In ihrer liebevollen Provinzstudie zeigen die beiden Grimme-Preisträgerinnen Sigrun Köhler und Wiltrud Baier nicht nur, was die berühmte „Fasnet“ (Fastnacht) aus dem Städtchen Rottweil und seinen Bewohnern macht. Sie gehen auch der Frage auf die Spur, warum die mittelalterlichen Rituale immer beliebter werden. Denn alle wollen beim „Narrensprung“ mit dabei sein, und jedes Jahr wächst die Zahl der Anhänger. Aber wie kann sich die Tradition gegen den Ansturm der Fans behaupten?
Webseite: www.narren-film.de
Dokumentarfilm
Deutschland 2019
Buch, Regie, Kamera: Sigrun Köhler und Wiltrud Baier
93 Minuten
Verleih: Edition Kassenfeger
Kinostart: 11.11.2021
Webseite: www.narren-film.de
Dokumentarfilm
Deutschland 2019
Buch, Regie, Kamera: Sigrun Köhler und Wiltrud Baier
93 Minuten
Verleih: Edition Kassenfeger
Kinostart: 11.11.2021
Über den Film
Originaltitel
Narren
Deutscher Titel
Narren
Produktionsland
DEU
Filmdauer
97 min
Produktionsjahr
2019
Produzent
Köhler, Sigrun / Baier, Wiltrud
Regisseur
Köhler, Sigrun / Baier, Wiltrud
Verleih
Starttermin
10.11.2021
/Was macht einen Narren zum Narren? Was sind Kleidle oder Larven? Und was ein Narrensprung? Wen diese Fragen neugierig machen, wer zudem ein Faible für das hat, was Karneval, Fasching oder Fasnacht bezeichnet wird, für den ist „Narren“ wie gemacht, die neue Dokumentation der Grimme-Preis-Trägerinnen Sigrun Köhler und Wiltrud Baier.
Sie haben sich mit der kleinsten Bank Deutschlands beschäftigt und dem ehemaligen Drummer von Frank Zappa, man kann also getrost feststellen, dass Sigrun Köhler und Wiltrud Baier ein Faible für eher abseitige, obskure Themen haben. Dass dabei nicht das Skurrile im Vordergrund steht, sondern die Menschen hinter den Themen, macht die Filme des Duos so besonders, und das gilt auch für ihren neuen Film „Narren.“ Drei Jahre, drei Saisons, drehten sie dafür in Rottweil, einer kleinen Stadt mit gut 25.000 Einwohner, 90 Kilometer südlich von Stuttgart gelegen und die älteste Stadt Baden-Würtembergs. Bis zu den Römern kann die Geschichte zurückverfolgt werden, ganz so alt ist die berühmte Fasnacht zwar nicht, aber auf eine lange Tradition können die tollen Tage zurückblicken.
Wie die meisten Traditionen dieser Art hat auch die Rottweiler Fasnacht ihre Ursprünge in heidnischen Ritualen, die bis ins Mittelalter nachzuweisen sind. Markantestes Symbol sind dabei die kunstvoll aus Holz geschnitzten Masken, die nicht nur einmal, sondern über Jahre getragen und oft auch vererbt werden. Auf symbolischen Pferden wird durch die Stadt geritten, mit Peitschen geknallt und böse Geister, der Teufel oder pragmatischer, der Winter vertrieben.
Seit 2014 ist auch die Rottweiler Fasnacht, als Teil der schwäbisch-alemannischen Fastnacht ins immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen, vielleicht ein Grund, warum die Teilnehmerzahl in den letzten Jahren immer mehr wächst. Wobei die Regeln hier so streng sind, dass es eigentlich nicht erlaubt ist, einfach so mitzumachen: Masken und Kostüme werden von einem Komitee geprüft und abgenommen, nur dann darf man offiziell an der Fastnacht teilnehmen. Doch immer mehr Teilnehmer kennen sich in den Augen des Festausschuss (in dem auch heute noch ausschließlich Männer sitzen…) nicht mehr wirklich aus und beachtet die Traditionen nicht recht. Berechtigte Kritik an einer langsamen Kommerzialisierung einer Tradition oder doch eher Zeichen für die im Wesen konservative Fasnacht?
Köhler und Baier halten sich mit einem Urteil zurück, sie beobachten, bleiben hinter der Kamera, auch wenn sie bisweilen eine Frage aus dem Off stellen. Immer wieder stellen sie aber prägnante Momente in den Raum, die einiges über die Verhältnisse in Rottweil erzählen: Gleich in der ersten Szene witzelt etwa ein bierseliger Mann über die kleinen Kameras, die die Regisseurinnen offenbar benutzen. Kleine Kameras für kleine Frauen seien das wohl… Später versucht ein Mann eher erfolglos zu begründen, warum in bestimmten Kostümen auf gar keinen Fall eine Frau stecken darf: Es war eben schon immer so. Frauen nähen und reichen ihren Männern die nächste Bierflasche, viel mehr haben sie in der Rottweiler Fasnacht nicht zu tun, die Tradition steckt fest in männlicher Hand. Leben tut sie dennoch auf eindrucksvolle Weise, wie Sigrun Köhler und Wiltrud Baier in ihrer sehenswerten Dokumentation zeigen.
Michael Meyns
Sie haben sich mit der kleinsten Bank Deutschlands beschäftigt und dem ehemaligen Drummer von Frank Zappa, man kann also getrost feststellen, dass Sigrun Köhler und Wiltrud Baier ein Faible für eher abseitige, obskure Themen haben. Dass dabei nicht das Skurrile im Vordergrund steht, sondern die Menschen hinter den Themen, macht die Filme des Duos so besonders, und das gilt auch für ihren neuen Film „Narren.“ Drei Jahre, drei Saisons, drehten sie dafür in Rottweil, einer kleinen Stadt mit gut 25.000 Einwohner, 90 Kilometer südlich von Stuttgart gelegen und die älteste Stadt Baden-Würtembergs. Bis zu den Römern kann die Geschichte zurückverfolgt werden, ganz so alt ist die berühmte Fasnacht zwar nicht, aber auf eine lange Tradition können die tollen Tage zurückblicken.
Wie die meisten Traditionen dieser Art hat auch die Rottweiler Fasnacht ihre Ursprünge in heidnischen Ritualen, die bis ins Mittelalter nachzuweisen sind. Markantestes Symbol sind dabei die kunstvoll aus Holz geschnitzten Masken, die nicht nur einmal, sondern über Jahre getragen und oft auch vererbt werden. Auf symbolischen Pferden wird durch die Stadt geritten, mit Peitschen geknallt und böse Geister, der Teufel oder pragmatischer, der Winter vertrieben.
Seit 2014 ist auch die Rottweiler Fasnacht, als Teil der schwäbisch-alemannischen Fastnacht ins immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen, vielleicht ein Grund, warum die Teilnehmerzahl in den letzten Jahren immer mehr wächst. Wobei die Regeln hier so streng sind, dass es eigentlich nicht erlaubt ist, einfach so mitzumachen: Masken und Kostüme werden von einem Komitee geprüft und abgenommen, nur dann darf man offiziell an der Fastnacht teilnehmen. Doch immer mehr Teilnehmer kennen sich in den Augen des Festausschuss (in dem auch heute noch ausschließlich Männer sitzen…) nicht mehr wirklich aus und beachtet die Traditionen nicht recht. Berechtigte Kritik an einer langsamen Kommerzialisierung einer Tradition oder doch eher Zeichen für die im Wesen konservative Fasnacht?
Köhler und Baier halten sich mit einem Urteil zurück, sie beobachten, bleiben hinter der Kamera, auch wenn sie bisweilen eine Frage aus dem Off stellen. Immer wieder stellen sie aber prägnante Momente in den Raum, die einiges über die Verhältnisse in Rottweil erzählen: Gleich in der ersten Szene witzelt etwa ein bierseliger Mann über die kleinen Kameras, die die Regisseurinnen offenbar benutzen. Kleine Kameras für kleine Frauen seien das wohl… Später versucht ein Mann eher erfolglos zu begründen, warum in bestimmten Kostümen auf gar keinen Fall eine Frau stecken darf: Es war eben schon immer so. Frauen nähen und reichen ihren Männern die nächste Bierflasche, viel mehr haben sie in der Rottweiler Fasnacht nicht zu tun, die Tradition steckt fest in männlicher Hand. Leben tut sie dennoch auf eindrucksvolle Weise, wie Sigrun Köhler und Wiltrud Baier in ihrer sehenswerten Dokumentation zeigen.
Michael Meyns