Layla M.

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Auf vermintes Gebiet begibt sich die niederländische Regisseurin Mijke de Jong in ihrem Film „Layla M.“, in dem eine 18jährige Muslima im Mittelpunkt steht, die in Amsterdam ein Leben zwischen westlicher Freiheit und zunehmender Radikalität lebt. Manchmal etwas didaktisch ist de Jongs Film, vor allem aber ein gelungener Versuch, vorgefertigte Ansichten zu hinterfragen.

Webseite: www.missingfilms.de

Niederlande 2016
Regie: Mijke de Jong
Buch: Jan Eilander & Mijke de Jong
Darsteller: Nore El Koussour, Ilias Addab, Hassan Akkouch, Yasemin Cetinkaya, Husam Chadat, Karl Ferlin
Länge: 98 Minuten
Verleih: missing FILMs
Kinostart: 12. April 2018

FILMKRITIK:

Layla (Nore El Koussour) ist 18 und lebt in Amsterdam in einer scheinbar gut integrierten Familie. Sie ist gut in der Schule und plant, Medizin zu studieren, ist beim Fußball engagiert, offen und direkt. Doch inzwischen hat sie begonnen, Kopftuch zu tragen, aus eigenem Antrieb, als Zeichen der Verbundenheit mit Frauen in der arabischen Welt, aber auch als Zeichen des Widerstandes gegen die immer häufiger werden Angriffe und Beschimpfungen, die sie sich als arabisch aussehender Frau in der westlichen Welt ausgesetzt sieht.
 
Doch das ist nicht der einzige Grund für ihre Politisierung: In Online-Foren schreibt sie mit Abdel (Ilias Addab), der ihr Artikel und Videos über die Lage in Syrien schickt, Bilder voller Grauen, Berichte von Flüchtlingen und den Folgen auch der westlichen Politik.
 
Während ihre Eltern gemäßigte Muslime sind, nur unregelmäßig in die Moschee gehen, trägt Layla ihren Glauben zunehmend offensiv vor sich her, postet Videos im Netz, demonstriert mit Gesichtsschleier und muss erleben, wie auch ihr geliebter Bruder bei einer Demonstration verhaftet wird. Allein gegen den Staat scheint Layla zu stehen und beschließt, aus ihrem bisherigen Leben auszubrechen: Sie heiratet Abdel und will mit ihm nach Belgien gehen, doch bevor es soweit ist, haben sie die Geheimdienste auf den Fersen und nur noch eine Möglichkeit: Nach Jordanien zu fliehen.
 
„Freiwillig würde ja keine Frau Kopftuch tragen oder sich gar verschleiern“. So ähnlich hört sich das oft an, wenn sich Deutsche, Engländer, Holländer oder andere Westler über muslimische Frauen äußern, sie quasi vor dem Islam schützen wollen, der Frauen ja grundsätzlich unterdrückt. Dass es so einfach nicht ist, dass muslimische Frauen durchaus freiwillig Kopftuch tragen können, ist ein Aspekt von Mijke de Jongs Film „Layla M.“. Er spielt zwar in Amsterdam, doch fern der Touristengegenden, so dass eine neutrale Welt entsteht, wie sie wohl in vielen europäischen Städten zu finden ist, in denen größere Gruppen Muslime leben. Ein differenziertes Bild dieser Welt zeichnet de Jong, zeigt vor allem eine überaus starke, selbstbewusste Frau, die auch ihren Eltern schon mal widerspricht, die ihren eigenen Kopf hat und damit bislang ganz gut gefahren ist.
 
Bislang, denn der Weg, den Layla nun durchlebt ist dann doch von manchen der Klischees geprägt, die mit der Radikalisierung von jungen Muslimen und dem Weg in den Jihad verbunden sind. Zwar ist es eher ihr Freund und spätere Mann Abdel, der den Weg anführt, der Layla mitzieht, sie in den Nahen Osten mitnimmt, doch wie Layla dort behandelt wird, wie sie erlebt, das die schönen Sprüche von der Gleichberechtigung der Frau, sich als Trugbilder erweisen, das bestätigt auf der einen Seite islamskeptische Vorurteile. Doch de Jong gelingt es, den Weg, den Layla einschlägt, differenziert zu schildern, ihn nicht isoliert zu zeigen, sondern auch als Folge der europäischen Politik, der Anfeindungen durch Bürger, der Schikanen durch die Polizei, der sich Muslime ausgesetzt sehen. Nicht um zu rechtfertigen, sondern um aufzuzeigen, wie schwierig es ist, sich in der modernen westlichen Welt, zwischen den Kulturen zurechtzufinden und nicht auf potentiell gefährliche Irrwege zu geraten.
 
Michael Meyns