Nach der Hochzeit

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Enthüllungen, die ein ganzes Leben verändern können, Entscheidungen, die irreversibel sind. In Nach der Hochzeit, dem neuen Drama der ehemaligen Dogma-Regisseurin Susanne Bier, bewegen sich alle Protagonisten auf emotionalem äußerst dünnen Eis. Mit Mads Mikkelsen – Bonds letztem Gegenspieler in Casino Royale – und Wallander-Darsteller Rolf Lassgård prominent besetzt, vollbringt ihr Film das seltene Kunststück, ohne Schwermut und aufgesetzter Melodramatik von der Implosion einer nach außen scheinbar intakten Familie zu erzählen.

Webseite: www.universumfilm.de

OT: Efter Brylluppet - After the wedding
Dänemark/Schweden 2006
Regie. Susanne Bier
Drehbuch: Anders Thomas Jensen
Produktion: Sisse Graum Jørgensen
Kamera: Morten Søborg
Musik: Johan Söderqvist
Darsteller: Mads Mikkelsen, Rolf Lassgård, Sidse Babett Knudsen, Stine Fischer Christensen
Kinostart: 1.2.2007
Verleih: Universum Film

PRESSESTIMMEN:

...hat die emotionale Wucht einer griechischen Tragödie, ist rührselig, ohne je in Klischees oder Kitsch zu verfallen, psychologisch präzise und grandios gespielt.
(Brigitte)

Ein berührendes Familiendrama, raffiniert und packend wie ein Thriller - ganz großes Schauspielerkino.
Cinema

Schauspielkino erster Güte... Bewegendes Kino der großen Gefühle.
Filmecho

Susanne Bliers Familiendrama über Lügen und Geheimnisse sowie tiefgreifende Entscheidungen ist ein Meisterwerk an Inszenierung und Darstellung... "Nach der Hochzeit", ohne jeden Schnickschnack inszeniert und mit der Handkamera ganz nah dran an seinen Figuren, ist das Beste, was uns Zuschauern passieren kann, weckt im freien Fall der Gefühle tiefste Empfindungen und lässt uns dennoch nicht in Tristesse versinken. Ein Triumph der leisen Zärtlichkeit und des europäischen Kinos.
Blickpunkt:Film

FILMKRITIK:

Alles beginnt damit, dass der vor zwei Jahrzehnten nach Indien ausgewanderte Jacob (Mads Mikkelsen) ein außergewöhnliches Angebot eines reichen dänischen Geschäftsmannes (Rolf Lassgård) erhält. Jørgen, so sein Name, will dem von Jacob betreuten Waisenhaus mehrere Millionen Dollar zukommen lassen. Diese Spende ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass Jacob persönlich nach Dänemark reist, um den Vertrag zu unterzeichnen und einige andere Formalitäten zu erledigen. Eher widerwillig stimmt er Jørgens Forderung zu.
 

In Dänemark angekommen muss Jacob schnell feststellen, dass sich die Angelegenheiten rund um die Millionen-Spende verzögern. Stattdessen wird er auf die Hochzeit von Jørgens Tochter Anna (Stine Fischer Chrstensen) eingeladen. Als er dort Jørgens Frau Helene (Sidse Babett Knudsen) begegnet, wird ihm schlagartig vieles klar. Helene ist Jacobs Jugendliebe, und das Wiedersehen mit ihr kann unmöglich ein Zufall sein, glaubt er. Nachdem Jacob dann noch erfährt, dass Jørgen gar nicht Annas leiblicher Vater ist, wird die anfänglich unfassbare Ahnung für ihn zur Gewissheit: Anna ist seine Tochter.

Es soll nicht die letzte folgenschwere Wahrheit bleiben, die das Drehbuch des dänischen Multi-Talents und Film-Workahlic Anders Thomas Jensen (Adams Äpfel, Open Hearts) für die Charaktere und den Zuschauer bereithält. Susanne Bier, deren letzter Film Brothers ein ähnlich tragisches Schicksal einer durch den Krieg zerstörten Familie beschrieb, kann für die Umsetzung ihres ambitionierten Dramas auf ein durchweg erstklassiges Ensemble zurückgreifen. Vor allem Rolf Lassgård in der Rolle des Familienoberhauptes meistert den emotionalen Parforceritt mit Bravour. Dabei gäbe es nicht nur was seine Person anbelangt durchaus einige Momente, die sich mit weniger erprobten Schauspielern in einer nur schwer erträglichen Melodramatik verlieren würden.

Für Bier erweist sich ihr Dogma-Hintergrund einmal mehr als ein reicher Fundus an Erfahrungen. Sie hat es gelernt, mit einer Reduktion der filmischen Mittel und dem Verzicht auf jedwede visuelle Spielereien, einfache und dennoch tiefgründige Geschichten zu erzählen. Auch in Nach der Hochzeit vertraut sie zumeist einer sehr intuitiven Handkamera, die dicht an den Charakteren „klebt“, ihre Augenpartien fixiert und so ein Gefühl unmittelbarer Nähe erzeugt. Die zurückhaltende gleichsam präsente Filmmusik von Johan Söderqvist unterstreicht das emotionale Wechselbad, in das wir als Zuschauer geworfen werden, ohne es zu dominieren. Daran könnte sich James Horner mal ein Beispiel nehmen.

Es ist schon erstaunlich – und das ist keinesfalls als jovialer national gefärbter Kommentar misszuverstehen – wie viele großartige Filme das verhältnismäßig kleine Dänemark jedes Jahr hervorbringt. Abseits des „Enfant Terrible“ und Festival-Dauergastes Lars von Trier stehen Namen wie Bier, Jensen, Refn, und Scherfig für eine facettenreiche Kino-Landschaft, die das Erbe der eigenen Dogma-Generation in den unterschiedlichsten Genres weiterträgt. Nach der Hochzeit ist hierfür lediglich das jüngste Beispiel.

Marcus Wessel

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Zwanzig Jahre ist es schon her, dass Jacob aus Dänemark nach Indien kam. Es war damals eine Flucht des versoffenen und häufig voll gekifften Mannes. Aber im Laufe der Jahre widmete er sich der Erziehung von Kindern. Jetzt geht der von ihm mit betriebenen Institution das Geld aus. Jacob muss zurück nach Dänemark, um solches zu beschaffen.

Es besteht Aussicht, dass er von dem Unternehmer Jorgen Geld erhalten wird. Allerdings wird die Reise ein kompliziertes Ereignis werden. Jorgen ist glücklich mit Helene verheiratet. Den beiden gehören Zwillinge sowie die 20 Jahre alte Anna, die kurz vor der Hochzeit steht.

Das Problem ist, dass Helene früher Jacobs Geliebte war und Anna nicht aus der Verbindung zwischen Jorgen und Helene stammt, sondern aus dem Verhältnis Jacobs und Helenes. Jetzt führt das zu heftigsten Gefühlsaufwallungen zwischen Anna und Helene, zwischen Jorgen und Helene, zwischen Anna und Jorgen, zwischen Anna und Jacob sowie zwischen Jacob und Jorgen, natürlich auch zwischen Helene und Jacob. Diese emotionalen Ausbrüche und Anfeindungen, aber auch Zärtlichkeiten und Versöhnungen bilden den Hauptteil der Handlung.

Jorgen ist todkrank. Er wird sterben. Deshalb will er, dass Jacob zwar sein Geld für Indien erhält, dass er aber in Dänemark bleibt und es von dort aus verwaltet. Kein Zweifel, dass er auch für Jorgens Familie – und für Helene im besonderen – sorgen wird.

Vom Drehbuchautor Anders Thomas Jensen heißt es, er sei Spezialist dafür, „hanebüchene Zufälle und schamlos rührselige Situationen auszuhecken“, während Regisseurin Susanne Bier „eine nüchterne Realistin ist, die eine fast dokumentarische Herangehensweise mit der Handkamera favorisiert“.

Genau das trifft auf „Nach der Hochzeit“ zu. Die Geschichte dieses Melodrams, wie es im Buche steht, ist leicht an den Haaren herbeigezogen, aber sie ist perfekt inszeniert. Nicht umsonst war die Regiearbeit für den Europäischen Filmpreis nominiert. Der Film lässt einen keine Minute los.

Die Rollen des Jacob (Mads Mikkelsen), des Jorgen (Rolf Lassgard), der Helene (Sidse Babett Knudsen) sowie der Anna (Stine Fischer Christensen) sind zudem hochkarätig besetzt. Ein interessantes Gesellschafts- und Familienbild. Für Filmkunsttheater und Programmkinos durchaus geeignet.

Thomas Engel