Mein neues bestes Stück

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In „Was Frauen wollen“ konnte Mel Gibson die Gedanken des vermeintlich schwachen Geschlechts lesen. Die französische Bodychange-Komödie „Mein neues bestes Stück“ geht da wortwörtlich ein ganzes Stück weiter. Dieses Mal ist es eine gerade von ihrem Mann verlassene Mittdreißigerin, die eines Morgens mit einem ziemlich männlichen Anhängsel zwischen ihren Beinen aufwacht. Der kleine Unterschied bietet Anlass für turbulente Verwicklungen, Gefühlschaos und erstaunlich brave Zoten.

Webseite: www.meinneuesbestesstück.de

OT: Si j’étais un homme
F/BEL 2017
Regie: Audrey Dana
Drehbuch: Audrey Dana, Maud Ameline
Darsteller: Audrey Dana, Aliode BelaÏdi, Christian Clavier, Éric Elmosnino
Laufzeit: 95 Minuten
Verleih: Concorde
Kinostart: 8.6.2017

FILMKRITIK:

Wie eine Seifenblase zerplatzt für die chaotische Zweifachmutter Jeanne (Audrey Dana) das Glück einer perfekten Ehe. Ohne Vorwarnung lässt ihr Gatte sie eines Tages wissen, dass er sich in eine andere – natürlich jüngere – Frau verliebt habe. Für die beiden Kinder wolle er selbstredend das gemeinsame Sorgerecht beantragen. Jeanne weiß nicht, wie ihr geschieht. Es ist ein Schock, der ihr ohnehin überschaubares Selbstbewusstsein zum Einsturz bringt. Die folgende Nacht wird für sie zu einem Albtraum, auch weil draußen ein lautes Gewitter tobt. Völlig übermüdet und noch immer fertig mit den Nerven wartet am nächsten Montag schon der nächste Schock auf Jeanne. Zwischen ihren Beinen erblickt sie etwas, was dort garantiert nicht hingehört: Das vermeintlich beste Stück eines Mannes. Panisch eilt sie zu ihrem Gynäkologen (Christian Clavier), der mit der Situation aber kaum weniger überfordert ist. Jeanne müsse sich notgedrungen an ihr neues Anhängsel gewöhnen. Eine Operation lehnt er kategorisch ab. Ihre beste Freundin (Aliode BelaÏdi) findet die Verwandlung sogar in gewisser Weise aufregend und sexy.
 
Welch große Folgen eine nur kleine Veränderung haben kann, lässt sich in „Mein neues bestes Stück“ aus einem sehr französischen und zugleich weiblichen Blickwinkel beobachten. Hauptdarstellerin Audrey Dana wollte so der romantischen Komödie einen emanzipatorischen Twist verpassen. Das ist ihr aber nur bedingt gelungen. Dana („French Women – Was Frauen wirklich wollen“), die bei diesem turbulenten Bodychange-Plot erneut auch als Regisseurin und Co-Autorin die Fäden in der Hand hielt, entschied sich letztlich viel zu oft für den einfachsten Weg, bei dem die Pointe leider überschaubar und der Humor eher flach blieb. So stolpert ihre Hauptfigur vor allem zu Beginn unbeholfen durch eine Vielzahl skurriler, manchmal jedoch auch recht peinlicher Szenen, in denen Jeannes neuer „Freund“ den klassischen Penis-/Herrenwitz ziemlich ausreizt.
 
Anders als bei den US-Komödien der Farrelly Brüder oder eines Judd Apatow versteckt sich hinter den vergleichsweise harmlosen Zoten jedoch kein Konzept, das subversive Nadelstiche zuließe. Dazu schreckt Dana vor echten Provokationen erkennbar zurück. Ihre Filmfiguren lassen zudem Differenzierung und Tiefe vermissen. Insbesondere der plötzlich zwischen den Geschlechtern „eingeklemmten“ Jeanne fehlt es an Feinschliff. Viel zu überdreht und überzeichnet erscheint sie mehr wie eine Karikatur, deren absehbare Wandlung von der hysterischen Verlassenen zur selbstbewussten (Karriere-)Frau bekannten Geschlechter-Klischees folgt. Das passt zwar durchaus zu einer derben, mitunter märchenhaften Bodychange-Komödie, in dem das Overacting den Rhythmus vorgibt, für Danas weitere Anliegen sind solch einfache Rollenmuster aber wenig hilfreich. Die Idee, männliche und weibliche Klischees humorvoll zu entlarven, kommt über Ansätze nicht heraus.
 
In Frankeich, wo sich Männer noch immer gerne mit einer Geliebten schmücken und der Sexismus im Alltag weit verbreitet ist, wäre ein ehrlicher Perspektivwechsel zwischen Mann und Frau eigentlich ein spannendes Filmthema. Auch die Frage, was überhaupt typisch weiblich und was typisch männlich ist – wie sie François Ozon in „Eine neue Freundin“ spielerisch gestellt hat –, bleibt unbeantwortet. Immerhin merkt man Dana und ihrem Ensemble jederzeit an, dass sie ihre Rollen mit großer Lust an der Zuspitzung ausfüllen. Das gilt nicht zuletzt für den großartigen Christian Clavier als Jeannes herrlich überforderter Frauenarzt. Bei seinen Auftritten ahnt man, dass etwas mehr Anarchie und Chaos dieser ansonsten recht braven Komödie mit Sicherheit gut getan hätte.
 
Marcus Wessel