Maria by Callas

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Auf der Suche nach den Gefühlen hinter der perfekten Maske des Stars lässt Tom Volf seine Heldin viel in ihren eigenen Worten sprechen. Interviews, Briefe, Fotos, Opern- und Konzertmitschnitte komponiert er zum Bild einer Frau, die auch heute noch, mehr als 40 Jahre nach ihrem Tod, ihr Geheimnis wahrt. Tom Volf macht aus seiner Verehrung für „La Divina“ keinen Hehl. Sein akribisch recherchierter Film ist beinahe so elegant wie Maria Callas selbst. Dabei spielt auch die Musik eine wichtige Rolle: Einige Arien werden komplett eingespielt und zeigen die Kraft und Dramatik ihrer ausdrucksvollen Stimme, die bis heute fasziniert. Schon allein diese Töne und Bilder von den Bühnen der Welt machen den Film zum Muss für alle Opern- und Klassikfans.

Webseite: www.prokino.de

Dokumentarfilm, deutsche Fassung/OmU
Frankreich 2017
Regie und Buch: Tom Volf
Briefe gelesen von Eva Mattes (Deutsche Synchronisation), Fanny Ardant (französisches Original)
113 Minuten
Verleih: Prokino
Kinostart: 17.05.2018

FILMKRITIK:

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in den 50er Jahren war Maria Callas die unangefochtene Herrscherin der Opernwelt. Primadonna assoluta, La Divina – die Göttliche … die Medienwelt und ihre zahllosen Fans überschlugen sich darin, sie in jeder Beziehung anzuhimmeln. Ihre Stimme, ihr Gesicht, ihr Outfit: Sie wirkte stilbildend, wurde aber auch mit Haut und Haaren von der Öffentlichkeit vereinnahmt. Tom Volf erforscht in seiner vierjährigen Recherche den Mythos Maria Callas und versucht, der Starsopranistin über eine beeindruckende Menge an Bild-, Ton- und Textmaterial näherzukommen, ohne sie vom Podest zu stoßen. Das Ergebnis ist eine hoch interessante, stellenweise sehr spannende Auseinandersetzung mit einer Persönlichkeit, die augenscheinlich alles tut, sich der Entschlüsselung zu entziehen. Vor allem ist der Film eine große Liebeserklärung.

Wer hier eine kritische Auseinandersetzung mit dem Mythos Maria Callas, mit ihrer Person oder ihrem Umfeld erwartet, wird nur sehr wenige Anhaltspunkte dafür finden. Ein wenig blitzt Kritik an den Medien, insbesondere an der Regenbogenpresse, hervor. Schließlich hat man sie erst in den Himmel gehoben und dann wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, als sie sich von der Bühne zurückzog. Wie jeder große Star hat auch Maria Callas polarisiert. Die meisten, allen voran Tom Volf, verehrten und verehren sie, doch die Stimmen, die sie zu Beginn ihrer Karriere mit ihrer Kritik verfolgten, wurden später immer lauter. Erfolg macht einsam, und so war es kein Wunder, dass sie sich mit anderen einsamen Menschen umgab, mit den Reichen und Schönen.

Tom Volf behandelt ihre Stellung innerhalb der High Society mit einer Mischung aus Neugier und Zurückhaltung. Obwohl die Versuchung groß wäre, sich genüsslich in den Untiefen ihrer Beziehung zu Aristoteles Onassis zu wälzen, bleibt er einigermaßen diskret. Seine Hauptquellen sind ein unveröffentlichtes Fernsehinterview aus Frankreich sowie ihre Briefe und Gespräche mit Menschen, denen sie vertraute. Das waren nur sehr wenige. Von früher Jugend an wurde Maria Callas darauf getrimmt, zu funktionieren und sich selbst zu kontrollieren. Das merkt man in den allermeisten Bildern. Was sie nach außen abstrahlt, steht möglicherweise im harschen Gegensatz zu dem, wie sie sich fühlt. Diese Frau über die Jahre zu sehen, ist ein wenig wie die Beziehung zu einer Freundin, die man nur selten trifft und die selten aus sich herausgeht. So müssen Blicke und Gesten interpretiert werden, die einstudierten müssen von den spontanen getrennt werden. Es gibt jedoch nur wenig Anhaltspunkte dafür, denn bei Maria Callas überstrahlt die Bühnenpersönlichkeit alles andere, und der perfekte Auftritt in der Öffentlichkeit ist für sie so selbstverständlich wie das Zähneputzen für eine Normalbürgerin.
 
Tom Volf geht chronologisch vor und bringt durch immer wieder neue Quellen sehr viel Abwechslung ins Spiel. Er zeigt die junge Maria Callas, ihren Stolz, ihre Würde, ihre Begeisterung für die Musik – und später auch genervte Blicke, Verstörung und Verwirrung. Er zeigt private Bilder: Nur selten ist sie übermütig, manchmal wirkt sie merkwürdig schüchtern und mädchenhaft, ab und an scheint sie Ansätze von Humor zu zeigen. „Es leben zwei Menschen in mir. Ich möchte gern Maria sein, aber da ist auch die Callas, der ich gerecht werden muss“, sagt sie (frei aus dem Englischen übersetzt) im TV-Interview. „Ich versuche, mit beiden auszukommen.“ Sein und Schein liegen hier dicht beieinander. Natürlich ist Tom Volfs Blick auf die verehrte Künstlerin subjektiv, und das, was er dem Publikum zeigt, sind ebenfalls subjektive Ausschnitte aus einem Menschenleben, von dem letztlich wenig bekannt ist. Denn Maria Callas hinterließ keine Autobiographie. „Ich hätte es gerne, dass beide sich vertragen, denn Callas war früher Maria“, sagt sie weiter und zeigt damit, dass hinter der schönen Fassade möglicherweise der Kontrollverlust lauert. Die Perfektion und der starke Ausdruck, die sie in der Interpretation ihrer Gesangskunst zeigte, müssen Teil ihrer Persönlichkeit gewesen sein, wobei Mensch und Künstlerin selbstverständlich untrennbar miteinander verbunden sind.
 
Die Sensibilität, mit der Tom Volf vorgeht, steht im krassen Gegensatz zu dem, wie die Musikwelt, die Presse und viele ihrer vormals so begeisterten Fans mit ihr umgingen, als ihre Karriere zu kriseln begann. Depressionen, wachsende Probleme mit der Stimme, die schon in frühester Jugend auf Höchstleistungen trainiert war, und vielleicht auch ihr schwieriges Privatleben führten nicht nur zum teils ungewollten Rückzug von der Bühne, sondern möglicherweise auch zu ihrem Tod mit 53 Jahren. Was sie in ihrem kurzen Leben für die Musik und die Opernwelt getan hat – und für die Regenbogenpresse – das alles macht sie zur Legende. Tom Volf hat ein elegantes, erlesenes Denkmal dazu geschaffen: ein sehr feiner, interessant gemachter Film, wunderschön anzusehen und anzuhören.
 
Gaby Sikorski