2006 beginnt Constanze Klaues Romanverfilmung „Mit der Faust in die Wand schlagen“, die sogenannten Baseballschlägerjahre waren da schon vorbei – oder begann gerade eine neue Phase? Die Diskussion über „den Osten“ jedenfalls hat in den letzten Jahren nicht nachgelassen, inzwischen entstehen auch Filme von Menschen vor Ort, so wie Klaue, deren Blick anders, vielleicht auch differenzierter ist, mit dem Ergebnis eines sehenswerten, genau beobachteten Jugenddramas.
Deutschland 2025
Regie: Constanze Klaue
Buch: Constanze Klaue, nach dem Roman von Lukas Rietzschel
Darsteller: Anton Franke, Camille Moltzen, Anja Schneider, Christian Näthe, Katrin Röver, Meinhard Neumann
Länge: 110 Minuten
Verleih: Across Nations
Kinostart: 3. April 2025
FILMKRITIK:
In der sächsischen Provinz, irgendwo zwischen Bautzen und Hoyerswerda wachsen die Brüder Philipp (Anton Franke) und Tobi (Camille Moltzen) auf. Zu Beginn des Films, im Jahre 2006, sind sie zwölf bzw. neun Jahre alt. Ihre Mutter Sabine (Anja Schneider) arbeitet als Krankenschwester, der Vater Stefan (Christian Näthe) als Elektriker, aber bald wird er entlassen.
Ein Haus baut Stefan gerade in Eigenregie, ein Heim für die Familie, die bald zerbrechen wird. Gelegentlich hilft sein ehemaliger Kollege Uwe (Meinhard Neumann) aus, der schon entlassen ist, zu viel trinkt und bald tot im See liegen wird.
Das Leben hat nicht viel zu bieten, hier, am Rand der Republik, unweit Polens, von wo langsam billigere Arbeitskräfte nach Deutschland kommen, die auch Elektrikern wie Stefan Konkurrenz machen. Dazu gibt es die Minderheit der Sorben, die manchen ein Dorn im Auge ist , den Prolls Ramon (Moritz Hoyer) und Menzel (Johannes Scheidweiler) sowieso.
Die rasen mit ihrem tiefergelegten VW Golf über die Landstraßen, hören laute, rechte Musik, trinken Schnaps und driften langsam ab.
Auch Philipp und Tobi machen gerne den Blödsinn, den man in dem Alter eben macht, um die langen Tage rumzubekommen, wenn ein Autowrack irgendwo rumsteht wird randaliert, in verlassenen Gebäuden Tapeten runtergerissen. Nichts dramatisches, aber bald versucht Philipp Teil des Kreises um Ramon und Menzel zu werden. „Jude“ schreibt er auf ein Schulheft, ist bald dabei, wenn Schweinehaxen auf das Haus einer türkischen Familie geschmissen werden. Sein Weg scheint vorgezeichnet, doch so einfach ist es nicht.
Und so einfach macht es sich auch Constanze Klaue nicht, die gleich mit ihrem Regiedebüt „Mit der Faust in die Welt schlagen“ zu Gast in der Berlinale-Sektion perspectives war. Vorlage war der gleichnamige Roman von Lukas Rietzschel, der 2018 erschien und Teil jenes literarischen Genres war, das als Post-Wende-Roman beschrieben werden könnte. Lose autobiographisch, aber doch vor allem fiktiv beschrieb Rietzschel das Aufwachsen in der ostdeutschen Provinz, ein Thema, das ihn mit Constanze Klaue verband. Die traf für ihren Film die kluge Entscheidung, die Geschichte noch losgelöster von realen Ereignissen zu machen, als es der Roman war, und ihr damit zusätzliche Universalität zu verleihen.
Ohne zu werten schildert sie das Leben von Philipp und Tobi, die die beruflichen und privaten Probleme ihrer Eltern mitbekommen, auch die Entwicklung bzw. die nicht-Entwicklung ihrer Region, die sich frei und unbeschwert bewegen, aber damit auch ohne jegliche Kontrolle. Leicht gerät man da an falsche Freunde oder sogar auf die schiefe Bahn, eine logische Konsequenz ist das aber auch nicht.
Einfache Korrelationen, wie sie vor allem aber nicht nur Beobachter, Soziologen und Andere da gerne ziehen, gibt es da nicht: Nicht jeder der als Teenager ziellos durch die ostdeutsche Provinz taumelt wird später AFD wählen. Gerade der neun Jahre später spielende Epilog zeigt dies mehr als deutlich und lässt „Mit der Faust in die Welt schlagen“ endgültig zu einem der gelungensten Filme über Leben und Aufwachsen in der Provinz werden, die es in den letzten Jahren im deutschen Film zu sehen gab.
Michael Meyns