Neo Rauch – Gefährten und Begleiter

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Zum ersten Mal seit Jahren äußert sich der Leipziger Maler Neo Rauch in Nicola Graefs Dokumentation vor der Kamera, erlaubt es der Regisseurin, ihn beim Arbeiten zu beobachten, öffnet seine Bilder- und Gedankenwelten. Hinter diesen faszinierenden Einblicken in die Arbeitsweise eines der bedeutendsten deutschen Künstler der Gegenwart verblassen die Szenen mit Gefährten und Begleitern, die eher Beiwerk bleiben.

Webseite: www.neorauch-derfilm.de

Deutschland 2016 - Dokumentation
Regie: Nicola Graef
Länge: 101 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 2. März 2017

FILMKRITIK:

Während der Filmvorstellung von Nicola Graefs „Neo Rauch - Gefährten und Begleiter“ denkt man unweigerlich an den wohl berühmtesten Film über die Arbeitsweise eine Künstlers - Henri-George Clouzots „Le Mystère Picasso“ - dem es gelang, den Künstler praktisch auf die Kino-Leinwand malen zu lassen. Viele Filme über Maler sind seitdem gedreht worden, die stets vor der Frage und auch vor dem Problem standen, wie der Schaffensprozess, der Moment, in dem Bilderwelten entstehen, mit der Kamera einzufangen ist.
 
Im Gegensatz zum expressiven Picasso, der mit unglaublicher Geschwindigkeit Formen skizzierte, mit wenigen Strichen Wesen schuf, die er wenige Momente später wieder verwarf, ist Neo Rauch ein zutiefst introspektiver, ruhiger Maler. Mit größter Ruhe entwickelt er seine Gemälde, lässt seine typischen Bilderwelten, seine ganz spezielle Ikonographie von Gestalten, mal direkten, mal verstecken Verweisen, langsam entstehen und verbringt dabei wohl mehr Zeit damit, auf die Leinwand zu schauen und den nächsten Pinselstrich zu bedenken, als mit dem eigentlichen Malen.
 
Kein Wunder, dass so ein introspektiver Künstler nur selten Interviews gibt, seine eigene Persönlichkeit in den Hintergrund stellt und seine Kunst sprechen lässt. Fast ein Wunder also, dass es Nicola Graef gelungen ist, einen Film über Rauch zu drehen, in dem der Künstler sich nicht nur bei der Arbeit über die Schulter blicken lässt, sondern auch, man will nicht unbedingt sagen ausführlich, aber doch Einblick in sein Inneres gibt. Höchst überlegt, ruhig und meist in druckreifen Sätzen spricht Rauch da von seinem Schaffensprozess, von den oft surreal anmutenden Figuren, die sein Werk prägen, von Gestalten, die oft unbewusst oder im Traum entstehen, voller Symbolkraft und Doppeldeutigkeiten.
 
Zur Neuen Leipziger Schule wird Rauch gezählt, ist inzwischen einer der erfolgreichsten deutschen Gegenwartskünstler und wird vor allem in den USA hoch geschätzt. Einige Sammler Rauchs hat Graef in New York und Miami getroffen, die mit offensichtlichem Stolz ihre Penthouses öffnen, in denen die markanten Gemälde Rauchs ganze Wände einnehmen. Zu hören, wie diese amerikanischen Sammler ihre Begeisterung für Rauch beschreiben ist durchaus erhellend, auch wenn man sich fragt, welche Vorstellung von Deutschland sie haben müssen, um Rauch als quasi exemplarischen Deutschen wahrzunehmen.
 
Denn was ist das überhaupt, ein deutscher Künstler? Gibt es Verbindungslinien zwischen anderen der großen, berühmten deutschen Künstler der letzten 40, 50 Jahren, zwischen Beuys, Richter, Kiefer und eben Rauch? Eine intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit, der deutschen Geschichte vielleicht, wobei Rauchs Ikonografie mindestens ebenso sehr von persönlichen Ereignissen und Schicksalsschlägen geprägt zu sein scheint, besonders dem frühen Tod der Eltern, die bei einem Eisenbahnunglück starben, als Rauch nur wenige Monate alt war, wie vom großen Ganzen.
 
Lose umkreist Nicola Graef Rauch und seine Arbeit, mäandert etwas ausführlich durch die Welt, von Italien bis nach Korea, wo sie weitere Sammler besucht, was zwar den internationalen Erfolg des Künstlers betont, doch am interessantesten bleibt „Neo Rauch - Gefährten und Begleiter“ immer dann, wenn er in der Heimat, in Leipzig zur Ruhe kommt und sich auf den Künstler und sein Werk konzentriert.
 
Michael Meyns