Die erste Verfilmung von Paul Gallicos Roman aus dem Jahr 1958 ist „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ nicht, die letzte hat aber mittlerweile auch drei Jahrzehnte auf dem Kasten. Eine neue Interpretation mag da für das Studio verlockend gewesen sein. Erzählt wird die Geschichte einer Putzfrau, die sich nichts mehr als ein Kleid von Dior wünscht, ihre Ersparnisse nimmt und nach Paris fährt. Das Ergebnis ist ein langsamer, eleganter, sympathisch gespielter Film, der in eine längst vergangene Zeit entführt.
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Mrs. Harris Goes to Paris
Großbritannien / Kanada / Frankreich / USA / Ungarn / Belgien 2022
Regie: Anthony Fabian
Buch: Carroll Cartwright, Anthony Fabian
Darsteller: Lesley Manville, Isabelle Huppert, Lambert Wilson Länge: 115 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 10. November 2022
FILMKRITIK:
England im Jahr 1957: Mrs. Harris wünscht sich ein Kleid von Dior. Bei einer ihrer Auftraggeberinnen hat sie ein solches gesehen, mit einem Preis von 500 Pfund scheint es für die bescheidene Putzfrau aber gänzlich unerschwinglich. Doch das Glück ist ihr hold, sie bekommt das Geld und macht sich danach auf den Weg nach Paris. Dort möchte sie bei Dior selbst ein Kleid erwerben – und lernt ein paar wundervolle Menschen kennen.
Zur besseren Einordnung sei gesagt, dass die 500 Pfund aus dem Jahre 1957 heute in etwa einem Gegenwert von 13.000 Euro entsprechen – es ist also schon ein exorbitant teures Kleid, dass Mrs. Harris sich wünscht. Den Wunsch mag man nicht unbedingt verstehen können, Lesley Manville spielt Mrs. Harris aber mit viel Gefühl, ausgesprochen sympathisch, immer freundlich und nahbar. Das macht sie zum Zentrum dieses Films, der ausgesprochen ruhig erzählt ist, in Stil und Umsetzung aber auch dem Kino der 1950er und 1960er Jahre entspricht.
Das größte Kompliment, das man einem Film wie diesem machen kann, ist zu sagen, dass er wirkt, wie aus jener Zeit. Wüsste man es nicht besser, man könnte „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ für einen Film der damaligen Zeit halten. Das Spiel ist niemals überdreht, die Figuren sind allesamt vielschichtig gestaltet, und der Kontrast einer in Luxus versunkenen Modewelt mit dem Leben einer ganz normalen Arbeiterfrau ist hervorragend dargeboten. Der Film erlaubt sich so auch einen gesellschaftskritischen Kommentar, verkneift es sich aber, die Reichen durchweg unsympathisch zu zeichnen.
Dies ist ein enorm charmanter Film, der zum Teil in Budapest gedreht wurde, das für Paris herhalten musste, da die Stadt an der Seine von ihrer Architektur zum Teil schon zu modern geworden ist. Nichts an diesem Film ist wirklich überraschend, aber das macht ihn auch so heimelig. Ein Film, bei dem man sich wohlfühlen kann, der von einer Welt erzählt, die es so vielleicht nie gegeben hat, die aber ein gewisses märchenhaftes Flair ausstrahlt.
Peter Osteried