Ein Heimatfilm, in Dialekt gedreht, mit Laien, durch und durch authentisch, aber doch poetisch überhöht. Gleich mit ihrem Abschlussfilm „Milch ins Feuer“ gelingt Justine Bauer ein erstaunliches Werk, das aus eigenen Erfahrungen schöpft, sich aber nicht darauf beschränkt, einfach nur auf quasi dokumentarische Weise das Leben auf einem kleinen Hof zu schildern, sondern auf kluge, subtile Weise von sich ändernden Zeiten erzählt.
Über den Film
Originaltitel
Milch ins Feuer
Deutscher Titel
Milch ins Feuer
Produktionsland
DEU
Filmdauer
120 min
Produktionsjahr
2024
Regisseur
Bauer, Justine
Verleih
FILMPERLEN
Starttermin
07.08.2025
In der Region Hohenlohe, im Nordosten Baden-Württemberg steht der kleine Hof, auf dem
die 17jährige Katinka (Karolin Nothacker) zusammen mit ihrer Mutter Marlies (Johanna Wokalek), dem älteren Bruder Michi (Simon Steinhorst) und den beiden Schwestern Emma (Anne Nothacker) und Emilie (Sara Nothacker) lebt. Dazu kommen Oma Emma (Lore Bauer) und viele Tiere, Kühe, auch ein Lama, Katzen, die, wenn sie sich zu sehr vermehren, schon mal im Sack im Wasser landen, so ist es eben auf dem Land.
Gerne würde Katinka irgendwann den Hof übernehmen, denn sie liebt es, Bäuerin zu sein, doch das wird nicht gehen: Der Bruder wird den Hof weiterführen, denn so war es schon immer. Katinka und ihre Schwestern sollen heiraten, die Mutter schlägt vor, bei Aldi an der Kasse zu arbeiten, da sei das Geld besser, vor allem sicher.
Denn der Landwirtschaft geht es schlecht, die Menschen schätzen nicht mehr, was die Bauern machen, setzen sich für Umweltschutz und die Rechte der Tiere ein, vergessen dabei aber gerne, dass irgendwo ja ihr Essen herkommen muss.
Ein Nachbar der Familie verzweifelt zunehmend, steckt einmal Heuballen in Brand, um sie anschließend mit überschüssiger Milch zu löschen. Ein markantes Bild für die Lokalpresse soll entstehen, doch selbst die interessiert sich wenig für die Nöte der Bauern.
Autorin und Regisseurin Justine Bauer weiß wovon sie in ihrem Abschlussfilm „Milch ins Feuer“ erzählt. Sie wuchs selbst auf einer Straußenfarm in Hohenlohe auf, studierte an Kunsthochschulen in Leipzig und Köln, vielleicht auch ein Grund, warum ihr Film sich weniger wie ein typischer junger Film anfühlt, der aus eigenen Erfahrungen schöpft, sondern wie ein gelungener künstlerischer Versuch, universelles im persönlichen zu finden.
Gesprochen wird fast ausschließlich Hohenlohisch, ein oberdeutscher Dialekt, ein bisschen derbe, aber sehr prägnant und genau passend für ein traditionelles Leben, das sich nur langsam ändert. Nicht zufällig kommen fast nur Frauen zu Wort, die Schwestern, die Mutter, die Oma, besetzt mit der Großmutter der Regisseurin, während die meisten anderen Rollen von Laien aus der Region übernommen werden, die somit Variationen ihrer selbst spielen, aus eigenen Erfahrungen schöpfen.
Dennoch vermeidet Justine Bauer das, was gerne als authentisch oder semi-dokumentarisch beschrieben wird, sondern schafft eine gelungene Form, die in den fast quadratischen, im klassischen 4:3-Format gedrehten Bildern, poetische, leicht überhöhte, aber doch wahrhaftige Bilder findet.
Unterschwellig wird dabei der Wandel der Zeit angedeutet, das zunehmende Selbstvertrauen der jungen Frauen, die sich nicht mehr ohne Widerspruch den Traditionen, den Konventionen unterwerfen, sondern Forderungen stellen, nach Freiheit streben. Das Patriarchat, das lange Jahre, um nicht zu sagen, Jahrhunderte die Wege in Hohenlohe bestimmte, geht langsam zu Ende, selbst in dieser traditionell geprägten Region und wird sinnbildlich kastriert.
Michael Meyns