Madame empfiehlt sich

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Eine Hommage an Catherine Deneuve zu ihrem 70. Geburtstag. Sie spielt Bettie, die ein kleines Restaurant in der Bretagne managt, und seit dem Tod ihres Mannes wieder mit ihrer Mutter zusammen lebt. Als ihr Liebhaber sie wegen einer Jüngeren verläßt, steigt Bettie ins Auto und fährt davon, gleichsam weg aus ihrem bisherigen Leben.
Das symphatische Roadmovie hat Regisseurin Emmanuelle Bercot der Deneuve auf den Leib geschrieben, die einmal mehr mit sehr minimalistischen Mitteln in jeder Szene brilliert.

Webseite: www.madame-empfiehlt-sich.de

OT: ELLE S'EN VA
Frankreich 2012
Regie: Emmanuelle Bercot
Darsteller: Catherine Deneuve, Nemo Schiffmann, Gérard Garouste, Camille, Claude Gensac
Verleih: Wild Bunch
Start: 13. Februar 2014

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Bettie managt ein kleines Restaurant in der Bretagne, hat einen Liebhaber, den sie allerdings mit dessen Frau teilen muss, und lebt, seit ihr Mann an einem Hühnerknochen erstickt ist, wieder bei ihrer Mutter im Haus ihrer Kindheit. Am Abend eines jeden anstrengenden Tages muss sie also auch noch deren besserwisserische Kommentare ertragen, aber so ist das Leben. Bei einem dieser unvermeidlichen nächtlichen Gespräche serviert ihre Mutter ihr die Botschaft, dass ihr Liebhaber sich von seiner Frau getrennt hat, allerdings nicht für sie, Bettie, sondern für eine weitaus jüngere Frau. Und so fällt Betti aus ihrem zwar nicht besonders aufregenden, aber doch irgendwie angenehmen Leben.

Noch einen halben Tag lang bewahrt sie die Contenance, dann steigt sie ins Auto und fährt los, läßt das Restaurant, die Mutter und den untreuen Geliebten hinter sich. Eigentlich will sie nur Zigaretten holen, und eigentlich hatte sie aufgehört zu rauchen. Jetzt aber saugt sie an den Glimmstengeln wie eine Ertrinkende, und fährt schließlich viele Kilometer, um am Sonntag noch irgendwoher Zigaretten zu bekommen. Doch das stellt sich als nicht so leicht heraus in dieser abgelegenen Gegend.

In ihrer Not landet sie zunächst in der Küche eines alten Mannes und schaut enerviert auf dessen von Gicht gezeichnetenHände, die mit unendlicher Langsamkeit versuchen, eine Zigarette zu drehen. Dabei erzählt er ihr von seiner einzigen großen Liebe, die nie Erfüllung fand. Die Szene ist ganz großartig in ihrer Schlichtheit und Authentizität. Der Mann ist, ebenso wie einige andere Beteiligte in diesem Film, kein Schauspieler, sondern genau der, der er ist.

Nächste Station ist eine laute Kneipe, in der gerade ein Dartwettbewerb stattfindet, eine Umgebung, in die weder Bettie noch die Deneuve in irgendeiner Weise zu passen scheinen. Am Morgen findet sie sich in einem Hotel wieder mit einem jungen Mann, der ihr das Frühstück bringt und die Füße küsst. Sie kann sich an nichts erinnern, steigt in ihr Auto und fährt einfach weiter, immer weiter.

Aus Betties spontanem Fluchtversuch entwickelt sich ein Roadmovie, in dessen Zentrum Catherine Deneuve brilliert, die in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag gefeiert hat. Die Crux dieser Hommage der Regisseurin Emmanuelle Bercot an die Grande Dame des französischen Kinos liegt darin, dass sie wohl alles auf einmal wollte und von jedem etwas, anstatt sich auf eine starke Geschichte mit einer starken Darstellerin zu konzentrieren. Da musste auch noch die Landschaft möglichst jungfräulich sein in Bezug auf Film, da sollten Laiendarsteller das Diva-Image der Deneuve kontrastieren, da sollten die Probleme des Alterns eine Rolle spielen.

Und so dauert es es sehr lange, bis der Film sein Thema findet, über den etwas allgemeinen Ansatz hinaus, dass da eine reife Frau aus ihrem Leben ausbricht. Spannend wird es, als Bettie dem unverhofften Hilferuf ihrer Tochter folgt und ihren Enkel Charly (Nemo Schiffmann) abholt, um ihn viele hundert Kilometer weit zu seinem Opa väterlicherseits zu transportieren, wo er die Ferien verbringen soll. Dieser Charly ist ein eigenwilliges und sensibles Wesen mitten in der Pubertät, das sie nicht kennt, denn offenbar gab es in den letzten Jahren kaum Kontakt zu ihrer Tochter und also auch nicht zu ihm. Die extremen familiären Spannungen, die sich hier andeuten, bleiben allerdings lange Zeit ein Rätsel, das sich erst im überraschend versöhnlichen Schluss auflöst, bei dem sie alle aufeinandertreffen: die Mutter, die Tochter und die Oma einschließlich des besagten Opas väterlicherseits.

Die Reise mit Charly aber ist die eigentliche Herausforderung für Bettie und die Deneuve. Sie spielt in der Konfrontation mit diesem aufmüpfigen und gleichzeitig sehr sensiblen Jungen viele ihrer Facetten gekonnt aus, ist die unnahbar kühle Geschäftsfrau ebenso wie die hilflose Oma, der dieser Balg fremd und die Aufgabe zu groß ist. Dennoch gelingt es Charly, die Verpanzerung seiner unbekannten Großmutter Stück für Stück aufzubrechen.
Dagegen bleibt die Episode, in der sich ehemalige Schönheitskönnigen zum Fotoshooting treffen – Bettie war einmal die Miss Bretagne -, nur eine hübsche Studie über die Vergänglichkeit der Schönheit und nicht mehr als ein Füllsel in einer Geschichte, die sich selbst nicht richtig vertraut.

Caren Pfeil