LOLA

Zum Vergrößern klicken

Darf man die Zukunft auf Kosten der Gegenwart opfern? Eine sehr aktuelle Frage, die Debütant Andrew Legge in seinem Film „LOLA“ aufgreift, aber zum Kern einer alternativen Historie macht. Denn seine Hauptfiguren sind in der Lage, mit ihrer Maschine die Zukunft zu sehen, doch mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs setzen sie sie so ein, wie sie nie gedacht war. Der Low-Budget-Film ist nicht ohne Makel, aber dennoch faszinierend.

Webseite: https://www.neuevisionen.de/de/filme/lola-136

Irland / Großbritannien 2022
Regie: Andrew Legge
Buch: Andrew Legge, Angeli Macfarlane
Darsteller: Stefanie Martini, David Bowie, Emma Appleton

Länge: 78 Minuten
Verleih: Neue Visionen Filmverleih GmbH
Kinostart: 28. Dezember 2023

FILMKRITIK:

Thomasina und Martha haben Ende der 1930er Jahre eine Maschine erfunden. Einen Chronovisor, den sie LOLA nennen. Mit ihm können sie Funk- und Fernsehwellen der Zukunft auffangen. So lernen sie David Bowie während seiner Ziggy-Stardust-Phase kennen, aber sie sehen auch, was die Zukunft an Hässlichem offenbart – den Weltkrieg, der von Nazi-Deutschland losgetreten wird. Die Schwestern nutzen ihre Maschine nun, um Menschen zu warnen, die tags darauf Opfer eines Bombenangriffs hätten werden können. Schon bald arbeiten sie mit dem Verteidigungsministerium zusammen. Doch indem der Verlauf des Kriegs verändert wird, verändert sich auch die Zukunft – und der Ausgang ist ungewiss. Der Eingriff in die Zeit könnte zum Gegenteil dessen führen, was Thomasina und Martha sich wünschen.

Der in Schwarzweiß und im Format 4:3 gedrehte Film versucht, dem Look der damaligen Zeit nahezukommen. So gibt es auch Wochenschauen und Nachrichtensendungen, die so manipuliert wurden, dass sie zur Geschichte passen. Gedreht wurde mit 16-mm-Bolex- und Arriflex-Kameras mit historischen Objektiven, während die Wochenschau-Szenen mit einer Newman Sinclair 35-mm-Aufwickelkamera aus den 1930er Jahren auf Kodak Double X Film gedreht wurden. Kurz gesagt: Man scheute keine Mühe, den Film so alt wie möglich aussehen zu lassen – so wie Found Footage aus den 1940er Jahren hätte aussehen müssen.

Es handelt sich tatsächlich um ein Found-Footage-Format, aber anders, als üblich. Weit innovativer, was der Film als Ganzes auch ist. Er erzählt auf packende Art und Weise davon, wie die Leben der Zukunft für die der Gegenwart geopfert werden und wie die beiden Hauptfiguren angesichts dieser Erkenntnis immer weiter auseinanderdriften. Das ist durchaus plausibel, die Gestaltung von Thomasina und Martha erscheint jedoch zu modern.

Die Darsteller sind solide, aber nicht überragend. Bisweilen hat man das Gefühl, dass sie für die letzte Reihe spielen. Weniger wäre hier mehr gewesen. Das sind Schwächen des Films, die er aber mit der faszinierenden Geschichte locker auffängt. Erst zeigt er einigermaßen subtil, wie die Zukunft sich verändert, weil ein Musiker, den die Schwestern mögen, plötzlich nicht mehr existiert – dafür gibt es einen anderen, der auch dem Glamrock der 1970er entspricht, dessen Texte aber neofaschistischen Charakter haben.

Denn auch damit befasst sich „LOLA“. Mit der Kernfrage jeder Geschichte, bei der es um Manipulationen der Zeit gibt. Dass ein gewünschtes Ergebnis nicht zwangsläufig am Ende auch steht. So wie die Schwestern hat auch der Zuschauer eine gewisse Erwartung daran, wie das Ganze ausgeht, und könnte nicht mehr daneben liegen.

„LOLA“ ist die Diskussion und Gedankenanregende Science-Fiction, die auch zeigt, dass mit minimalen Mitteln viel machbar ist, wenn die Geschichte nur gut genug ist.

 

Peter Osteried