

Zehn Jahre nach dem Tod seiner Eltern Rudi und Trudi (Elmar Wepper, Hannelore Elsner) stehen die Dinge für deren jüngsten Sohn Karl (Golo Euler) schlecht. Karl trinkt zu viel, hat seinen Job verloren und darf seine von ihm getrennt lebende Tochter nicht sehen. Sein lebensmüder Blick verrät die Leere in seinem Leben; die Leitung zum Glück scheint gekappt.
 
Karls traurige Existenz nimmt eine Wende, als die quirlige Japanerin Yu (Aya Irizuki) unverhofft vor seiner Wohnungstür steht. Yu, die im Vorgängerfilm dem trauernden Rudi beistand, begleitet Karl zum Grab der Eltern und in sein verlassenes Elternhaus im Allgäu, wo Kindheitserinnerungen aufschimmern und ihm die toten Eltern erscheinen. Vieles in dem Haus, von den Tellern angefangen, erinnert an die Vergangenheit. Karls Schwester Karolin (ein ruppiger Auftritt von Birgit Minichmayr) drückt das bei einem Besuch ganz salopp so aus: „Hier stinkt es wie früher.“
 
Die Frage, ob es sich bei den Geistern der Eltern um Halluzinationen oder reale Vorkommnisse handelt, bleibt in der Schwebe. Manche Hinweise lassen vermuten, dass Karl die Japanerin nur imaginiert. Schon ihre Begrüßung legt das nahe: „I am Yu,“ sagt sie, wobei der Name wie das englische „You“ ausgesprochen wird: „Ich bin du.“ Wenn sie Karls Selbstwertgefühl aufbaut („Du bist gut so wie du bist“), könnte sie auch ein Platzhalter für die wieder aufflackernde Selbstachtung des Manns sein.
 
Letztlich ist es egal, was hier real ist und was eingebildet. Die Auswirkungen auf Karl zählen. Der erlebt im Verlauf der Geschichte noch großes Unglück, tritt seinem Schicksal aber gefasster entgegen. Zum Ende hin besitzt er wieder den Lebenswillen, den er vorher verloren hatte. Bis dahin spenden Yu und ein auf dem Smartphone abgespieltes Lagerfeuer Wärme.
 
„Kirschblüten & Dämonen“ ist eine von verspielter Musik untermalte Meditation über das Leben, den Tod und die Liebe, die Doris Dörrie trotz ernster Themen auf leichte Weise erzählt. Vom schön animierten Vorspann an entwerfen Dörrie und der bereits am Vorgänger beteiligte Kameramann Hanno Lentz („Grüße aus Fukushima“) viele ausdrucksstarke Stimmungsbilder, bei denen die Kamera nah an die Figuren und bestimmte Details heranrückt. Die Rückblenden in die Kindheit sind überbelichtet, die Erscheinungen der toten Eltern werden durch Shutter-Effekten verfremdet. So entsteht eine mysteriöse, bisweilen fast gruselige Atmosphäre, bei der auch mal eine schwarze Katze den Weg kreuzt.
 
Der aus „Fado“ bekannte Golo Euler vermittelt Karls Depression ebenso glaubhaft wie die vielen zarten Momente und seine tiefe Faszination für Yu, der er schließlich bis nach Japan folgt. Was Elmar Wepper für den ersten Teil war, ist Golo Euler für die Fortführung: Der emotionale Anker und ein echter Besetzungscoup.
 
Christian Horn