More than honey

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Ein toller Film: poetisch und warmherzig, präzise recherchiert und technisch brillant. Das Thema erscheint zunächst unspektakulär: Es geht um die Honigbiene.
Aber wenn es einen Dokumentarfilm gibt, der auf die Kinoleinwand gehört und ein großes Publikum anspricht, dann ist es dieser. Überwältigend schön, mit fantastischen Bildern und unglaublich interessant!

Webseite: www.senator.de

Dokumentarfilm
Schweiz / Deutschland / Österreich 2012
Regie und Drehbuch: Markus Imhoof
Co-Autorin: Kestin Hoppenhaus
Kamera: Jörg Jeshel
Musik: Peter Scherer
Sprecher: Robert Hunger-Bühler
Länge: 91 Minuten
Verleih: Senator

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Schon Großvater Imhoof hatte mit Bienen zu tun: Als Chef einer Obstkonservenfabrik war er nicht nur Obstbauer, sondern auch Imker, denn wer Obst will, braucht Bienen. Ohne Honigbienen gibt es keine Bestäubung und ohne Bestäubung gibt es kein Obst. Das Kind Markus Imhoof lernte vom Großvater, wie wichtig die Bienen für die Menschen und für die gesamte Natur sind. Aus dem kleinen Jungen wurde einer der bekanntesten Schweizer Regisseure, der mit seinen Filmen, oft über heikle gesellschaftliche Themen, Aufsehen erregte. Aus den Honigbienen wurde eine Tierart in der Krise. Es geht ihnen nicht gut. Weltweit sterben sie, und niemand weiß, warum.

Markus Imhoof wagt sich wieder an ein kompliziertes Thema, das diesmal auch ihn selbst und seine Familiengeschichte betrifft. Er versucht das Rätsel um das Bienensterben zu lösen. Dafür reist er um die Welt und untersucht das Verhältnis zwischen Bienen und Menschen, er trifft auf rücksichtslose Geschäftemacher ebenso wie auf unermüdliche Traditionalisten. Die Zusammenhänge zwischen dem Missbrauch der Natur durch den Menschen und den Folgen werden schnell deutlich. In China sind Honigbienen in einigen Regionen ausgestorben – hier werden Obstbäume von Hand bestäubt. Markus Imhoof reist mit einer Pollenhändlerin und zeigt, wie aufwändig es ist, wenn der Mensch die Arbeit der Bienen übernimmt. In Österreich züchtet eine freundliche Dame gemeinsam mit ihrer Tochter aus besonders fleißigen und sanftmütigen Bienenvölkern brave Königinnen, die sie samt Hofstaat per Post in alle Welt verschickt. Das ist dringend notwendig, denn der Bedarf an Bienen ist riesengroß. Millionen von Bienen müssen auf Obstplantagen rund um den Globus für die Befruchtung von giftverseuchten Blüten sorgen, sie bekommen Antibiotika, und sie sterben dennoch – an Parasiten, vielleicht auch am Stress.

Körper und Seele des Menschen werden bis in die letzte Zelle und bis zum hintersten Hintergedanken erforscht. Wie aber sieht es bei den Bienen aus? Markus Imhoof trifft Wissenschaftler und filmt ihre Experimente über Kommunikation und Lernverhalten von Bienen. Mithilfe von Makroaufnahmen und Minihubschraubern gelingen ihm unglaubliche Bilder. Er zeigt die Geburt einer Königin und ihre Aufzucht, den Hochzeitsflug, die Eierablage und die Gründung eines neuen Bienenvolkes.

Der Blick mit der Makrokamera in den Bienenstock enthüllt einen Staatsapparat, in dem alles aufeinander abgestimmt funktioniert. Kleinste Störungen bringen dieses Wunderwerk an Organisation und Zusammenarbeit durcheinander. Akribisch erforscht Markus Imhoof das Leben der Bienen und dringt immer tiefer ein in die Regeln der Natur, wo jedes Lebewesen eine Aufgabe hat. Der Mensch dagegen erscheint unermesslich in seiner Gier und in seinem Wahn, alles zu kontrollieren.

Mit wunderbar intensiven Bildern von magischer Wirkung schafft Markus Imhoof eine unvergleichlich spannende Atmosphäre, die aufgelockert wird durch Interviews oder beinahe beiläufige Statements. „Wenn die Bienen verschwinden, verschwindet vier Jahre später der Mensch“, soll Albert Einstein gesagt haben. Dieser Film prangert nicht an, er zeigt, erzählt und enthüllt, ganz ohne den berühmten erhobenen Zeigefinger und überaus unterhaltsam, aber mit einem mahnenden Blick in die Zukunft.

Markus Imhoofs Tochter ist Bienenforscherin und lebt mit Mann und Kindern in Australien. Ihre Bienenzucht auf einer einsamen Insel wird vielleicht einmal zur Arche Noah, zum einzigen Ort, wo gesunde Bienen überleben. So schließt sich der Kreis, in der Familie Imhoof und in diesem Film. Was bleibt, ist die Hoffnung - und die Freude über diesen außerordentlichen Film, der an die Vernunft ebenso appelliert wie ans Gefühl. Mehr als Honig? – Viel mehr!

Gaby Sikorski

Die Bienen. Man weiß, dass sie sich zu Völkern zusammenscharen, dass sie sich eines Kommunikationssystems bedienen, dass sie sich nach ganz bestimmten Ordnungen bewegen und ausschwärmen, dass die Entstehung der Nachkommenschaft genau geregelt wird, und man weiß, wie lange ihre Lebensdauer ist.

Und weiß man auch viel noch nicht. In diesem interessanten, teilweise faszinierenden Dokumentarfilm geht es: um die noch reine, ortsverbürgte Aufzucht, Pflege und Honigernte im Berner Oberland; um die Massenaufzucht und örtliche Verlegung tausender Bienenstöcke in ganz Nordamerika (an die einzelnen Blütenplätze wie z. B. die Mandelbäume in Kalifornien oder die Apfelbäume weiter im Norden); um die industrielle, beinahe brutale Honiggewinnung in den USA (mit der freimütigen Zusicherung eines betroffenen Farmers, es handle sich um Kapitalismus); um das von Brasilien kommende Eindringen der aggressiven afrikanischen Killerbienen in die nordamerikanischen Aufzuchtgebiete; um die wissenschaftliche Bienenforschung; um das Erkennen und die Beseitigung schwerer Bienenkrankheiten (z. B. durch Pestizide und Milben), die zu großflächiger Vernichtung führen können; um die Bienenzucht in Australien, dem einzigen Kontinent, auf dem bis jetzt noch keine für die Bienen gefährliche Krankheit eingeschleppt wurde; um eine kleine Schweizer Firma, die Bienenköniginnen produziert und sie in alle Welt verschickt; um die Lage in manchen Regionen Chinas, wo wegen der chemischen Verseuchung keine Bienen mehr leben und deshalb die Blüten von Hand mit Pollen bestäubt werden müssen; um die Manipulation der sozialen Struktur der Bienenvölker („Laufbandbienenhaltung“); um die Schilderung der Honiggewinnung, wie sie früher in der Schweiz gehandhabt wurde; um das verbreitete Bienensterben auch.

Naturaufnahmen, Tricks, Makroaufnahmen, technisch gut verbunden – nicht weniger als fünf Jahre Drehzeit. Es ist natürlich ein thematisch eng festgelegter Stoff, doch wer sich dafür interessiert, der wird bestens bedient.

Insgesamt eine sehr respektable, ziemlich komplette Arbeit über eine Domäne, die so ausführlich für das Kino wohl noch nie behandelt wurde.

Thomas Engel