Lied von den zwei Pferden, Das

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Auf der Suche nach einem verschollenen Liedtext reist eine Frau in die Äußere Mongolei, um die bewegte Vergangenheit ihrer Vorfahren kennenzulernen. Dabei stößt sie immer wieder auf den Gegensatz zwischen Moderne und Tradition, der ihr Heimatland mehr spaltet als verbindet. Ein poetischer und zeitlupenhafter Film, mit dem Regisseurin Bymbasuren Davaa allerdings nur selten an den Charme ihres Debütfilms „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ anknüpfen kann.

Webseite: www.dasliedvondenzweipferden.de

Deutschland 2009
Regie und Buch: Byambasuren Davaa
Darsteller: Urna Chahar-Tugchi, Hicheengui Sambuu, Chimed Dolgor
Länge: 91 Minuten
Kinostart neu: 3.6.2010
Verleih: Polyband
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Mit ihrer „Geschichte vom weinenden Kamel“ brachte Byambasuren Davaa vor sechs Jahren das Leben der mongolischen Nomaden in die europäischen Kinosäle. Auch mit ihrem Nachfolger „Die Höhle des gelben Hundes“ glückte ihr erneut ein eindringliches Porträt über das Wandervolk in ihrem Heimatland, das auch hierzulande viele Bewunderer fand. Ihr neues, semi-dokumentarisches Drama führt sie wieder hinaus in die unendliche Weite der Steppe, allerdings liegt ihr Fokus diesmal stärker auf dem zivilisatorischen Konflikt zwischen Tradition und den Tücken der technologisierten Moderne.

Statt Jurten, ragen zunächst Müllberge und endlose Plattenbauten in den Himmel der Hauptstadt Ulan Bator. Davaas Protagonistin Urna macht sich auf, um hier im Hinterland das vergessen geglaubte „Lied von den zwei Pferden des Dschingis Khan“ zu finden. Es ist die Geschichte einer langen Suche: Urnas verstorbene Großmutter musste in den Wirren der chinesischen Kulturrevolution ihre geliebte Geige zerstören. Jetzt, rund 35 Jahre später, sind vom Instrument nur noch der Hals und der Kopf übriggeblieben, welche von einem Violinenmacher wieder neu zusammengesetzt werden sollen. Das Einzige was noch fehlt, ist der verschollene Liedtext, der eingraviert werden soll.

Wie in ihren ersten beiden Filmen ist die mongolische Steppe der eigentliche Hauptdarsteller. Doch Regisseurin Davaa wagt diesmal auch den Blick in die Stadt. Sie zeigt Menschen, die sich auf der Suche nach etwas Verwertbarem durch die riesigen Müllfelder Ulan Bators wühlen. Auf dem Markt lässt sie Einwohner zu Wort kommen, die ihr berichten, wie schwer sich die zugezogene Landbevölkerung mit den Regeln der Stadt tut. Diese andere Seite der gegenwärtigen Mongolei kontrastiert sie mit subtilem Humor über die Errungenschaften der Moderne: Tief in der Steppe lässt sich Urnas SMS nur dann versenden, als ihr ein Mitreisender zur Hilfe kommt und ihr Handy hoch in die Luft wirft, um für den Bruchteil einer Sekunde ein Empfangssignal zu haben. Beispielhafter und metaphorischer sind da schon die zwei Ochsen, die den motorisierten Kleinbus aus dem Schlamm ziehen, nachdem sich Fahrer und Beifahrer vergeblich abgemüht haben.

An den umwerfenden Charme ihres Debütfilms kann Davaa dennoch nur selten anknüpfen: zu langatmig und zeitlupenhaft ist ihre Erzählung, zu gewohnt schon die Bilder der gemütlichen Landbewohner, die im ruhigen Takt der Steppe ihr Leben genießen. Gleichzeitig schafft dies aber auch Vertrauen zu den Protagonisten – und einer Landschaft, die von endloser Weite und Schönheit ist. „Das Lied von den zwei Pferden“ ist somit ein wertvoller Film für Kenner der Mongolei. Sei es aus dem echten Leben oder nur aus dem Kino.

David Siems

Die historisch-geographische Mongolei ist ein geteiltes Land. Die so genannte Innere Mongolei ist heute Teil Chinas, die Äußere Mongolei ein selbständiger Staat – auch wenn im Grunde noch eine Nation besteht. Dies muss man wissen, um diesem Film richtig folgen zu können.

Während der Kulturrevolution wurden in der Inneren Mongolei viele kostbare mongolische Kulturwerte zerstört, u. a. zum Beispiel bis auf ein paar Restteile die Pferdekopfgeige von Urnas Großmutter. Es war der Wunsch der alten Frau, dass Urna die Geige, auf der das für die Tradition wichtige, aber fast verloren gegangene Lied „Die zwei Pferde des Dschingis Khan“ eingraviert war, wiederherstellen lässt.

Also macht sich die Sängerin Urna auf den Weg, um die Pferdekopfgeige reparieren zu lassen und um das Lied zu finden. Mit der Geige hat sie Glück, mit dem Lied weniger. Die Menschen kennen es nicht mehr – weder der Dirigent eines angesehenen Orchesters; noch die Nomaden; noch ein von ihr aufgesuchter Pferdezüchter, der ihr Rosshaar für den Geigenbogen schenkt; noch die Teilnehmer einer Hochzeit, bei der sie zugegen ist; noch ein Schamane, den auch seine mysteriösen Zeremonien in der Angelegenheit nicht weiterbringen.

Etwas größer ist der Erfolg bei einer alten Frau, die sie inmitten der Steppe findet.

Kann das Lied gerettet werden?

Die mongolische Regisseurin Byambasuren Davaa („Die Geschichte vom weinenden Kamel“, „Die Höhle des gelben Hundes“) huldigt hier erneut der Natur, dem Wesen und der Kultur ihres Landes und versucht, all dies den Menschen im Westen wieder näher zu bringen. Letzteres kann gelingen, wenn man als Zuschauer Interesse für Land und Thema mitbringt, wenn man sich dem lang gezogenen Filmrhythmus nicht versperrt, wenn man sich mit kargen wenngleich prächtigen Landschaftsbildern zufrieden gibt, wenn man bereit ist, sich auf scheue Menschen, die angestammte, überaus fremdartige mongolische Musik sowie auf die asiatische Steppe, Wüste und Exotik einzulassen.

Sehr präsent und sehr angenehm als Zuschauer zu begleiten ist Urna Chahar—Tugchi, die die Rolle der Sängerin interpretiert.

Etwas für Liebhaber.

Thomas Engel