Namaste Himalaya

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Aus einem unbekümmert fröhlichen Road Movie nach dem Motto: „Einmal um die ganze Welt …“ entwickelt sich unerwartet ein mitreißender und ernsthafter autobiographischer Dokumentarfilm, der immer mehr an Tiefe gewinnt, ohne dabei seine Leichtigkeit zu verlieren. Dafür verantwortlich sind sowohl die beiden talentierten Filmemacher Anna Baranowski und Michael Moritz als auch ein inzwischen allgemein bekanntes Virus, das sich seit Anfang 2020 über die ganze Welt verbreitet hat … Aber Achtung: Das ist kein Corona-Film und auch nicht die umzigste Himalaya-Doku, sondern eigentlich geht es um etwas viel Bedeutenderes: um den Blick auf sich selbst und die Welt.

Webseite: https://mindjazz-pictures.de/filme/namaste-himalaya

Dokumentarfilm
Deutschland 2022
Homepage: https://mindjazz-pictures.de/filme/namaste-himalaya
Buch, Regie, Kamera: Anna Baranowski & Michael Moritz

Länge: 93 Minuten
Verleih: mindjazz pictures
Kinostart: 11. August 2022

FILMKRITIK:

Michael will weg von allem, was ihn krankmacht und nervt. Er gibt seinen Job und die Wohnung auf, verkauft seine Besitztümer, packt das Nötigste in einen Rucksack und wird ein moderner Nomade mit dem grundsätzlichen Ziel, sich selbst zu finden – oder zumindest wegzukommen vom Großstadttrubel, von schlechter Luft und miesen Stimmungen. Der Jakobsweg wird seine erste Tour, bei der er Anna kennenlernt, die ihn als Kamerafrau für eine TV-Doku begleitet. Kaum sind die beiden ein Paar, reisen sie so oft wie möglich gemeinsam. Zwischendurch muss Anna immer wieder jobbedingt zurück nach Deutschland, während Michael Südostasien durchquert. Im März 2020 haben die beiden ein Date im Himalaya und treffen sich in Nepal wieder. Doch dann kommt Corona, Anna und Michael stecken fest, es gibt kein Vor und kein Zurück: Aus den geplanten vier Wochen auf dem Dach der Welt werden 6 Monate. Die beiden weltgewandten Vagabunden, in den Augen der Einheimischen erstmal nichts weiter als zwei privilegierte Touristen, sind plötzlich allein. Sie stehen ohne Geld und Visum da, angewiesen auf die Unterstützung einer Dorfgemeinschaft, deren Kultur und Sprache sie nicht kennen.

Zwei sympathische junge Menschen haben sich da gefunden: die technisch versierte, pragmatische Anna, die so ansteckend herzlich lacht, und der pfiffige, sensible Michael. Die beiden wollen gemeinsam die Welt entdecken, stattdessen landen sie mitten im Himalaya in einem winzigen Bergdorf. Daraus entwickelt sich eine liebenswerte Geschichte, die nicht nur von der Annäherung an eine andere Kultur erzählt, sondern auch vom einfachen Leben inmitten der Dorfgemeinschaft und von der Erkenntnis, was wirklich wichtig ist im Leben. Ein bisschen Stadtmaus- und Landmausfeeling ist zusätzlich dabei – einschließlich des Lobes der Genügsamkeit. Aus dem ursprünglichen Wunsch, die Welt zu entdecken, entwickelt sich etwas anderes, das Anna Baranowski und Michael Moritz in Bildern festhalten. Sie erzählen von dem, was sie am besten kennen: von sich selbst und wie sie sich verändern. Ihren Nachbarn im Himalayadörfchen Sedi begegnen sie mit Respekt und Offenheit, und ebenso nähern sie sich allem Neuen, sei es der Reisanbau, eine Riesenspinne oder ein Unwetter. Die Bilder sind oft von atemberaubender Schönheit, dabei ist der Film eher unterhaltsam als meditativ, humorvoll und interessant, mit einem angenehmen Tempo. So wie das Leben, das die beiden hier neu kennenlernen, und zwar ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als die Welt beinahe zum Stillstand gekommen ist.

Gaby Sikorski