My First Lady

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Der Zauber und die Hoffnung, die von ersten Begegnungen ausgehen, fängt Regisseur Richard Tanne mit seiner prominenten Liebesgeschichte wunderbar ein. Hinreißend eloquent flirtet Mr. President mit seiner späteren First Lady. Die Dialoge des zeitgeschichtlichen Romantikdramas wirken ebenso authentisch wie die nuancierte Mimik und Gestik der beiden Hauptdarsteller Tika Sumpter und Parker Sawyers. Die beiden ähneln dem echten Paar verblüffend. Während die Obama-Ära im Weißen Haus ausklingt, bieten sie einen lohnenden Blick zurück auf ein besonderes, skandalfreies Dreamteam.

Webseite: www.capelight.de/my-first-lady

USA 2016
Regie: Richard Tanne
Drehbuch: Richard Tanne
Darsteller: Tika Sumpter, Parker Sawyers, Vanessa Bell Calloway, Phil Ed Van Lear, Taylar Fondren. Deanna Reed-Foster, Jerod Haynes, Gabrielle Lott-Rogers, Preston Tate, Jr, , Donn Carl Harper, Stephanie Monday, Tom McElroy
Länge: 83 Minuten
Verleih: Capelight Pictures
Kinostart: 15.9.2016
 

FILMKRITIK:

„Wie sieht das denn aus, wenn ich mit dem erstbesten süßen Schwarzen ausgehe, der zur Kanzleitür reinmarschiert“, ereifert sich die attraktive Anwältin Michelle Robinson (Tika Sumpter). „Das ist unprofessionell“, betont sie. Der 28jährige Kettenraucher Barack Obama (Parker Sawyers) ist freilich um keine Antwort verlegen. „Du findest mich also süß“, bringt der geistreiche Jura-Student und Womanizer seine ehrgeizige Vorgesetzte aus dem Konzept. Für ihn steht fest: dieser sonnige Sonntagmorgen in Chicago ist ihr erstes Date und nicht nur ein Treffen unter Kollegen.
 
Und schon wickelt er die Widerstrebende weiter um den Finger, umgarnt sie mit seinem Charme. Führt sie in eine Ausstellung des afroamerikanischen Malers und ehemaligen Footballspielers Earnie Barnes und danach zum Spaziergang in den Park, obwohl eigentlich nur der gemeinsame Besuch einer Gemeindeversammlung auf dem Programm stand. Und auch dort punktet er und hält eine elektrisierende Rede vor der von der weißen Obrigkeit enttäuschten schwarzen Community. Die anwesenden Sisters begrüssen Michelle sowieso als seine neue Freundin. Auch wenn sie sich noch so wehrt. Und so erleben die beiden einen Tag, der langsam zum Abend wird. 
 
Vom Stil erinnert das Biopic-Teil, gedreht an Orginalschauplätzen, fast an die hinreißende minimalistische Romanze „Before Sunrise“. Denn auch sie drehte sich fast ausschließlich um die Gespräche und ausgetauschten Gedanken der Hauptdarsteller, beschränkt auf Stunden eines einzigen Tages. Die Dialoge, die den Film dominieren, wirken ebenso authentisch wie die nuancierte Mimik und Gestik. Die gegenseitige Anziehung des hübschen Paares ist unübersehbar, greifbar und spürbar. Es gibt keine Flashbacks und doch erweitert Regisseur Tanner besonders über die Script-Ebene das Spektrum, durch das er die Zuschauer am Leben der beiden teilhaben lässt.
 
Wenn Michelle und Barack sich beim Drink fast darüber streiten, welches Album des legendären, blinden, schwarzen Kultsängers und Musikers Stevie Wonder nun das Beste ist und Michelle definitiv von „Talking Book“ mit seinen herausragenden Soul- und Funknummern schwärmt, sprühen die Funken. Nicht umsonst befindet sich auf dieser LP der Hit „Big Brother“ mit der bezeichnenden Liedzeile “I live in the ghetto. you just come to visit me 'round election time”. Stevie Wonder, der später zu einem der eifrigsten Wahlhelfer Obamas wurde, reflektierte damit sozialkritisch die Zeiten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung.
 
Für den Zuschauer verdichtet sich die Menge aus mitgeteilten Informationen, Anekdoten, Lebensphilosophie, Vergangenheitsschilderung und besonderer Momente zu einem zunehmend konkreteren Bild zweier Personen, die bald mehr sind als prominente Charaktere. Beeindruckend gelingt es den Protagonisten in meist ruhigen, langen Einstellungen, eine sich entspinnende Liebe mit äußerst viel Feingefühl für die emotionalen Nuancen nachzubilden. Tatsächlich war Chicago in jenen Tagen ein besonderes Pflaster. Mit Harold Washington hatte es Mitte der 1980er Jahre eine Koalition von afroamerikanischen Wählern und Latinos geschafft, einen Traum wahr werden zu lassen: Die Stadt bekam für wenige Jahre den ersten schwarzen Bürgermeister. Die langen Schatten der Rassentrennung lichteten sich jedoch nur kurzzeitig.
 
Letztlich verweist die hellsichtige Beziehungsromanze mit ihrem optimistischen Grundton auch darauf, wie bedeutsam eine erste schwarze First Family für die Afroamerikaner sein wird. Die zweite Amtszeit Obamas endet Anfang nächsten Jahres. Nicht nur seine Politik wird dann in Erinnerung bleiben. Bestimmt auch seine besondere Beziehung zu seiner Frau. Dass Michelle Obama zudem längst aus dem Schatten ihres Mannes getreten und fast beliebter als ihr Gatte ist, erklärt sich nach diesem Kinoerlebnis fast von selbst. Schließlich zeigt das interessante Romantik-Drama, dass die inzwischen 52-jährige Stilikone, die zum Idol für Millionen junger Frauen avancierte, bereits in jungen Jahren äußerst clever und willensstark war.
 
Luitgard Koch