My Beautiful Country – Die Brücke am Ibar

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Auch wenn der Kosovo-Konflikt aus den großen Schlagzeilen verschwunden ist: Den Menschen, die ihn miterleben mussten, hat er sich ins Gedächtnis gebrannt, als grausamer Krieg mitten in Europa, der bis heute weder ganz beendet noch komplett aufgeklärt ist und dessen Folgen bis heute sichtbar sind. Michaela Kezele hat einen sehr bewegenden, sehr vielschichtigen Film geschaffen, der vollkommen zu Recht vielfach preisgekrönt wurde: vordergründig eine Liebesgeschichte, aber tatsächlich eine bittere Anklage gegen Krieg und Gewalt. Ihre Hauptfiguren sind Danica und Ramiz, eine Serbin und ein Albaner. Großartige Schauspieler und eine spannende Handlung verbinden sich zu einem außergewöhnlichen Kinoerlebnis, das trotz oder vielleicht gerade wegen seiner poetischen Betrachtungsweise die Grausamkeit des Krieges deutlich macht.

Webseite: www.movienetfilm.de

Deutschland 2012
Regie und Drehbuch: Michaela Kezele
Darsteller: Zrinka Cvitešiæ, Mišel Matièeviæ, Andrija Nikèeviæ, Miloš Mesaroviæ, Danica Ristovski
Länge: 88 Minuten
Verleih: Movienet Film GmbH
Kinostart: 12.12.2013

PREISE/FESTIVALS:

Ur- und Erstaufführung auf dem Münchner Filmfest 2012
2013: Bayerischer Filmpreis, Beste Nachwuchsregie
2013: Stony Brook Film Festival New York, Jury Award- Best Feature JULI
2013: Filmfestival Türkei/ Deutschland, Bester Film
2013: Filmfestival Türkei/ Deutschland, Publikumspreis
2013: Filmfestival von Pula/ Kroatien, Young Cinephiles Award
2013: Favourites Film Festival Berlin, Bester Film- Publikumspreis
2012: Bernhard Wicki Friedenspreis, Regie Nachwuchspreis, Beste Hauptdarstellerin
2012: Arras Film Festival, Frankreich, Audience Award
2012: Biberacher Filmfestspiele, Bester Debütfilm, Publikumsbiber
2012: Lobende Erwähnung, Förderpreis Neues Deutsches Kino


FILMKRITIK:

Danica trägt Schwarz. Ihr Mann ist im Bürgerkrieg zwischen Serben und Albanern gefallen. Seitdem ist ihr kleiner Sohn Danilo verstummt, und der ältere Sohn Vlado wurde zum Schulschwänzer. Die Familie ist verarmt, weil die Rentenzahlungen nur spärlich fließen. Nachts fliegt die NATO Luftangriffe, so dass die Familie Schutz im Keller des Nachbarhauses sucht. Trotz allem versucht Danica ein normales Leben zu führen, Danilo zum Sprechen zu bewegen, eine gute und fürsorgliche Mutter zu sein und sich selbst einen Schimmer von Lebensfreude zu erhalten. Das ist schwierig angesichts der bedrückenden Atmosphäre in dem kleinen, mittlerweile fast entvölkerten Grenzort, wo jeder über jeden Bescheid weiß.

Als sich ein UCK-Soldat verletzt in Danicas Haus rettet, hilft sie ihm, aber sie weiß natürlich, dass die Anwesenheit dieses Mannes geheim bleiben muss. Ramiz lässt sich gern von ihr pflegen, die schöne, ruhige Danica fasziniert ihn, und auch Danica spürt seine Anziehungskraft. Doch kaum haben die beiden ihre Liebe füreinander entdeckt, muss Ramiz fliehen – eine neugierige Nachbarin hat ihn entdeckt und verraten. Ramiz gelingt es, über die Brücke am Ibar nach Albanien zu gelangen. Doch damit beginnt nur ein weiteres Kapitel dieser spannenden und tragischen Geschichte über einen Krieg, der keine Sieger kennt.

Michaela Kezele erzählt mit wunderbar schlichten Bildern und in wenigen Worten eine poetische Geschichte. Ihre Heldin wird beherrscht vom Willen zur Normalität. Danicas Wunsch, in all dem Schrecken und Grauen um sich herum ein wenig Glanz und Liebe zu finden, ist so anrührend wie verständlich. Sie hat nicht mehr viel außer ihren beiden Kindern und findet in Ramiz nicht nur die Erfüllung ihrer Leidenschaft, sondern auch wieder eine Möglichkeit, von der Zukunft zu träumen. Wie die Hauptdarstellerin Zrinka Cvitešiæ dieses sensible Frauenporträt zeichnet, ist absolut bewundernswert. Sie vereint die Würde und Trauer einer Witwe mit der Verspieltheit eines jungen Mädchens, in ihrem klaren, schönen Gesicht spiegeln sich die unterschiedlichsten Emotionen: Freude und Wut, Mut und Angst. Sie ist eine Kriegerin des Alltags – das ewige Los der Frauen, die zu Hause bleiben und versuchen, irgendwie weiterzuleben, während die Männer draußen kämpfen und sterben. Einer dieser Männer ist Ramiz, gespielt von Mišel Matièeviæ, der seine Vielseitigkeit bereits in vielen Rollen beweisen durfte, er erhielt den Deutschen Fernsehpreis und wurde mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Hier ist er ein Mann, der vergessen möchte und es nicht schafft, ein Mensch voller Sehnsucht nach innerem und äußerem Frieden. Der Krieg hat ihn nicht vollständig zerstört, die Hoffnung lebt noch in ihm und lässt ihn an eine gemeinsame Zukunft mit Danica denken. „Am 31. Oktober auf dem Eiffelturm“ – sie haben eine Verabredung.

Es gehörte vermutlich eine Menge Mut dazu, sich dem Thema Krieg in dieser poetisch ästhetischen Bildsprache zu nähern. Das Experiment ist rundum gelungen, denn trotz der melancholischen Grundstimmung hat Michaela Kezele über ein schwieriges Thema einen spannenden und überraschend eleganten Film geschaffen. Spannend vor allem dank einer ausgeklügelten Handlung, bei der sich am Ende alle Kreise schließen. Elegant ist der Film durch eine bestrickend gute Bildregie, die es den Darstellern erlaubt, ihre Geschichte beinahe beiläufig und dennoch mit großer Intensität zu erzählen.

Gaby Sikorski