Knock Knock Knock

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Häuslicher Missbrauch und toxische Familienstrukturen dienen im Horrorkino, besonders in der jüngeren Vergangenheit, des Öfteren als Ausgangspunkt für erschütternd schmerzhafte Geschichten. Der Schrecken, der im Alltäglichen lauert, ist meistens am größten, geht am tiefsten unter die Haut. Diesem Credo möchte auch der Gruselstreifen „Knock Knock Knock“ folgen. Das Kinodebüt des serienerprobten Franzosen Samuel Bodin (unter anderem beteiligt an der Netflix-Produktion „Marianne“) beginnt vielversprechend, verliert sich mit der Zeit aber in Genreklischees und plakativen Exzessen.

Webseite: https://tobis.de/titel/knock-knock-knock

Cobweb
USA 2023
Regie: Samuel Bodin
Drehbuch: Chris Thomas Devlin
Darsteller: Woody Norman, Lizzy Caplan, Antony Starr, Cleopatra Coleman, Luke Busey, Aleksandra Dragova, Jay Rincon, Anton Kottas u. a.

Länge: 88 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Tobis Film GmbH
Kinostart: 1. Mai 2024

FILMKRITIK:

Kurz vor Halloween – wann sonst in einem Horrorfilm!? – wird der achtjährige Peter (Woody Norman) von großer Unruhe erfasst. Des Nachts kommt ein Klopfen aus der Wand in seinem Kinderzimmer, das dem Jungen den Schlaf raubt. Mutter Carol (Lizzy Caplan) und Vater Mark (Antony Starr) reagieren, wie man es von Elternfiguren im Genre kennt: Peter habe einfach eine zu lebhafte Fantasie! Einerseits treten sie überfürsorglich auf, wollen ihn vor Gefahren schützen. Andererseits nehmen sie keine Rücksicht auf seine Ängste, seine Bedürfnisse. Das sticht bereits sehr früh ins Auge.

Ihr Haus wirkt seltsam trist, düster, nicht so, als würde hier eine Familie wohnen. Auch der Garten, der mit matschigen, verfaulten Kürbissen übersät ist, sieht nicht gerade einladend aus. Ähnlich bedrückend: der Schulalltag. Peter wird gemobbt, ist unverkennbar ein Außenseiter. Etwas Licht gelangt erst mit der neuen Vertretungslehrerin Miss Devine (Cleopatra Coleman) – welch sprechender Name! – in seine finstere Welt.

Zu seinem Erstaunen intensiviert sich nicht nur das Klopfen. Irgendwann flüstert ihm sogar eine Stimme zu, dass er sich gegen die Schikanen endlich zur Wehr setzen solle. Gesagt, getan. Doch mit einem Schulverweis beginnt für Peter ein Martyrium, das seine sich Sorgen machende Lehrerin erahnt, ohne vorerst aktiv werden zu können.

Ist das Leben des kleinen Protagonisten wirklich so grauenvoll? Oder verzerrt die Wahrnehmung des verunsicherten Jungen, durch dessen Augen wir auf das Geschehen blicken, die filmische Wirklichkeit? „Knock Knock Knock“, im Original übrigens als „Cobweb“, also „Spinnennetz“, betitelt, entwirft ein atmosphärisch packendes Szenario und schafft leicht die Bindung zwischen Publikum und Hauptfigur. Mit Kindern in Gefahrensituationen leidet man schließlich automatisch mit. Dass sich handfestes Unbehagen breitmacht, liegt auch am seltsam bedrohlichen, oft unterkühlten Verhalten der Eltern. Vor allem Antony Starr strahlt eine unangenehme Präsenz aus.

Je mehr wir über die Hintergründe des Klopfens und der Flüsterstimme erfahren, umso generischer wird allerdings der Film. Im Roadmovie „Come on, Come on“ durfte Woody Norman das Empfinden und Erleben eines Kindes noch eingehend erforschen. Hier tritt Peters emotionale Notlage dagegen zunehmend hinter altbekannten Horrormotiven und blutigen Eskalationen zurück. Bei manchen Gruselbildern kommt einem beispielsweise sofort der moderne japanische Schockklassiker „Ring – Das Original“ in den Sinn.

Sich von bereits Dagewesenem inspirieren zu lassen, ist selbstverständlich nicht verboten. Wenn ein Gefühl der Beliebigkeit einsetzt, wird es jedoch problematisch. Im Fall von „Knock Knock Knock“ erscheint nicht nur die Verortung der Handlung rund um Halloween wie eine reine Konvention. Auch das in so vielen Horrorfilmen besungene Lied vom gemobbten Außenseiter erweist sich im dritten Akt als austauschbarer Erzählbaustein. Seine Funktion: Billiges Kanonenfutter für eine deftiges Schreckensfinale heranzuschaffen.

Samuel Bodins Kinoerstling baut kompetent ein Klima der Beklemmung auf, hat eine reizvolle Ausgangslage, erliegt aber, wie so viele gegenwärtige Genrearbeiten, den Verlockungen der Effekthascherei. Gespannt sein darf man dennoch, was der französische Regisseur als Nächstes auf die große Leinwand zaubert. Weitere Gruselgeschichten, so ließ er in Interviews verlauten, würde er gerne inszenieren.

 

Christopher Diekhaus