Im Süden Perus befinden sich seltsame Linien, ausufernde Muster, sogenannte Geoglyphen, vermutlich 2000 Jahre alt, über deren Funktion immer noch Unklarheit herrscht. Die aus Dresden stammende Maria Reiche war eine Pionierin der Forschung über die sogenannten Nazca-Linien und steht nun im Mittelpunkt von „Maria Reiche – Das Geheimnis der Nazca-Linien“, einem mehr als lose biographischen Film, der viele Brüche und Komplikationen übertüncht, um eine allzu moderne Geschichte zu erzählen.
Über den Film
Originaltitel
Lady Nazca
Deutscher Titel
Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien
Produktionsland
DEU, FRA
Filmdauer
99 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Dorsaz, Damien
Verleih
Tobis Film GmbH
Starttermin
25.09.2025
Als Aushilfslehrein verdient Maria Reiche (Devrim Lingnau) im südamerikanischen Peru ihr Geld, sie unterrichtet Mathematik in Lima, der Hauptstadt des Landes. Ihre Lebensgefährtin Amy (Olivia Ross) schmeißt mondäne Parties für die Ex-Pats, die fern Europas das freie Leben genießen, während in der Heimat der Zweite Weltkrieg kurz bevor steht.
Maria jedoch sucht nach Einsamkeit und findet sie südlich der Hauptstadt, in einer unwirtlichen Geröllwüste abseits der kleinen Stadt Nazca. Hier gräbt der französische Archäologe Paul (Guillaume Gallienne) nach Mumien und anderen wertvollen Funden, die er meistbietend an die großen Museen der westlichen Welt verkauft. Er heuert Maria als Übersetzerin für einige Texte an, die ein deutscher Archäologe hinterlassen hat, doch statt auf Reichtümer stößt Maria auf Geoglyphen.
Mitten in der Wüste entdeckt sie lange, schnurgerade Bahnen, die scheinbar ohne Sinn über den Boden verlaufen. Während Paul die Entdeckung achselzuckend zu den Akten legen will, denn verkaufen kann man sie nicht, ist Maria Feuer und Flamme. Sie gibt ihr sicheres, aber auch ein bisschen langweiliges Leben in der Hauptstadt auf, baut ein Zelt im Garten einer Indio-Familie auf und beginnt, die Wüste zu fegen.
Nach und nach entdeckt sie nicht nur gerade Linien, sondern riesige Zeichnungen, die Tiere darzustellen scheinen: Die legendären Nazca-Linien. Schnell wird sie in der Gegend als verrückte Europäerin bekannt, als Lady Nazca bezeichnet und sieht sich plötzlich windigen Geschäftemachern gegenüber, die kein Interesse an der archäologischen Entdeckung haben, sondern sie zerstören wollen, um in der Wüste Baumwolle anzubauen.
In der Wüste Baumwolle anbauen? Das hört sich nicht nur absurd an, das ist auch eine der vielen Stellen im Drehbuch zu „Lady Nazca“, der nichts mit der historischen Realität zu tun hat, sondern allein dem Wunsch geschuldet ist, Maria Reiches Geschichte auf kaum mehr als ein Jahr zu komprimieren. Während die Deutsche in der Realität Jahre brauchte, um die Linien freizulegen, noch viel länger, um eine Theorie über ihre Bedeutung zu entwickeln und es fast 30 Jahre dauerte, bis der peruanische Staat die Nazca-Linien als archäologische Stätte schützte, jagt Autor und Regisseur Damien Dorsaz in seinem Film förmlich durch die Ereignisse.
Wenn Maria ihre Entdeckung publik machen will, reicht ein Anruf bei einem Redakteur der New York Times, wenn sie die Linien schützen will, überzeugt sie mit einer kurzen Rede das Parlament. Im Bemühen, Maria Reiche zu einer Frau zu stilisieren, die ihrer Zeit weit voraus war und sich in einem von Männern dominierten Feld durchsetzte, zudem einer patriarchalischen, lateinamerikanischen Gesellschaft die Stirn bot, hat Dorsaz seiner Heldin alle Ecken und Kanten ausgetrieben.
Auch wenn es Hauptdarstellerin Devrim Lingnau gelingt, die zunehmende Besessenheit ihrer Figur glaubwürdig darzustellen, ganz so gradlinig und konsequent lief das Leben der Maria Reiche dann doch nicht ab. Dass ihre These, bei den Nazca-Linien handele es sich um einen gigantischen astrologischen Kalender, inzwischen als widerlegt gelten, bleibt wie vieles andere außen vor, aus einer komplexen Biographie wird in „Lady Nazca – Das Geheimnis der Nazca-Linien“ ein allzu glatter Film.
Michael Meyns