Lincoln Verschwörung, Die

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Mit dem packenden Politdrama „Die Lincoln Verschwörung“ gelingt Schauspiellegende Robert Redford eine fesselnde Spurensuche zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs. In seiner souveränen Regiearbeit versucht sich der Altmeister zum ersten Mal im Genre des Historienfilms. Ein darstellerisches Meisterwerk von realistischer Überzeugungskraft und Plädoyer gegen die todbringende Verantwortungslosigkeit eines politisch korrumpierten Justizsystems und für humanitäre Menschenrechte. Erneut hält der engagierte Polit- und Umweltaktivist nicht nur den USA einen Spiegel vor.

Webseite: www.dielincolnverschwoerung.de

USA 2010
Regie: Robert Redford
Buch: James D. Solomon
Kamera: Newton Thomas Sigel
Darsteller: Evan Rachel Wood, Robin Wright, James McAvoy, Justin Long, Toby Kebbell, Kevin Kline, Tom Wilkinson, Stephen Root, Norman Reedus, Danny Huston, Alexis Bledel, Johnny Simmons, Jonathan Groff, Chris Bauer, James Badge Dale, Jim True-Frost, John Michael Weatherly, Gerald Bestrom, Marcus Hester, Jeremy Paul Tuttle
Länge: 120 Minuten
Verleih: Tobis
Kinostart: 29.9.2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Washington 1865: Das Ford-Theater ist an diesem Karfreitag ausverkauft. Unbemerkt gelangt der arbeitslose Schauspieler und fanatische Südstaatler John Wilkes Booth (Toby Kebbell ) mit der Pistole in die Loge. Der 26jährige plant den Mord wie ein Shakespeare-Drama. An jenem Abend im April bezahlt Ehrengast Abraham Lincoln seine visionäre Politik von der Einheit der Vereinigten Staaten in Freiheit und der Abschaffung der Sklaverei mit seinem Leben. Doch Booth ist nicht allein. Rasch werden sieben Männer als seine Komplicen verhaftet. Sie werden als Mitverschwörer angeklagt. John Surrat (Johnny Simmons) jedoch, einer von ihnen, entkommt. Er taucht unter.

„Ich bin Südstaatlerin“, beharrt Mary Surrat (Robin Wright), „und eine aufopferungsvolle Mutter, aber keine Attentäterin“. In der Pension der Witwe trafen sich die Verschwörer, um den Mord zu planen. Unter ihnen ihr Sohn John. Nach seinem Verschwinden wird auch sie verhaftet und vor Gericht gestellt. Ausgerechnet der Nordstaaten-Kriegsheld Frederick Aiken (James MacAvoy) soll ihre Verteidigung übernehmen. Das fällt ihm nicht leicht. Denn auch er hält die unbeugsame Frau für schuldig. Ziemlich schnell freilich stößt Aiken auf Umstände, die sein Gerechtigkeitsempfinden empfindlich stören. Statt vor ein reguläres Gericht kommt der Fall vor ein Militärtribunal. Für die Angeklagten bedeutet das massiv eingeschränkte Rechte.

Dazu kommt der politische Druck des mächtigen Kriegsministers Stanton (Kevin Kline) auf das Verfahren. Zeugen werden unter Druck gesetzt. Entlastende Details werden geheim gehalten. Die Richter unter Vorsitz von David Hunter (Colm Meaney) haben ihr Urteil offenbar schon in der Schublade. Gleichzeitig gewinnt Aiken immer mehr den Eindruck, dass Mary Surrat aus Mutterliebe nur ihren geflüchteten Sohn schützen will. Langsam fasst Surratts Tochter Anna (Evan Rachel Wood) Vertrauen zu ihm. Sie unterstützt ihn als Einzige. Für dem aufrechten Anwalt jedoch beginnt ein schier aussichtloser Kampf: gegen das Gericht, gegen die Politiker im Hintergrund, gegen die öffentliche Meinung, selbst gegen seine eigenen Freunde. Und nicht zuletzt auch gegen seine geheimnisvolle , verschwiegene Mandantin.

Wie bereits bei seinem Antikriegsfilm „Von Löwen und Lämmern“ rückt Hollywood-Titan Robert Redford die Krise der amerikanischen Demokratie in den Fokus. Denn die eigentliche Verschwörung seines aufrüttelnden Historienfilms, basierend auf der Buchvorlage von James D. Solomon und Gregory Bernstein, sind die Absprachen zwischen dem Militärtribunal und dem politischen Establishment in Washington. Parallelen des Falls für die Gegenwart sind augenscheinlich. Mit Militärverfahren versuchen die USA die Terrorverdächtigen in Guantanamo zu verurteilen. Sie sollen nicht vor ein ziviles Gericht gestellt werden, das ihnen deutlich mehr Rechte gäbe. Somit stellt sich auch heute die Frage, ob Menschenrechte, oder verfassungsmäßig garantierte Bürgerrechte, nur im Idealfall gelten.

Bei seiner erhellenden Lehrstunde über die Gefahren einer verselbständigten Exekutive und die todbringende Verantwortungslosigkeit eines politisch korrumpierten Justizsystems kommt der kalifornische Altmeister ganz ohne Effekthascherei aus. Selbst ob Mary Surratt im juristischen Sinne schuldig oder unschuldig ist bleibt letztlich unklar. Denn um die Schuldfrage allein geht es dem politisch liberalen Filmemacher in seinem überzeugenden Justizdrama nicht. Vielmehr steht die Frage im Mittelpunkt wie ein faires Gerichtsverfahren garantiert werden kann. Ähnlich wie Steven Spielbergs an der humanitären Grundidee orientiertes opulentes Gerichtsdrama „Amistad“ kämpft sein komplexer Historienfilm samt einer glänzenden Schauspielerriege für die Entrechteten.

Luitgard Koch

1865. Noch ist der amerikanische Bürgerkrieg nicht gänzlich vorbei, aber die Konföderierten stehen bereits auf verlorenem Posten. Der Hass der Südstaatler auf den Norden ist grenzenlos.

In Washington besucht Präsident Abraham Lincoln eine Theatervorstellung. Von dem Schauspieler John Wilkes Booth wird Lincoln plötzlich erschossen. Auch einige Minister kommen zu Tode.

In der Pension der Mary Surrat hatte der Verschwörer Booth gewohnt – wie sich später herausstellt mit einigen Mitverschworenen. Dazu gehörte auch der Sohn der Surrat. Die Täter werden gefasst. Sie können mit nichts anderem mehr rechnen als mit dem Tod durch Erhängen. Mary Surrats Sohn ist flüchtig. War seine Mutter als Pensionsinhaberin von den Gesprächen, bei denen es um Lincolns Ermordung ging, auf dem Laufenden?

Das soll in dem Militärgerichtsprozess, der der Inhalt dieses Films ist, geklärt werden. Mary Surrat beteuert ihre Unschuld. Sie liebt ihren Sohn über die Maßen, und sie hasst die Nordstaaten ebenso über die Maßen. Aber ihr Anwalt, der junge Frederick Aiken, kann zu 90 Prozent beweisen, dass die Mutter vom Vorhaben ihres Sohnes nichts wusste. Das gleiche gilt für ihre Tochter. Auch als das Militärgericht die Todesstrafe ausspricht, gelingt es Aiken, einen Aufschub und die nochmalige Verhandlung vor einem Zivilgericht zu erreichen.

Doch die oberste Führung, vor allem Verteidigungsminister Stanton, hat nicht Gerechtigkeit im Sinn, sondern Rache für Lincolns Tod und Befriedigung der aufgebrachten Bevölkerung. Mit allen Raffinessen wird der direkte juristische Weg umgangen. Beim Vorsitzenden hört man aus jedem Wort heraus, welchen Prozessausgang er will.

Und davon lässt sich selbst Lincolns Nachfolger, der neue Präsident, hinreißen. Er verwirft die Wiederholung vor einer zivilen Kammer. Mary Surrat wird zusammen mit den anderen Mördern – höchst vermutlich unschuldig – gehängt.

James Solomon schrieb das Drehbuch, Robert Redford ist der Regisseur. In detailgetreuer Form wird das Prozessgeschehen aufgerollt. Selbst wenn wegen mancher historischer Unsicherheiten nicht alles genau stimmen sollte – sicher ist, dass in erschreckender Weise offenbar wird, was vor sich geht, wenn Politik, Macht, Rache oder irgendwelche anderen Emotionen über das Recht den Sieg davontragen. Sicherlich war das in diesem Falle so. Die Amerikaner sollten ihre Lehren daraus ziehen. Aber nicht nur die Amerikaner.

Redford versammelte eine Darstellerliste, die sich sehen lassen kann: Kevin Kline, Tom Wilkinson, Evan Rachel Wood. Den Höhepunkt bildet schauspielerisch der Auftritt von James McAvoy als Anwalt Frederick Aiken und in erster Linie der von Robin Wright als Mary Surrat – als souveräne wenn auch erschütterte Frau erneut eine ihrer Glanzleistungen.

Thomas Engel