Lemon Tree

Zum Vergrößern klicken

Einmal mehr widmet sich Eran Riklis (DIE SYRISCHE BRAUT) dem tragi-komischen Alltag in Israel/Palästina, diesmal in Form einer absurden Rechtsstreitigkeit. Als der israelische Verteidigungsminister an die Grenze zur Westbank zieht, wird der Zitronenhain von Salma auf einmal zum Sicherheitsrisiko. In einem aussichtslosen Kampf geht die Palästinenserin bis zum Obersten Gerichtshof, um ihre Bäume zu retten. Ein Märchen zwischen Hoffnung und Resignation.

Webseite: www.arsenalfilm.de

Israel/Deutschland/Frankreich 2007
Regie: Eran Riklis
Kamera: Rainer Klausmann
Schnitt: Tova Ascher
Musik: Habib Shahadeh Hanna
Darsteller: Hiam Abbass, Ali Suliman, Rona Lipaz-Michael, Doron Tavory, Tarik Copty
Länge: 100 min
Verleih: Arsenal Filmverleih
Starttermin: 2.10.2008

PRESSESTIMMEN:

Ein starker Film, ohne Pathos und mit stets aufblitzernder Situationskomik.
Brigitte

Ein amüsanter, grundoptimistischer Blick von Regisseur Riklis über den Grenzkonflikt in seiner Heimat.
Kultur-Spiegel

Weitere Pressestimmen auf film-zeit.de...

FILMKRITIK:

LEMON TREE erzählt eine aberwitzige Geschichte: die verwitwete Palästinenserin Salma lebt in der Westbank, unmittelbar an der Grenze zu Israel. Der Zitronenhain, den sie von ihrem Vater geerbt hat und der ihren Lebensunterhalt darstellt, reicht bis an den Grenzzaun. Als der israelische Verteidigungsminister ein Haus auf der anderen Seite der Grenze bezieht, wird der alte Hain auf einmal zum Sicherheitsrisiko und soll gefällt werden. Salma ist empört. Zusammen mit dem jungen Anwalt Ziad klagt sie bis zum Obersten Verfassungsgericht Israels, um ihre Bäume zu verteidigen.

Nach seinem Erfolg DIE SYRISCHE BRAUT hat Regisseur Eran Riklis wieder einen Film über die tragischen und absurden Auswirkungen gedreht, die politische Grenzen für das alltägliche Leben der Bewohner des Nahen Ostens haben. Im Vergleich zur SYRISCHEN BRAUT, in der Riklis einen seltsamen Hochzeitstag zum Anlaß nahm, um ganz nebenher zu zeigen, wo die inneren und äußeren Konfliktlinien verlaufen, wirkt LEMON TREE manchmal etwas konstruiert. Dass der israelische Verteidigungsminister in ein Haus ziehen würde, das unmittelbar an der israelisch-palästinensischen Grenze liegt, scheint in der Realität ebenso undenkbar, wie dass die Ministergattin sich über den Zaun hinweg nach und nach mit ihrer Nachbarin solidarisiert, oder wie die zarte Verliebtheit, die sich zwischen dem jungen arabischen Anwalt und der überaus schönen Plantagenbesitzerin (Hiam Abbas) anspinnt.

Andererseits ist da wieder Riklis scharfsichtiger Blick für die Unmöglichkeiten des israelisch-palästinensichen Alltags. In vielen kleinen Szenen beschreibt der Regisseur beispielsweise die unsichtbaren Grenzen, die den Frauen des Films ihren Handlungsraum nehmen. Auf der israelischen Seite fügt Mira die Ministergattin sich immer wieder dem Wunsch ihres Mannes und der Staatsräson. Als Salma sich auf der anderen Seite ein paar Mal zu oft mit ihrem Anwalt trifft, kommen Männer des Dorfes, um sie an ihre Ehre zu erinnern. Minutiös filmt Riklis den ständigen ‚Schleiertanz’ in ihrem Alltag: Kopftuch auf , Kopftuch ab, Kopftuch lose geknotet für Freunde, fest für Dorfälteste und abwehrend für Fremde. Mira und Salma, das sind starke Frauen in einem offenen Gefängnis. 

Die märchenhafte Konstruktion und die hübschen Bilder von LEMON TREE täuschen Harmlosigkeit vor. Ein freundlicher Arthouse-Film denkt man, Happy-End inklusive. Doch der Schein trügt – wie schon DIE SYRISCHE BRAUT lebt auch LEMON TREE in einer labilen Gefühlslage zwischen Optimismus und Pessimismus, die der Regisseur ‚Opsimismus’ nennt und die viel über den Alltag in Israel/Palästina verrät. Hoffnungsvolle Fiktion und resignierter Realismus wechseln einander ab. Das mutige Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung droht immer wieder von den Realitäten erdrückt zu werden.  
Hendrike Bake

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Wie lange schon und wie oft bestand die Erwartung, dass das israelisch-palästinensische Problem gelöst werden könne. Noch immer ist es nicht so weit. Immerhin bleibt die Hoffnung, die zuletzt stirbt. Der vorliegende Film ist so etwas wie ein weiterer Stein in dem Mosaik, das letztlich die Sicht auf die komplexe Lage wieder etwas erweitert. Solche Beiträge sind vielleicht doch geeignet, die Gegensätze mit der Zeit etwas zu enthärten, das Einander-Näherkommen zu beschleunigen und ein Ende der Gegnerschaft herbeizuführen. Regisseur des Films ist Eran Riklis, der vor allem durch „Die syrische Braut“ bekannt wurde. „Lemon Tree“ erhielt auf der Berlinale 2008 den Panorama-Publikumspreis.

Westbank, in der Nähe der Grenze zu rein israelisch besetztem Gebiet. Die Witwe Salma Zidane besitzt dort ein Häuschen, umgeben von einem Zitronenhain. Ihr Mann ist tot, die Kinder aus dem Haus. Salma lebt von den Früchten ihrer Zitronenbäume. Nebenan zieht der israelische Verteidigungsminister mit seiner Gattin Mira ein. Jetzt wird Salmas Hain zur Sicherheitsfrage, denn gedeckt von den Bäumen könnten sich Terroristen anschleichen und den Minister bedrohen.

Geheimdienst und Militär beschließen, dass die Zitronenbäume gefällt werden müssen. Die stille und zurückhaltende Salma wehrt sich, will sich nicht gefallen lassen, dass das Erbe ihres Vaters zunichte gemacht wird. Zusammen mit dem jüngeren palästinensischen Anwalt Ziad Daud, zu dem sie entgegen dem Willen der Männer ihrer Ortschaft zarte Liebesgefühle entwickelt, geht sie bis vor das oberste israelische Gericht. Ein Urteil ergeht. Ist es ein salomonisches? Jeder muss dies selbst beurteilen.

Zur Debatte stehen: die Frage, ob ein übertriebenes israelisches Schutzbedürfnis besteht; die mögliche Gefahr durch Terroristen; die schleimige Haltung des Ministers, der etwas anderes von sich gibt, je nachdem ob die TV-Kamera läuft oder nicht; der unbedingte Eigentums- und Rechtsanspruch Salmas; die zum Scheitern verurteilte Liebe zwischen Salma und Ziad Daud; die mutige, von Gerechtigkeitssinn, Mitleid und Empörung getragene Haltung Miras, die daraus die Konsequenzen zieht.

Ein das Nahost-Problem gut beleuchtender, um Ausgleich bemühter, Gerechtigkeit heischender, menschlicher und nicht zuletzt tapferer Film, der sowohl thematisch als auch von der Regie und der Machart sowie den Darstellern her überzeugt. Hiam Abbes (Salma) und Ali Suliman (Daud) glänzen, Rona Lipaz Michael (Mira) und Doron Tavory (Verteidigungsminister) geben in ihren schwierigen Rollen ihr Bestes.

Thomas Engel