Lords Of Chaos

Zum Vergrößern klicken

Regisseur Jonas Åkerlund, der in den 1980er Jahren selbst in einer Black-Metal-Band war, die jene Bands des folgenden Jahrzehnts inspirierte, erzählt die Geschichte eines Mordes, der eine ganze Subkultur erschüttert hat. Das macht Åkerlund einerseits mit den Mitteln des Dramas, andererseits greift er mit pechschwarzem Humor auch Horrormotive auf, während er mit frechem Schnitt und direkter Inszenierung zeigt, wie das Leben in einer Phantasiewelt eskalieren kann. Die Geschichte basiert auf wahren Ereignissen, die sich 1993 in Norwegen zutrugen, erlaubt sich aber Freiheiten.

Webseite: www.studio-hamburg-enterprises.de

Großbritannien, Schweden 2018
Regie: Jonas Akerlund
Buch: Dennis Magnusson, Jonas Akerlund
Darsteller: Rory Culkin, Emory Cohen, Sky Ferreira, Jack Kilmer, Wilson Gonzalez
Länge: 111 Minuten
Verleih: Studio Hamburg
Kinostart: 21. Februar 2019

FILMKRITIK:

Im Jahr 1993 wurde in Norwegen Euronymous, der sich selbst zum Gründer des wahren norwegischen Black Metal erklärt hat, von einem Freund und Kollegen mit zahlreichen Messerstichen getötet. Das war der Moment, an dem die Black-Metal-Szene Norwegens ans Licht gezerrt wurde. Wie es dazu kam, verpackt Jonas Åkerlund in eine bewusst Grenzen überschreitende Erzählung, die es versteht, selbst an unpassenden Momenten echten Sinn für Humor zu entwickeln. Das mag man als trashig empfinden, bei einer Geschichte über Black Metal ist das aber durchaus sinnig.
 
Es gelingt dem Regisseur, der auf Basis eines Buches über diese Ereignisse von Michael Moynihan und Didrik Soderlind auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, zu zeigen, welche Züge Subkulturen auch annehmen können. Auf der einen Seite hat man Euronymous, der im Grunde nur seine Black-Metal-Band Mayhem voranbringen will und sich dafür einer Rhetorik bedient, die man radikal nennen kann, auf der anderen Seite jemand, der dieser Rhetorik etwas abgewinnen und sie für wahrhaftig hält – auch wenn er zur Überzeugung kommt, dass der Überbringer dieser Botschaft alles andere als ein wahrer Gläubiger ist.
 
Der interessante Aspekt dieser Geschichte ist die Fokussierung auf das Böse, die im Black Metal mitschwingt und in Form einer Art von Rollenspiel ausgelebt wird, aber auch die Gefahr, dass leicht zu beeindruckende Gemüter wirklich darauf anspringen. Der Film nimmt sich bei der Erzählung der Ereignisse Freiheiten – das zeigt sich schon am Anfang, als es heißt, dass das Folgende auf der Wahrheit und auf Lügen basiert.
 
Åkerlund nimmt aber auch formal Veränderungen vor. Er hat für den Film keine echte Black-Metal-Musik benutzt, weil „es schmerzhaft ist, dieser zuzuhören, wenn man nicht daran gewöhnt ist oder sie liebt.“ Stattdessen nutzt er Musik, die dem uneingeweihten Zuschauer eher bekannt erscheinen wird. Der Film opfert damit Authentizität, was zugleich jedoch auch ein wunderbarer Kommentar im Hinblick auf die Hauptfiguren ist. Denn diese ringen mit sich selbst um Authentizität, was sich in Euronymous und Varg, den beiden Antipoden, am besten zeigt.
 
Åkerlunds Film ist mehr ein Drama als alles andere, in seiner derben Direktheit aber nichts für zartbesaitete Zuschauer. Das sind die Momente, in denen er das tut, was den Black-Metal-Fans des Films am meisten verhasst ist: er wird zum Poser. Aber es funktioniert, weil „Lords of Chaos“ immer wieder die Stimmungslage wechselt, mal ernsthaftes, am Leben seiner Protagonisten interessiertes Drama, dann wieder schwarze Komödie ist und hin und wieder nimmt er sogar Anleihen beim Horrorfilm. Das mag in seiner Gesamtheit etwas uneins wirken, es funktioniert aber – und das längst nicht nur für Zuschauer mittleren Alters, die sich ihrer eigenen wilden Jugend erinnern, auch wenn die ohne Mord und Totschlag ablief.
 
Peter Osteried