Madame Kika

Als Sozialarbeiterin ist es Kika gewohnt, anderen Menschen in Notlagen zu helfen. Nun aber braucht sie selber Unterstützung, und das schnell: Sie ist pleite und muss noch dazu einen herben Verlust verkraften. Dann beschreitet sie einen Weg, der Trauerbewältigung und Selbstfindung verspricht. Der Regie-Erstling „Madame Kika“ ist ein zartes, unkonventionelles Drama über eine außergewöhnliche Frau zwischen wirtschaftlicher Notlage und erhofftem Neubeginn. Der Film findet eine ausgewogene Balance zwischen Tragik und Witz und besitzt eine Fülle kreativer Ideen.

 

Über den Film

Originaltitel

Kika

Deutscher Titel

Madame Kika

Produktionsland

BEL

Filmdauer

104 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Poukine, Alexe

Verleih

Little Dream Pictures GmbH

Starttermin

15.01.2026

 

Kika (Manon Clavel) ist gerade mit ihrem zweiten Kind schwanger, als plötzlich ihr Partner stirbt. Die Not könnte kaum größer sein – alleinerziehend, zu wenig Geld, keine Wohnung. Aus Verzweiflung nimmt sie das Heft selber in die Hand und beginnt eine „Nebentätigkeit“ als Sexarbeiterin. Zunächst fällt ihr diese ungewohnte Rolle schwer, aber allmählich kommt Kika immer besser damit zurecht. Zumal ihre kollegialen Mitstreiterinnen ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die Arbeit eröffnet ihr schließlich einen neuen Zugang zu sich selbst, ihrer Trauer und verborgenen Sehnsüchten.

Wie wundervoll einerseits und niederschmetternd auf der anderen Seite das Leben sein kann, erfährt die Hauptfigur innerhalb kürzester Zeit. Wir nehmen Anteil an dieser Achterbahnfahrt der Gefühle, wenn Langfilm-Regiedebütantin Alexe Poukine ihre Protagonistin gleich in der ersten Viertelstunde mit den heftigsten emotionalen Extremen des menschlichen Daseins konfrontiert. Liebe, Ekstase, Trauer, Panik, Wut und noch viel mehr.

Da ist Kika, die zunächst in einer eintönigen, festgefahrenen Beziehung verharrt und mit ihrem Job auf dem Sozialamt unzufrieden ist. Ihr Leben ändert sich, als sie unerwartet einen neuen Mann kennenlernt, mit dem es wunderbar passt („Ich bin einfach sehr verliebt“). Doch jenes Hochgefühl und der Ausblick auf ein neues Familienleben mit diesem Menschen finden durch ein tragisches Ereignis ein jähes Ende. Spannend ist, wie sehr sich die einzelnen Teile der Handlung hinsichtlich Stimmung und Tonfall unterscheiden – und wie gekonnt Poukine auf der Klaviatur der verschiedenen Genres und ihrer Spezifika spielt.

In den ersten fünfzehn bis zwanzig Minuten geht „Madame Kika“ noch zu weiten Teilen als Liebesfilm (mit eben jenem bitteren Ausgang) durch. Darauf folgt eine Mixtur aus Sozial- und Familiendrama, wenn sich Kika in mehreren prekären Jobs ausprobiert. In dieser Phase des Films nimmt Poukine außerdem Kikas Umfeld und die Beziehungen zu den ihr nahestehenden Menschen ins Visier. Da gibt es den fürsorglichen Vater, die Tochter im Grundschulalter und den Ex-Freund, mit dem Kika nach der Trennung freundschaftlich verbunden bleibt. Zwischendurch kommt der Handlungsstrang um die Arbeit als Domina in Gang, der von absurden Szenen und schrägem Witz lebt.

Schnell stellt die mit ihrer „Kundschaft“ zu Beginn noch arg überforderte Hauptfigur fest, dass es bei diesem Job um mehr geht als um körperliche Befriedigung. Vielmehr stehen Unterwürfigkeit, Kontrolle, Macht und Schmerz im Zentrum. Die Szenen, in denen die Männer dies von der eigentlich eher schüchternen, unsicheren Frau gewährt bekommen, sind von teils entwaffnender Tragikomik. Man leidet mit ihr, wenn sie sich überwinden muss, die teils doch ziemlich absonderlichen Kundenwünsche (von Petplay und Fußfetischismus bis hin zu Skatophilie) zu erfüllen. Gleichzeitig sorgt der ungeschliffene, manchmal fast derbe Humor in einigen dieser Begegnungen, die Poukine mit kreativen Einfällen anreichert und die dennoch so nah am Leben sind, für echte Begeisterung.

Die Regisseurin hat mit „Madame Kika“ ein Drama gedreht, das keiner anderen Dramaturgie gehorcht als dem wahren Leben. Und dazu zählt eben auch, unbekanntes Terrain zu beschreiten und gänzlich Neues zu wagen. Dies gelingt Kika mit einer Mischung aus Unbedarftheit, gesundem Misstrauen, sympathischer Entschlossenheit und stets einem Hauch Restzweifel. Dank Manon Clavels sensibler, natürlicher Darstellung erscheint die Protagonistin stets menschlich glaubhaft und nahbar. In der Titelrolle feiert die Schauspielerin somit ein starkes, denkwürdiges Kinodebüt.

 

Björn Schneider

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